WOLF DOWN

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Each One Teach One!

Mit „Stray From The Path“ schickten sich WOLF DOWN aus dem Ruhrgebiet 2013 an, die Herzen der weltweiten Hardcore-Szene zu erobern, doch als es gerade richtig gut lief, stieg im Sommer 2014 Fronfrau Larissa aus, die optisch wie gesanglich die Band prägte. WOLF DOWN suchten Ersatz – und fanden Dave, erst aushilfsweise, dann fix. Kaum verwunderlich, dass das neue Album „Incite & Conspire“, soeben auf End Hits erschienen, die Band in leicht verändertem Klanggewand präsentiert – nur an der klaren politischen Positionierung hat sich nichts geändert. Zunächst stellten wir dem neuen Frontmann Dave ein paar Fragen, dann Bassist Pascal.

Dave, kannst du dich erinnern, wann, wie und wo du erstmals auf WOLF DOWN gestoßen bist und was dein Eindruck von der Band war?

Dave:
Ja! Ich weiß, dass Larissa mir damals auf einem Konzert im JZE Papestraße Essen ein Demo in die Hand gedrückt hat mit den Worten: „Hier, hör dir das an!“ Und das tat ich dann natürlich zu Hause auch direkt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich mir schon beim ersten Durchhören dachte, dass das Musik ist, die ich auch gerne machen würde. Mit anderen Worten, die Sache hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen. Von da an verfolgte ich mehr oder minder intensiv, was die Band so trieb, da ich Sven und Larissa auch schon von ihrer vorherigen Band SINK OR SWIM und diversen Shows kannte. Aus Konzertbekanntschaften wurden irgendwann Freundschaften und man war froh, auf den damals noch kleinen Shows Gesichter wiederzuerkennen. So kam es auch dazu, dass ich WOLF DOWN an einem kalten Novemberabend auf dem Bauwagenplatz in Köln das erste Mal live sah. Ich habe damals noch tief in der Eifel in der Nähe der belgischen Grenze gewohnt und musste, um Shows zu besuchen, mehrere Stunden Autofahrt einplanen. Das habe ich aber gerne gemacht, da ich damals einen starken Drang hatte, Bands, die mich inspirierten, unbedingt live zu sehen. Als sie am besagten Abend auch noch – zu meiner Überraschung – einen alten GUNS UP!-Song gecovert haben, war ich umso begeisterter von ihnen, haha. Von Anfang an waren WOLF DOWN sehr zugänglich und offen. Im Laufe der Zeit und der besuchten Shows fiel es mir immer wieder auf, dass WOLF DOWN eine der wenigen Bands zu der Zeit waren, die zusätzlich zum regulären Merchandise auch eine Menge Infomaterial zu Tierrechten, Veganismus, Antifaschismus und anderen szeneübergreifenden Themen dabeihatten. Das fand ich sehr gut und es hat mir damals auch geholfen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen.

Wie schwierig war es, in die Fußstapfen deiner Vorgängerin Larissa zu treten?

Dave:
Den Einstieg in die Band habe ich nicht als besonders schwer empfunden. Ich stand dem von Anfang an sehr offen gegenüber, war aber trotzdem neugierig und irgendwie gespannt, wie die Reaktionen auf den Wechsel sein würden. Ich hatte aber keine Erwartungshaltung an mein Umfeld und die Szene aufgebaut, so konnte ich das eher gelassen angehen. Nachdem meine alte Band sich aufgelöst hat, hatte ich über lange Zeit den Drang, wieder auf der Bühne zu stehen. Den Drang, Musik zu machen und dieses Gefühl wiederzufinden, ein kleines bisschen Freiheit zu haben, einfach das zu tun, was man tun möchte. Als die Shows in Russland dann so gut für uns liefen und die Stimmung innerhalb der Band während des Trips durchweg positiv war, wurde mir und auch den anderen schnell klar, wie es mit WOLF DOWN weitergehen sollte.

