BAUSTELLE REVOLUTION

Lucio Urtubia

Das Leben schreibt die besten Geschichten, und so begeistert, wie ich Bommi Baumanns Lebenserzählungen verschlungen habe, las ich auch „Baustelle Revolution“ von Lucio Urtubia. Der wurde 1931 in der ans Baskenland grenzenden spanischen Provinz Navarra geboren, wuchs dort unter ärmlichen, dörflichen Bedingungen in den Wirrungen des spanischen Bürgerkriegs und der faschistischen Franco-Diktatur auf und flüchtete als junger Mann nach Frankreich, wo er, der von den politischen Verhältnissen in seiner Heimat bereits politisiert, zum überzeugten und aktiven Anarchisten wurde.

Sein Kampf galt den Unterdrückern in seiner Heimat, er versuchte seine Gesinnungsgenossen dort auf verschiedenste Weise zu unterstützen, etwa durch die Beschaffung von Druckmaschinen , aber auch einfach durch Geld für den politischen Kampf.

Dabei ging Urtubia nicht bevorzugt legal vor, er „besorgte“, was gebraucht wurde, und auch vor Banküberfällen schreckte er nicht zurück, achtete aber darauf, dass keine Menschen zu Schaden kamen.

Seine Aktivitäten betrieb er dabei immer aus einer legalen Existenz als selbständiger, kleiner Bauunternehmer heraus, Konflikte mit der Polizei blieben da nicht aus, aber angesichts des Ausmaßes seiner Guerilla-Aktivitäten, die er hier beschreibt, kam Urtubia immer glimpflich davon, verbrachte nicht die Hälfte seines Lebens im Knast.

Dazu trug bei, dass er bis heute mächtige und einflussreiche Freunde in den obersten Kreisen der politischen Klasse Frankreichs hat, die irgendwie Sympathie empfanden für diesen Kerl. Und so kam Urtubia sogar davon, als er und seine Kumpane Travellerschecks im Millionenwert fälschten, die Bank aber von einer Verfolgung im Tausch gegen die Druckplatten absah.

Urtubia, der nach klassischen Maßstaben „ungebildet“ ist und heute ein anarchistisches Kulturzentrum in Paris betreibt, hat Alix Arnold und Gabriele Schwab seine etwas konfus niedergeschriebenen Erinnerungen überarbeiten lassen, mit dem Ergebnis eines Buchs, das zwar literarisch nicht unbedingt überzeugt, aber inhaltlich, und das deutlicher als jedes trockene Theoriewerk vermittelt, wie gelebter Anarchismus aussehen kann, wobei Urtubia aus seiner Abneigung gegen Kommunisten wie die im Frankreich der Fünfziger und Sechziger keinen Hehl macht.