WOLFWOLF

Foto© by Chico Heubeck

Homo homini lupus

Marcel Frank (voc, dr) und Reto Eller (gt) sind schon seit 2010 der „Doppelwolf“. 2012 kam auf Lux Noise – wie alle weiteren Releases auch – ihre erste 7“ „The Wolves Are Coming“. 2014 das Debütalbum „Homo Homini Lupus“, 2017 „The Cryptid Zoo“, 2020 „Metamorphosis“ und nun ist mit „Totentanz“ das vierte Album erschienen. War die Anspielung auf die (Wer)Wolf-Thematik auch schon mal augenfälliger, sieht das Duo den neuesten Release als Abschluss einer Trilogie. Die Musik, die im übrigen auch sehr gut ins Setting von Voodoo Rhythm Records passen würde, erinnert mich einmal mehr an das Terrain, das Beat-Man mit seinen diversen Projekten absteckt. Allerdings können WOLFWOLF, die mal auf Englisch, mal auf Deutsch singen, auch ganz anders und recht elektronisch. Ich hatte Fragen, sie die Antworten.

Holt uns bitte mal rein: Wann und wie ging und mit wem ging das alles los mit WOLFWOLF? Und was war und ist die Idee dahinter?

Reto: Als unsere vorherige Band THE TOENAILS nach einer Tour im 2010 implodierte, standen wir plötzlich ohne irgendwas da. Die übrigen Ex-Mitglieder waren noch in anderen Bands involviert. Wir beide hingegen mussten uns entscheiden, ob wir in musikalische Pension gehen oder einfach noch mal was Neues versuchen.
Marcel: Ein klares Konzept gab es am Anfang nicht. Wir wussten damals nur, dass wir etwas anderes als eine „normale“ Band sein wollten. Obwohl wir beide bis zu diesem Zeitpunkt eher im Hintergrund agierten, haben wir uns aus der Komfortzone raus und an das Duo-Projekt gewagt. Es sollte etwas Innovatives und Sperriges werden, eine Mischung aus Kleinkunst und Rock’n’Roll.

DEAD BROTHERS, MONSTERS, WOLFWOLF ... die Schweiz scheint ein gutes Revier zu sein für urwüchsige Musik eurer Machart. Koinzidenz oder Korrelation?
Reto: Beat-Man und Voodoo Rhythm Records haben natürlich die Szene in der Schweiz seit Jahrzehnten sehr stark geprägt. Wir kamen damals zwar eher aus der Basler-Ecke mit ZAMARRO, BITCH QUEENS oder LOMBEGO SURFERS, aber wir wollten nach unserer Zeit in der Stoner-Rock-Band eher was Direkteres und Reduzierteres machen. Außerdem waren wir zu zweit gezwungen, andere Lösungen im Songwriting zu finden. Uns gefiel, was diese ganzen Bands aus der Blues-Trash-Szene machten, und davon ließen wir uns ganz klar inspirieren.

Welche Platten und Bands muss man sich anhören, um irgendwann da rauszukommen, wo ihr heute seid?
Reto: Ich denke, die tiefsten musikalischen Wurzeln von WOLFWOLF liegen bei „Surfer Rosa“ von den PIXIES. Ohne dieses Album wäre ich heute ganz bestimmt ein anderer Songwriter. Die rauhe und unkonventionelle Art prägen mich bis heute. Wahrscheinlich würde es WOLFWOLF auch ohne DEAD MOON so nicht geben. Ich habe mir damals bei ihrem Konzert im Sedel in Luzern die 7“ „Black September“ gekauft. Für mich der beste DEAD MOON-Song überhaupt. „Elephant“ von den WHITE STRIPES ist auf jeden Fall auch eine wichtige Platte. Sie zeigte uns, wie man nur mit Gitarre und Schlagzeug Songs schreiben kann, ohne dass man etwas vermisst. Und dann sind MADRUGADA bei uns auch immer irgendwo ein bisschen präsent. Die Melancholie in ihren Stücken ist einmalig. „The kids are on High Street“ ist einer der besten Songs, der je geschrieben wurde. Allerdings sind wir, was unsere musikalische Wurzeln angeht, nicht so konstant unterwegs. Es gibt immer wieder neue Einflüsse. Als die ersten Songs für „Totentanz“ entstanden, lag zum Beispiel sehr oft „Alles in Allem“ von EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN bei mir auf dem Plattenteller. Da fing ich an, mit Samples von metallischen Klängen zu experimentieren.
Marcel: Tom Waits war sicherlich von Anfang an ein musikalischer Pate für WOLFWOLF. Auch Leonard Cohen, einer meiner absoluten Lieblingskünstler. Bei mir kann es aber auch mal Black Metal oder Klassik sein. Alles fließt irgendwie ins Schaffen mit der Band ein. Und vielleicht sollte man sich auch mal einen Jim Jarmusch-Film anschauen, wenn man WOLFWOLF verstehen will.

