WOLF MOUNTAINS

Foto© by Kayhan Mac & Ben El Halawany

Kitsch und Melodien

2014 sah ich die mir damals noch völlig unbekannten Stuttgarter WOLF MOUNTAINS bei einem Konzert in Tübingen und war schwer angetan vom dargebotenen Mix aus Garage-Rock und Pop, der trotz aller Melodien immer noch eine düstere 60s-Psychedelic-Kante hatte. Drei Jahre später haben Reinhold Buhr (git, voc), Thomas Zehnle (b) und Kevin Kuhn (dr, voc) ihr zweites Album „Superheavvy“ am Start, erschienen bei This Charming Man, das diesen Stilmix auf die Spitze treibt. Also musste ein Interview her. Schlagzeuger Kevin (der auch bei DIE NERVEN trommelt) sprach mit mir über Wege zur Bandnamenfindung, Gebirge in Montana und perfekte Popsongs.

Kevin, ich erreiche dich gerade in Berlin, wo du inzwischen wohnst. Heißt das, WOLF MOUNTAINS sind auch als Band nicht mehr in Stuttgart beheimatet?

Doch, wir sehen uns nach wie vor als Stuttgarter Band, da wir uns dort für die meisten Bandaktivitäten treffen. Die anderen beiden wohnen ja noch dort. Ein paar Proben gab es aber auch schon in Berlin. Wir hatten jetzt eine längere Pause, weil Reinhold sehr mit seinem Studium beschäftigt war. Ich selbst habe viel mit einer meiner anderen Bands KARIES gemacht und Thomas spielt ja noch bei ALL DIESE GEWALT und LEVIN GOES LIGHTLY. Jetzt geht es aber wieder mit WOLF MOUNTAINS los.

Warum habt ihr euch WOLF MOUNTAINS genannt?

2012 haben Reinhold und ich erst mal zu zweit angefangen. Auf den Namen sind wir dann über diese Random Article-Funktion bei Wikipedia gekommen. Die hat uns unter anderem den Artikel über die Wolf Mountains ausgespuckt, ein Gebirge im US-Staat Montana. Der Name ist natürlich schon etwas klischeehaft, haha. Wie viele Bands gibt es inzwischen, die „Wolf“ im Namen haben? Aber für uns hat das damals dann gleich gepasst. Es gibt, glaube ich, noch zwei Bands, die sich WOLF MOUNTAIN, also im Singular, nennen. Wir sind die Einzigen im Plural. Darauf lege ich viel Wert, haha.

Welche Platten habt ihr denn bisher rausgebracht?

„Superheavvy“ ist jetzt unsere zweite „richtige“ Scheibe. Davor gab es noch „Birthday Songs For Paul“, das war ursprünglich nur ein Tape. Die kam ein Jahr später aber noch als Vinyl raus. Unser Debüt „We Are The Future“ haben wir tatsächlich nur als Tape veröffentlicht. Die Songs dafür haben wir damals im Wohnzimmer von Thomas aufgenommen.

Wie habt ihr euch aus deiner Sicht seitdem musikalisch weiterentwickelt?

Ich finde, dass wir tatsächlich kitschiger geworden sind! Wir haben inzwischen noch mehr Melodien als zuvor in den Songs. Vor drei Jahren waren wir noisiger, postpunkiger, würde ich sagen. Aufgenommen haben wir diesmal in einem winzigen Tonstudio im Künstlerhaus Stuttgart, ein richtig kleines, enges Kabuff. Das hatte eine sechs Quadratmeter große Kabine, in der wir gerade so zu dritt reingepasst haben. Übrigens unter der Regie von Max Rieger von meiner anderen Band DIE NERVEN, der gerade allgemein viel Musik mit anderen Bands aufnimmt und produziert.

Wie habt ihr aufgenommen?

Das Grundgerüst der Songs aus Bass, Gitarre und Schlagzeug haben wir in drei Tagen live eingespielt. Das ging schnell, weil wir viele Songs schon länger bei Konzerten gespielt haben. Danach haben wir noch Overdubs mit Percussion und Gitarre gemacht. Der Gesang hat mit Abstand am längsten gebraucht, weil wir teils mit mehrstimmigen Overdubs gearbeitet haben. Im Gegensatz zu früher haben wir diesmal versucht, die einzelnen Songs soundmäßig viel mehr auszudifferenzieren. Bei der letzten Platte und dem Tape war alles mehr aus einem Guss, auch einfach aufgrund unseres begrenzten Equipments. Das ist bei „Superheavvy“ jetzt anders. Die Idee war, eine ruppigere Variante von späten BEATLES- oder BEACH BOYS-Alben hinzubekommen, eben herunter gebrochen auf unsere Triobesetzung. Ziel war ein möglichst sumpfig pulsierender, beißender Sound, haha.

„Sumpfig pulsierend“ ist definitiv eine gelungene Beschreibung eines Bandsounds.

Mir fällt es schwer, Musik zu beschreiben. Ich bin kein Fan von der Einsortierung in Musikgenres. Klar passt „Garage Rock“ im Großen und Ganzen als Beschreibung für unsere Musik. Aber ich sehe bei uns auch einen starken Hang zu sehr poppigen Songs. Insofern eher „Garage Pop“. Ich kann für mich sagen, dass ich ein großer Freund von krassen Gegensätzen in der Musik bin. Mir gefällt bei der neuen Platte sehr, dass wir total süßliche Melodien mit einer sehr derben Soundästhetik verbunden haben. Ich habe Leuten WOLF MOUNTAINS schon als Mischung aus THE SHANGRI-LAS und VENOM beschrieben. Dazu kommen noch viele weitere Einflüsse wie Psychedelic Rock, R’n’B oder obskure Sachen aus den 60ern und 70ern. Alles, was sich gut anfühlt, machen wir! Ich bin eine ziemliche Popsau! Ich liebe die BEATLES und das Songwriting von Burt Bacharach. Aber ich mag es eben auch, wenn es knallt.

Das neue Album ist sowohl auf Vinyl als auch auf CD erschienen. Wie hörst du selbst am liebsten Musik? Was hältst du von Streaming?

Ich finde Streaming hervorragend. Das ist eine bequeme Art, Musik zu hören. Man kann hier tatsächlich auf unterschiedlichste Musik zugreifen. Wenn man von einer neuen Band irgendwo liest, kann man inzwischen sofort gleich mal rein hören. Das finde ich super am Streaming. Schade ist natürlich, dass dadurch dieses bewusste Hören wegfällt. Man wird bei den Streamingdiensten unheimlich schnell dazu verführt, weiter zu skippen zum nächsten Song oder zur nächsten Band. Ich bin aber eher mit CDs sozialisiert worden, die jetzt immer mehr verschwinden. Es ist inzwischen fast schon Retro, CDs zu hören. Platten habe ich natürlich auch, aber momentan hier in Berlin noch keinen Plattenspieler.