Es war eine logische Entscheidung, dass Alan Vega und Martin Rev ihr neues, fünftes Album (nicht schlecht für eine Band, die es bald 30 Jahre gibt...) auf dem legendären Blast First-Label veröffentlicht haben, denn dort waren vor fünf Jahren ja auch schon die ersten beiden Alben wiederveröffentlicht worden.
Und nun also ein neuer Longplayer der Pioniere der elektronischen Musik, die sich in ihrem Tun aber immer massiv von den deutschen Avantgardelern KRAFTWERK entschieden. Dort eher der Wunsch nach Perfektion, nach cleanem Auftreten, hier die Umsetzung des bei STOOGES und MC5 (Alan Vega bekommt noch heute leuchtende Augen, wenn er von seinem ersten STOOGES-Konzert 1969 erzählt) gesehenen mit primitivsten Mitteln, was bedeutet, dass es schon eine Band ist, wenn einer - Vega - singt und der andere - Martin Rev - dazu seine Synthesizer und Sampler bedient.
Ohne SUICIDE kein MOBY, ohne SUICIDE kein ATARI TEENAGE RIOT, so sieht die Abfolge der Ereignisse aus. Und ja, SUICIDE waren und sind Punk. „American Supreme" nun ist das neue Album, und es fiel diversen Rezensenten in ach so kompetenten Blättern nicht schwer, mit kaum verhehlter Häme über das in die Jahre gekommene New Yorker Duo herzufallen, von wegen SUICIDE seien nur noch Schatten ihrer selbst, ihrer Zeit nicht mehr voraus, sondern hinkten hinterher, und so weiter.
Bullshit, kann ich da nur sagen. Und ja, ich bin - SUICIDE ist eine der ganz wenigen Bands, bei denen ich das zugebe - bedingungsloser Fan, lasse mich von Rev und Vega mitnehmen, wohin auch immer die Reise gehen mag.
Warum? Vegas Stimme, sein (Sprech-)Gesang ist auch heute noch unglaublich mitreissend, einzigartig, und was die instrumentale Seite anbelangt, so muss man eingestehen, dass natürlich in Zeiten, da elektronische Musik Massengut und Massengeschmack geworden ist, SUICIDE das Unmögliche nicht leisten können, ein zweites Mal in ihrer Geschichte Trendsetter, Pioniere, Avantgarde zu sein.
So gesehen hat die Revolution hier ihre Kindern gefressen, aber das ist nicht weiter schlimm, denn bei Vega und Rev ist darüber keine Bitterkeit zu verspüren. Sie machen ihr Ding, abgekoppelt von Trends, und so ist „American Supreme" die logische Fortschreibung ihres bisherigen Wirkens.
Anfangs war ich zwar etwas enttäuscht, weil das Album scheinbar etwas beliebig ist, doch mit jedem weiteren Hören verblasste dieser Eindruck, nahm mich das Album mehr und mehr gefangen. Die Texte zu den Songs mit so schönen Titeln wie „Swearing to the flag" (auf dem Cover ist eine verfremdete US-Fahne zu sehen, im Interview hatten Rev und Vega nur nicht jugendfreie Kraftausdrücke für George W.
Bush übrig) oder „Dachau, Disney, Disco" enthält das Booklet der CD zwar nicht, dafür aber einen in zwölf Punkte gegliederten Essay der Künstlergruppe CRASH, die, so Vega, die Aussagen seiner Texte mit anderen Worten wiedergebe.
Alles in allem also ein wirklich exzellentes Album, zu dem man aber einen, seinen Zugang finden muss. Mein Hit hier: „Death machine" - SUICIDE goes Stumpf-Techno, einfach nur groß. (55:17) 9/10
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