Der Wolf ist ein Thema, das sich bei euch durchzieht, jenseits des Bandnamens. Euer 2020er Album etwa hieß „Metamorphosis“ mit dem Untertitel „From Man To Beast“ – eine eindeutige Anspielung auf die Werwolf-Thematik. Holt uns doch bitte mal rein in diese Themenwelt: Was fasziniert euch am Wolf und all den Mythen um dieses Tier?
Marcel: Der Wolf ist die perfekte Verkörperung für unsere Musik. Er hat etwas Starkes und Aggressives und dennoch auch eine geheimnisvolle, düstere Seite. Außerdem hat der Mensch seit jeher eine spezielle Beziehung zu diesem Tier. Somit war und ist es die passendste Mythenwelt für das WOLFWOLF-Universum.
Reto: Wir lieben es grundsätzlich, unsere Songtexte in abstruse Geschichten zu verpacken, um die wahren Storys dahinter ein bisschen zu verstecken. Der Wolf war wohl eher der „Starting Point“ in die Welt, die wir über die Jahre mit unseren Texten geschaffen haben. Und vielleicht auch eine Art Anker, um sich festzuhalten, wenn man anfängt, sich zu verzetteln.

Sind die Schweizer eigentlich auch so wolfsparanoid wie die Deutschen, die anscheinend Angst haben, dass Kollege Isegrim ihnen den Lammbraten wegfuttert?
Marcel: Die Angst vor dem Wolf ist nichts, das länderspezifisch ist, sondern hat eine lange historische Tradition. Für uns ist es auch gerade deswegen ein spannendes Motiv, weil diese „Wolfsthemen“ ja oft auch sehr irrational behandelt werden. Und die Figuren, die in unserer Welt vorkommen, sind oft solche, die sich wie Wölfe unter den Menschen fühlen.

Euer neues Album heißt „Totentanz“. Was verbirgt sich dahinter für ein Konzept, was hat es mit dem Coverartwork mit den seltsamen Zeichen auf sich?
Reto: Das Album ist für uns zugleich der Abschluss einer Trilogie. „Crypted Zoo“ beschäftigte sich vor allem mit Personen am Rande der Gesellschaft. „Metamorphosis“ war eine Platte über die dunkle Seite des Menschen. Und bei „Totentanz“ geht es jetzt hauptsächlich um den Übertritt ins Reich der Toten. Aber diesseits des Todes steht ja das Leben. Davon handelt die Platte auch.
Marcel: Für das Artwork arbeiten wir immer mit befreundeten Künstlern zusammen. Diesmal war es das Ehepaar Barbara und Heini Gut. Speziell dabei ist, dass sie beide seit Jahrzehnten sehr erfolgreiche Künstler sind, sich aber für diese Projekt zum ersten Mal zusammengetan haben. Barbara Gut hat die Skulptur und das Setting erstellt, Heini die kryptischen Zeichen entworfen und abgesetzt. All seine Kunst beinhaltet solche Zeichen. Ihre Bedeutung ist sein Geheimnis, und soweit wir wissen, konnte noch niemand seine Codes entschlüsseln. Das passt insofern sehr gut zu diesem Album, da auch wir alle nicht wissen, was sich hinter dem Todestor befindet.

Apropos Codes. Dekodiert doch bitte ein paar eurer Songs.
Reto: „Heidi is alive“ ist der zweite Teil einer eventuellen Trilogie. Auf unserem Debütalbum „Homo Homini Lupus“ war „Heidi“ die Femizid-Geschichte eines eifersüchtigen Mannes, der seine Frau umbringt, weil sie ihn verlassen hat. In „Heidi is alive“ wird die anfangs noch sehr ernste Geschichte langsam zu einem Splatter-Movie, denn Heidi ist doch noch am Leben ... In „Vampire love“ lässt sich eine Frau von einem Vampir beißen, damit sie mit ihm zusammen sein kann. Er gab ihr ewiges Leben, dafür erzählt sie ihm Geschichten vom Tag, den ein Vampir aus bekannten Gründen nie erleben kann. „Heavy Sick“ ist eine Hommage an den gleichnamigen Club in Tokio. Dort trifft sich die Garage-Punk Szene. Wir sind dort vor einigen Jahren aufgetreten. Das war ein einmaliges Erlebnis und eine große Ehre für uns. Die Leidenschaft der Leute für diese Musik hat uns tief beeindruckt.