Mit „Shadows On The Sun“ haben ZEN GUERILLA aus San Francisco sich erneut gesteigert und ein Album an den Start gebracht, das sogar annähernd die Livepower der Band konservieren kann. Wie kaum eine andere Band schaffen sie es, Punk, Blues, Soul und Heavy Metal unter einen Hut zu bringen und dabei einen unglaublichen Groove zu entwickeln. Ich unterhielt mich mit Frontmann Marcus.
Marcus, was machst du derzeit?
Ich kümmere mich um die Bandgeschäfte, arbeite aber auch freiberuflich als Grafikdesigner, sowohl ganz klassisch mit Stift und Papier als auch am Computer. Ich mache Poster, Verpackungen für Spielzeug...
Für Spielzeug?
Ja, ich habe neulich eine Verpackung für ein Matchbox-Auto gemacht. Das war schon ziemlich klasse. Naja, und ausserdem mache ich eben die ganze Grafik für ZEN GUERILLA.
Wer hat dich denn bei deiner grafischen Arbeit beeinflusst?
Leute wie Neville Brody, Art Chancery, Max Ernst, Francis Bacon. Ich habe damals in Delaware Grafikdesign und Kunstgeschichte studiert und darin auch einen Abschluss.
Ist diese Arbeit für dich eine Notwendigkeit zum Überleben oder ein willkommener Ausgleich zum Musikerleben?
Ich liebe diese Arbeit, es macht mir Spass auch grafisch zu arbeiten, und selbst wenn ich mit der Band genug Geld zum Leben verdienen würde, würde ich trotzdem noch als Grafiker arbeiten. Es gibt eben mehr im Leben als nur Musik.
Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, wart ihr gerade am Ende eurer Europatour angelangt, du riefst mich von einem Autobahnparkplatz in England aus an und erzähltest mir, du hättest deine Schuhe verloren...
Oh ja... Ich hatte meine Sneakers irgendwo liegenlassen, was bei meiner riesigen Schuhgröße echt ein Problem war, denn ich fand keine neuen, und so musste ich den Rest der Tour in Socken absolvieren. Weisst du, wie die Story weiterging? Die wollten mich deshalb nicht ins Flugzeug lassen! Naja, ich hatte mir als Schuhersatz flachgetretene Suppenbüchsen mit Gaffa-Tape an die Füße geklebt...
Kann es sein, dass du damit schon etwas freakig ausgesehen hast in einem Flughafen?
Freakig? Wieso? Ich würde sagen, das war eine sehr praktische Vorgehensweise in dieser Situation.
Angesichts eures musikalischen Stils muss ich dich fragen, was du zum Tod von John Lee Hooker zu sagen hast.
Wir haben einen Tag nach seinem Tod in San Francisco im Fillmore gespielt, und nach der Show sind wir alle in Johns Kneipe „The Boom Boom Room“ gegangen, die da gleich gegenüber ist. Wir haben da ein paar Drinks auf ihn genommen, haben uns mit anderen Fans über ihn und seine Musik unterhalten. Ich habe in seiner Kneipe gerne Flipper gespielt, und er selbst war auch ein sehr guter Flipperspieler. Er war auch selbst oft dort. Es war schon ein komisches Gefühl, denn klar, John Lee Hooker hat uns natürlich musikalisch ziemlich beeinflusst. Ich habe viel von ihm gelernt und hoffe, mit seinem Einfluss die Kunst des Blues weiterzuentwickeln.
Bist du mit Blues aufgewachsen oder ist das ein Musikstil, den du erst später entdeckt hast?
Ich habe Blues und Soul schon immer gemocht, aber auch Punkrock. Dabei ist Punkrock so ein einengender Begriff: John Lee Hooker war so Punkrock wie kaum ein anderer! Ich bin mit Rhythm & Blues und Soul aufgewachsen, diese Musik war schon immer Teil meines Lebens.
Haben deine Eltern dich in dieser Hinsicht beeinflusst?
Klar. Mein Vater ist Schwarzer, meine Mutte eine Weiße: Mein Vater brachte schwarze Kultur in die Ehe, meine Mutter weiße, und als Schwarzer mochte mein Vater natürlich Soul, Rhythm & Blues und natürlich auch Rock´n´Roll, und diese Musik hat mich meine Kindheit und Jugend über begleitet.
Besonders faszinierend finde ich immer wieder deine Art zu singen: du hast einen kuriosen, alten Verstärker auf der Bühne stehen, der deine Stimme sehr krass verstärkt und verzerrt.
Das ist ein alter Bell & Howard-Lautsprecher, der mal zu einem Filmprojektor gehörte. Ich habe ihn zu einem Verstärker umgebaut, in dem ich einen Röhrenverstärker einsetzte und noch etwas daran herumgebastelt habe. Ich habe das Ding im Ghetto von Nord-Philadelphia bei einem Trödler entdeckt und für $5 gekauft. Er begleitet mich schon seit zig Jahren, wurde unzählige Male repariert und tut´s noch immer.
Wie kann man denn damit im Studio arbeiten? Das ist ja schon live unglaublich laut.
