PAX CECILIA

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Eine musikalische und geistige Frischluftzufuhr

Dem Künstlerkollektiv THE PAX CECILIA aus Rochester, New York ist mit dem 2007 veröffentlichtem "Blessed Are The Bonds" ein Rundumbefreiungsschlag gelungen. Ausgehend von einem Selbstverständnis, in dem das selbst erschaffene Klangerzeugnis nicht bloße Geschmacksbefriedigung der Rezipienten oder einfaches Audio-Entertainment ist, sondern ein Kunstwerk, das von jedem kommerziellen Aspekt möglichst fern zu halten ist, scheinen sie sich jeglicher Limitierungen entledigt zu haben und verfolgen sowohl distributionstechnisch als auch musikalisch einen denkbar freiheitlichen Ansatz. Mit intellektuellem Tiefgang und einer Musik, die mit den üblichen Begriffen und Mechanismen der Musikverwertungsmaschinerie weder adäquat zu fassen noch befriedigend aufzuarbeiten ist, sind TPC scheinbar weit weg von der Spontaneität der ursprünglichen Punk/HC-Attitüde und nah dran an oftmals argwöhnisch betrachteter, verkopfter "Kunstkacke". Dass sie mit ihrem Willen zur Eigenwilligkeit und ihrer Kompromisslosigkeit in diverser Hinsicht dann doch viel näher an dem dran sind, was für viele die Quintessenz von Punk/HC ist, zeigt dieses Interview. Keyboarder Kent äußert sich darin zu künstlerischen Intentionen, Attributen für qualitativ hochwertige Musik, Wahrnehmung von Werten und beantwortet weitere, klärende Fragen.


Es ist recht kompliziert, irgendwelche Informationen über THE PAX CECILIA zu finden. Ist diese Geheimniskrämerei beabsichtigt, vielleicht im Sinne von "Mystifizierung"?

Wir haben es in letzter Zeit immer mehr vernachlässigt, Eigenwerbung zu betreiben, und legen auch keinen großen Wert auf Medienpräsenz. Vielleicht trägt das zu diesem Eindruck bei. Aber ich versichere dir, es gibt absolut nichts, was es wert wäre, es zu mystifizieren. Wir sind einfach sechs Individuen, die die Musik für sich sprechen lassen.

Vielleicht kannst du kurz ein paar einführende Worte über die Band sagen.

Greg, unser Schlagzeuger, und ich machen seit gut zehn Jahren zusammen Musik. Als das Ganze ernster wurde, haben wir noch Daniel an die Gitarre und John am Bass dazu geholt. Später, kurz vor den Aufnahmen zu "Blessed Are The Bonds", ersetzte dann Slade einen Gitarristen, der die Band verlassen musste. Zuletzt kam dann noch Johns Frau Rachel als Violinistin in die Band. Unter dem Namen THE PAX CECILIA, den wir jetzt seit etwa sechs Jahren benutzen, haben wir bisher zwei Platten veröffentlicht. Die erste trägt den Namen "Nouveau" und ist lange vergriffen, unsere aktuelle Scheibe ist die bereits erwähnte "Blessed Are The Bonds". Wir haben seit jeher versucht, etwas Eigenständiges zu erschaffen. Geltung und Relevanz wären auch ganz gut, aber die Erschaffung von etwas Eigenem ist uns schon am wichtigsten.

Die Stücke auf "Blessed Are The Bonds" decken eine beeindruckende Bandbreite musikalischer Stile ab; von Chopin-mäßigen Pianoparts und orchestrierten Passagen bis hin zu epischer Brutalität von Bands wie BURIED INSIDE scheint alles möglich. Was ist deine persönliche Vorstellung von einem guten Stück Musik?

Du wirst überrascht sein, dass ich Vielfältigkeit nicht unbedingt als Attribut für qualitativ hochwertige Musik ansehe. Am Wichtigsten finde ich die Atmosphäre. Musik ist die Sprache der Leidenschaften und sollte deshalb in ihrer Fähigkeit Emotionen zu kommunizieren wohl überlegt eingesetzt werden. Mit "Blessed" haben wir versucht, verschiedene Stimmungen nebeneinander zu stellen, um bestimmte Effekte zu erzielen. Meistens ist aber eine einzige, durchgehend stimmige Atmosphäre am wirkungsvollsten.

Die Musik auf eurer aktuellen Platte ist strukturell ziemlich komplex. Da die einzelnen Stücke miteinander verschmelzen, fühlt sich "Blessed..." eher wie ein großes Gesamtwerk an, als eine Sammlung von einzelnen Songs. Wie muss man sich das Songwriting vorstellen? Wusstet ihr schon vor den Aufnahmen, wie alles zusammenpassen sollte beziehungsweise passen würde oder hat sich das alles einfach während der Aufnahmen so entwickelt?

Was da passierte, war wie eine Dialektik zwischen uns und dem Werk. Es war, als hätte es sich selbst geschrieben, solange wir ihm nur Ideen injizierten. Das allumfassende Konzept kam erst auf halbem Weg zu Stande, und die Stücke, die musikalischen Themen sowie die Lyrics fanden ihren logischen Platz als Antwort auf das Ganze. Die Aufnahmen selbst waren dann nochmals wie ein Dialog zwischen uns und der Musik. Wir hatten im Vorfeld eine klare Vorstellung von den Songs, aber manch glücklicher Zufall legte völlig neue Elemente der Songs offen, die wir vorher nicht wahrgenommen hatten.

Auf der Platte ist eine Vielzahl zusätzlicher Musiker und Instrumente zu hören. Wie stellt ihr euch eine adäquate Live-Umsetzung dessen vor?