Welche Vorbilder oder Ideale hast du als Sänger?

Dave:
Konkrete Vorbilder habe ich keine. Natürlich könnte ich hier bestimmte Leute nennen, die mich durch ihre Technik, die Art des Gesangs „inspiriert“ haben. Mein Musikgeschmack ist allerdings sehr divers, deswegen ist meine Sängerposition eher eine Art Patchwork – also etwas, was man sich im Laufe der Jahre aus unterschiedlichen Einflüssen zusammenbaut. Dass ich stehe, wo ich jetzt stehe, ist, denke ich, aus einem gesunden Zusammenspiel vieler Faktoren entstanden. Zum einen meine persönliche Entwicklung, sowohl menschlich wie auch gesanglich und performancetechnisch, zum anderen natürlich Bands und Menschen, die mich geprägt haben durch ihre Texte, durch die Ansagen auf Live-Shows oder ihre Authentizität bei Begegnungen neben den Shows in Gesprächen. Bands wie REMEMBERING NEVER, SHAI HULUD, HATEBREED oder GUNS UP! waren für mich ein großer Einfluss. Meine Ideale als Sänger waren immer simpel: Ich möchte dem Publikum so authentisch wie möglich gegenübertreten, respektvoll, aber dennoch eine positive Grundaggression mitbringen, die Leute ergreift und inspiriert. Dass ich die Möglichkeit habe, Inhalte zu transportieren, die das Publikum mit nach Hause nehmen und sich kritisch damit auseinandersetzen kann, empfinde ich als Privileg. Gehört zu werden und gemeinsam etwas in die Welt hinauszutragen, etwas zu machen, das mehr als „nur“ Musik ist und beim Publikum ein Feuer im Herzen entfachen kann, ist etwas Großartiges. Jede_r Einzelne soll dabei das Gefühl bekommen: Ich kann Veränderung bewirken.

Pascal, WOLF DOWN sind zurück, und mein Eindruck ist: mit „Incite & Inspire“ wollt ihr es wirklich wissen. In Sachen Songwriting und Produktion ist es sicher eure bislang ausgereifteste Platte. Wie kommt man an diesen Punkt – mit Blut, Schweiß und Tränen?

Pascal:
Auch wenn das sehr pathetisch klingt, bringt es das auf den Punkt. Als passiv konsumierende Person hat man oft keinen blassen Schimmer, wie viel Energie und Herzblut in einer solchen Platte steckt. Selbst für uns war der Vorbereitungsprozess für „Incite & Conspire“ eine neue Erfahrung, da wir von Anfang an auf einem anderen Level gestartet sind. Wir hatten uns höhere Ziele gesteckt als je zuvor und wollten ein rundes Gesamtpaket mit Konzept abliefern. Ich finde, das ist uns soweit gut gelungen. Für die #conspiracyofarsonists-Kampagne haben wir uns echt reingehangen, mit viel Liebe fürs Detail. Alles sollte so einen revolutionsromantischen Touch haben, was man in unseren Veröffentlichungen sehen kann: In den Stillleben-Fotos, die wir auf Facebook veröffentlichten, und insgesamt im Konzept der über den Newsletter auf der Website rausgeschickten Communiqués, was man ja eher von politischen, oft insurrektionalistischen Gruppen kennt. Das zentrale Element in unserem Artwork ist ein Streichholz – für uns ein Sinnbild für das Feuer, das in uns brennt, welches wir mit dem Album an andere weitergeben möchten. Was die Musik angeht: Dave und ich haben auf jeden Fall frischen Wind in die Band gebracht, was sich definitiv auch in unserem Sound niederschlägt. Und Dominic von Level3Entertainment hat die LP wieder mal stabil produziert.

Welches musikalische Ideal hattet ihr bei den Aufnahmen vor Augen? Also wie sollte, musste eure Platte klingen, wie nicht?