Es ist nicht leicht, denn so ein Studio ist ein steriler Ort. Da fehlen die Leute, die sonst vor der Bühne stehen, und in so einer sterilen, isolierten Umgebung fällt es schon schwer, die Begeisterung eines Liveauftritts nachzuempfinden.
Wie „live“ sind denn eure Studioaufnahmen?
Ziemlich live. Wir bauen unsere Sachen alle zusammen in einem Raum auf und spielen dann die Songs ein. Das klappt ganz gut, aber uns fehlen natürlich unsere besten deutschen Fans in der ersten Reihe. Idealerweise hätten wir so gearbeitet, dass wir hundert Fans aus Deutschland nach Seattle zu uns ins Studio geholt hätten. Das wäre dann richtig live gewesen.
Ihr habt auch diesmal wieder mit Jack Endino aufgenommen. Der Mann ist ja ein Genie, aber es scheint, dass er im Gegensatz zu seiner Hochphase Anfang der Neunziger heute eher wenig Bands produziert.
Jack hat sich eine ganze Weile vom Musikbusiness verabschiedet und war um die Welt gesegelt, hatte sich auf eine Entdeckungsreise auf die polynesischen Inseln begeben, wo er als Archäologe arbeitete und ausserdem experimentelle Biorhythmen in der polynesischen Kultur studierte. Er dokumentierte seine Arbeit auch für National Geographic und Time & Life. Er war also eine ganze Weile raus aus dem Musikgeschäft.
Und wie seid ihr mit ihm in Kontakt gekommen?
Das ist eine gute Story: ich habe ebenfalls in Polynesien in einem Forschungsprojekt gearbeitet, bei dem es um die Entnahme von Bodenproben ging, mit dem Ziel zu erforschen, wie Vulkanasche die Fruchtbarkeit des Bodens beeinflusst. Ich hatte das früher schon in Delaware gemacht, also Bodenanalysen von Ackerland. Jedenfalls war ich in Polynesien, war gerade mit der Entnahme von Bodenproben bechäftigt und treffe da diesen anderen Amerikaner - Jack Endino.
Auf einer kleinen Insel im Pazifik?!
Ja, kein Witz, in einer Ananasplantage. Wir kamen ins Gespräch, tranken zusammen Pinacolada, gingen tauchen - und beschlossen, zuhause in den USA zusammen aufzunehmen. Ich kannte natürlich seine eigenen Platten und die, die er produziert hatte, und er ist echt ein super netter Typ, sehr offen und ehrlich.
Mit SubPop gibt es neben Endino noch eine Seattle-Connection. Euer letztes Album war ja in den USA auch schon auf SubPop erschienen, in Europa dagegen auf Epitaph, und die neue Scheibe nun ist auch hierzulande via SubPop erhältlich.
Die Verbindung zu SubPop kam eher zufällig zustande: Einer der bei SubPop arbeitet war wie wir in Austin, Texas bei der SXSW-Musikmesse. Wir spielten da schon am frühen Vormittag eine Show, und er war gerade aus dem Bett gekrochen, um sich Frühstück zu holen. Auf dem Weg zum Coffeeshop hörte er eine Band, die „The Trooper“ von IRON MAIDEN spielte. Das waren wir, er ging nachsehen, wer da spielt, und so kamen wir zusammen.
Bis dahin wart ihr bei Alternative Tentacles gewesen, bzw. in Europa auf Loudsprecher.
Ja, und wir erzählten Biafra von dem SubPop-Angebot, worauf er meinte, wir sollten das doch einfach ausprobieren, er habe kein Problem damit.
Mit MURDER CITY DEVILS, ZEKE und ZEN GUERILLA hat SubPop nach einigen schwachen Jahren jetzt wieder ein paar coole Bands am Start. Hat es für dich eine besondere Bedeutung auf diesem legendären Label zu sein?
Ach, weisst du, ich bin glücklich, dass es mit SubPop derzeit gut läuft. Ansonsten denke ich nicht viel darüber nach, denke auch nicht weit in die Zukunft, sondern bin froh, wenn heute alles stimmt. Ernsthaft, irgendwie stimmt derzeit alles, wir haben klasse Fans, wir spielen in Europa und den USA coole Konzerte - das Leben meint es gut mit uns.
Wann kann man wieder mit euch rechnen?
Ende Oktober, Anfang November. Ich freue mich schon auf all die Konzerte in kleinen deutschen Städten - und unsere Fans dort. Echt, unsere deutschen Fans sind was ganz besonderes.
Warum?
Die sind unglaublich leidenschaftlich bei der Sache, die sind ehrlich und gehen total mit. Das gefällt mir, das zeichnet die deutsche Kultur aus. Gerade auch Rich, unser Gitarrist, freut sich immer wieder auf Deutschland und gibt dort auf der Bühne noch ein kleines Bisschen mehr als sonst. Und ausserdem gibt´s in Deutschland großartige Hot-Dogs - mmmhhh, in fast jeder Tankstelle gibt´s bei euch diese leckeren Hot Dogs mit richtig viel Senf.
Marcus, ich danke dir für das Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #32 III 1998 und Joachim Hiller
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