Das ist schon seit längerem ein Problem für uns. Bereits während der Aufnahmen zum Album war uns klar, dass es Bläser- und Chor-Partien geben sollte, obwohl wir wussten, dass eine praktische Umsetzung auf der Bühne nicht möglich sein würde. Es gibt jedoch nur wenige Teile auf der Platte, die man nicht zu sechst - so viele Leute bilden derzeit den Kern der Band - perfomen kann. Trotzdem war es notwendig, ein paar Teile zu überarbeiten, damit sie live einen größeren Effekt erzielen. Dabei ging zwar etwas die Raffinesse verloren, aber wir haben eine Menge Energie gewonnen.

Aufgrund der Qualität der Songs hättet ihr spielend ein Label für deren Veröffentlichung gefunden, habt euch aber dafür entschieden, die Platte auf Konzerten und über eure Website gratis zu verteilen und nur nach Spenden zu fragen, um die entstandenen Kosten zu decken. Was ist die Intention dahinter?

Musik als Kunst, nehme ich an. Es ist ein Experiment, um zu testen, ob die Menschen noch den Wert in etwas sehen, wofür sie nicht bezahlen müssen, um zu sehen, ob das ihre Wahrnehmung von Werten oder ihre Wahrnehmung von Musik verändern kann. Musik kann ein wunderbar verbindendes Element zwischen sehr verschiedenen Menschen sein und sollte daher für jeden gleichermaßen verfügbar sein. In einer gerechteren Welt würde die Öffentlichkeit einen Künstler unterstützen, der ihnen etwas von Wert bietet; und das nicht durch die systematischen Kommerzkanäle, sondern durch einen direkten und intimen Austausch. Obwohl ich bezweifle, dass den Leuten, die das Album bestellt oder etwas gespendet haben, all diese Ideen bewusst waren.

Obwohl euer Ansatz eine gewisse Punk/Hardcore-Attitüde erahnen lässt, geht ihr musikalisch doch deutlich weiter, als in dieser Subkultur sonst üblich. Sind denn gewisse ethische Momente von Punk tatsächlich Teil von TPC?

Es ist schwierig, unseren künstlerischen Ansatz mit irgendeiner spezifischen Bewegung in Verbindung zu bringen, denn wir versuchen schon, immer halbwegs in Augenhöhe mit den aktuellsten Veränderungen in der Musikrezeption und im Musikbusiness zu bleiben. Dennoch würde ich sagen, dass unser Ansatz in direktem Zusammenhang mit einer Underground/Punk-Mentalität steht. Auch wenn unser Schaffen musikalisch weit entfernt von Punk oder Hardcore ist, sehen wir in dieser Lebenseinstellung eine gewisse Spontaneität und die Anti-Establishment-Haltung, an der es - in Anbetracht unserer Zeit und Umstände - wichtig ist festzuhalten.

Seid ihr denn noch an anderen musikalischen oder sonstigen Projekten beteiligt?

Wir versuchen, uns auf verschiedenen Gebieten künstlerisch zu betätigen, sei es im visuellen Bereich, literarisch, digital, im Theater oder auch kulinarisch. Wir versuchen, Musik als Fundament unseres Ausdrucks zu verwenden, wenngleich wir auch darauf bedacht sind, all die verschiedenen Pfade unseres künstlerischen Ausdrucks immer wieder neu zu formulieren und zu verbinden. Hoffentlich mit dem Ergebnis, unsere Kunst als Ganzes auf ein höheres Niveau zu heben. Da wir alle zusammen wohnen und täglich miteinander interagieren, ist es manchmal schwer zu trennen, wann es um die Band geht und wann nicht. Diese verschwommenen Grenzen sind hoffentlich sehr ertragreich für uns.

Ihr wohnt alle zusammen, ist das ganz einfach eine Wohngemeinschaft oder eine Community mit tieferer sozialer oder künstlerischer Intention? Habt ihr bezüglich des Zusammenlebens einen ähnlich freiheitlichen Ansatz wie bei eurer Musik?

Es ist nichts weiter als ein häusliches Experiment. Es scheint, als würden wir im Kollektiv ganz gut funktionieren, musikalisch genauso wie im Alltäglichen. Eigentlich sind wir aber nur sechs Individuen, die jeweils die einzelnen Beiträge der anderen zu unserem kleinen sozialen Biotop genießen. Ich denke, diese familiäre Atmosphäre erzeugt gegenseitiges Verständnis und Geduld sowie eine intensive Leidenschaft und Seelenverwandtschaft. Hoffentlich kommt das in unserem Schaffen zum Ausdruck.

Wie lebt und arbeitet es sich in Rochester, NY?

Rochester ist eine mittelgroße Stadt, ein alter Industriestandort, der mittlerweile viel Freiraum für kulturelle Projekte bietet. Da wir ursprünglich alle aus einer eher ländlichen Gegend kommen, ist das hier schon eine deutlich anregendere Umgebung für uns. Na klar, im Vergleich zu Städten wie New York City ist Rochester natürlich viel weniger wild, bietet uns deshalb aber viel Ruhe und Abgeschiedenheit, um all die Freiräume zu nutzen und unsere Zeit der Kunst zu widmen.

Was darf man sich in der nächsten Zeit von euch erwarten? Gibt es Pläne für eine Europatour?

Zur Zeit haben wir uns ein wenig zurückgezogen. Wir geben nicht viele Konzerte und versuchen, uns auf die nächste groß angelegte Komposition zu konzentrieren. Eine Europatour hatten wir immer auf dem Schirm und mit dem Feedback, das wir seit "Blessed Are The Bonds" von dort bekommen, macht es für uns als Ziel auf jeden Fall absolut Sinn.