Pascal:
Sie sollte klingen wie eine linksradikale HATEBREED-Platte. Nein, Quatsch, ich denke es sollte einfach wie das neue WOLF DOWN-Album klingen. Wir haben das gemacht, worauf wir Bock hatten, und ich denke, das kann man an mehreren Stellen auch hören. Wir haben uns unter anderem an atmosphärischen, orientalisch angehauchten Parts wie zum Beispiel bei „Incite“ oder „The fortress“ versucht, ohne dabei an Härte einzubüßen. Die Wahrheit ist, dass wir keine Vollzeitmusiker sind, die rund um die Uhr im Zimmer sitzen und ihre Instrumente feiern. Aber für diese Platte haben wir tatsächlich mehr Augenmerk darauf gelegt, musikalisch etwas auszuprobieren. Nicht klingen sollte die Platte wie ESKIMO CALLBOY, das haben wir dann ganz gut hinbekommen, denke ich. Yeah, Diss im Bandinterview!

Ihr seid eine Band, die aus ihren politischen und gesellschaftlichen Ansichten kein Geheimnis macht, jeder Text ist ein klares Statement. Wie findet eure bandinterne Meinungsbildung statt?

Pascal:
Ja, das ist richtig. Das war von Anfang an Sinn und Konzept der Band, demnach haben sich auch die Leute unter der Prämisse zusammengefunden. Wir sind nicht immer einer Meinung, daher gibt’s bei uns generell viel Austausch und eine lebendige Diskussionskultur. Also in jeder Hinsicht, nicht nur gesellschaftlich und politisch, und das ist auch gut so. Meinungsbildung entsteht durch Austausch und Diskussion. Kann auch sein, dass Meinungen verschieden bleiben – wichtig ist uns nur, dass alles, was nach außen kommuniziert wird und öffentlich ist, dann auch Konsens ist und alle Bandmitglieder sich damit wohlfühlen. Wir interessieren uns für ziemlich viele Sachen und setzen uns auch untereinander mit Inhalten und Theorie auseinander. Also wir lesen beispielsweise zusammen und bilden uns gegenseitig. Wir tauschen Bücher, schicken uns Artikel, Videos und was alles dazugehört. So entwickeln wir uns gemeinsam, lernen voneinander und übereinander. Unser Wissen und unsere Erfahrungen verarbeiten wir dann nicht nur in der Musik, sondern versuchen es auch auf sonstigen Wegen weiterzugeben. Ganz nach dem Gedanken: Each One Teach One!

Wir stimmen wohl überein, dass Hardcore von seinen Roots her für bestimmte Werte steht – stehen muss! Wie definiert ihr diese?

Pascal:
Hardcore ist für uns Punk, und Punk ist ein grundsätzlicher, innerer Bruch mit dem Bestehenden. Ein Bruch mit der grauen Welt der Konservativen, mit dem Einheitsbrei und den blinden, programmierten Massen, mit den funktionierenden Rädchen im System, mit der Langeweile und Zeitverschwendung der neoliberalen Alltäglichkeit. Punk ist D.I.Y., Punk ist die „Politik der ersten Person“, Punk ist für uns lebendige Gegenkultur, Punk ist Selbstbestimmung, Punk ist Vielfalt, Punk ist Frust und Ohnmacht in Wut zu wandeln, Punk ist der Mumm, das Maul aufzumachen, Punk ist die Mülltonne im Schaufenster des CDU-Büros, Punk ist der Gullydeckel im Bullenwagen, Punk ist der bunte Iro und die Nietenkutte, aber auch der geklaute Lacoste-Pulli, Punk ist subversiver Spirit, Punk ist unbequem, Punk ist die Energie, die uns verbindet, Punk ist Hardcore!

Andererseits gibt es auch, machen wir uns nichts vor, eine Menge Hohlbirnen, die für sich reklamieren, Hardcore zu spielen. Aktuell frage ich mich, ob ich nicht von jeder US-Band, die ich interviewe, eigentlich abfragen muss, wie sie zur Schusswaffen-Thematik steht, ob am Ende der Interviewpartner NRA-Mitglied ist. Wie geht man als auch im Ausland tourende Band mit seinen hohen Ansprüchen um, klopft man da jeden, mit dem man auf einer Bühne steht, auf seine Einstellungen ab?

Pascal:
Ja, Hohlbirnen gibt es leider zuhauf. Ich habe kurz überlegt, hier ein Bild zu zeichnen, welchen Typ von Hohlbirne im Hardcore ich am schlimmsten finde, aber merke jetzt, dass ich mir da selbst gar nicht so sicher bin. Auf jeden Fall die mit den Attributen: männlich, oberkörperfrei, hetero, patriotisch, krasser Non-p.c.-Rebell, nervig betrunken, gewaltaffin, überheblich, selbstdarstellerisch. Das ist wohl der Baukasten für Hohlbirnen. Um fair zu bleiben, muss man aber sagen, dass es solche und größere Deppen in anderen Subkulturen auch oder noch ausgeprägter gibt und die Hardcore-Szene letztlich, so wie alles, auch nur ein Querschnitt der Mehrheitsgesellschaft ist. Auf jeden Fall muss man aufpassen, nicht abzustumpfen bei der Inhaltsleere und der Fülle an Narren, die einen so umgibt. Bei US-Bands durfte ich schon viele richtige Trottel kennen lernen und muss auch sagen, dass ich glaube, derjenige von uns zu sein, der am unmotiviertesten und kontaktscheusten in der Hinsicht ist. Je öfter wir Bands kennen lernen, also die Musiker dahinter, kriegen viele Bands einen faden Beigeschmack. Da ist es dann besser, nur die Musik zu hören und keinen Blick hinter die Kulissen zu erhalten und dadurch die Band anschließend nicht mehr ertragen zu können, weil man sich immer an das dumme Gelaber oder die No-Gos erinnert. Hier merkt man dann deutlich die kulturellen Unterschiede, die völlig andere Sozialisation und den fehlenden positiven Effekt der 68er-Student_innenbewegung und Achtziger-Punk-Szene, welche einen progressiven, sozialkritischen Einfluss auf die heutigen linksgeprägten Subkulturen im deutschsprachigen Raum hatten. Da treffen oft Welten aufeinander und der Teil der politisch reflektierten, emanzipatorischen oder sonst wie links eingestellten US-Bandleute ist leider äußerst gering. Das ist natürlich keine pauschale Aussage und ich will auch nicht alle US-Bands als chauvinistische Rednecks brandmarken, also nicht falsch verstehen, denn von solchen Problemkindern kann sich die europäische Szene genauso wenig freisprechen und Hardcore hat viele Subgenres und Facetten. Also wenn es dann aber wieder nur um McDonald’s, WiFi, Angeln/Jagd, BURZUM und Nonsens geht, Waffen und Militarismus glorifiziert werden und das alles auch noch eine christlich-konservative Kohärenz bekommt, bin ich raus!

Zuletzt: Wenn es mal nicht um die Weltrettung geht, woran habt ihr alle zusammen so richtig Spaß, jetzt abgesehen vom Konzerte spielen?

Pascal:
Da muss ich erst mal gucken, was ich euch jetzt hier so sage, weil ich mal wieder merke, dass ein Großteil unserer Hobbys und Interessen vom Schweinesystem kriminalisiert wird, haha. Also überspringen wir das. Wir stehen auf gutes Essen, wir kochen gerne, auch zusammen oder gehen irgendwo geil essen, wir gehen gern Schwimmen, Saunen, auf Techno-, HipHop-, Trap- oder Trash-Partys, machen Tattootrips, machen Fitness und wir stehen auf Natur und Sehenswürdigkeiten. Ein bisschen schade ist, dass manche von uns sich bei Achterbahnen so richtig einkacken, sonst würden wir sicher öfter an Offdays in Freizeitparks abhängen.