WOLF DOWN

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Abseits des Weges

Wer WOLF DOWN, die sich wahlweise auch WOLF X DOWN schreiben und damit ein klares Bekenntnis zum „vegan straight edge“ ablegen, mal live gesehen hat, muss ein gefühlloser Klotz sein, wenn er hinterher nicht begeistert war. Der Fünfer aus „Ruhrpott, Germany“ mit Larissa vornedran macht live (und auch auf Platte!) so enorm Druck, dass man sich dieser brachialst moshenden Hardcore-Attacke unmöglich entziehen kann. Textlich machen WOLF DOWN aus ihrer Meinung keinen Hehl, beziehen klar Stellung gegen all den Scheiß und Schwachsinn, gegen Gewalt gegen Wehrlose, etwa in „No silent approval“, das die andauernde perverse Ausbeutung von Tieren angeprangert. Mag sein, dass mancher der Meinung ist, in Sachen Veganismus und Straight Edge sei schon alles gesagt und Anarchismus sei Common Sense – WOLF DOWN beweisen, dass man zu diesen altbekannten Themenkomplexen immer noch kluge, neue Beiträge leisten kann.

Larissa, auch wenn diese Frage in einer idealen Welt überflüssig wäre: Du bist eine der wenigen Frauen im metallischen Hardcore hierzulande, wie lautet deine Analyse, dass Frauen selbst in einer sich als so progressiv gebenden Szene so im Hintergrund stehen? Da ist ja die Frauenquote in Führungspositionen in der Wirtschaft noch höher ...


Ich finde, dass die Präsenz von Frauen und Mädchen in der Hardcore/Punk-Szene in den letzten drei Jahren stark gewachsen ist. Man sieht mehr Girls vor der Bühne, mehr Mädels sind aktiv in der Szene involviert, zum Beispiel in Bands, Labels, Zines oder als Veranstalterinnen von Shows. Das ist ziemlich cool! Es ist trotzdem immer noch klar zu sehen, dass mehr Männer involviert sind. Das liegt zum einen natürlich daran, dass Frauen und Mädchen innerhalb der Szene oftmals nicht ernst genommen und akzeptiert werden. Wenn man regelmäßig zu hören bekommt, dass Frauen im Hardcore nichts verloren haben, oder einen Spruch wie „No clit in the pit“, hat man einfach keine Lust Teil von dieser Scheiße zu sein, verständlicherweise. Da Hardcore aber nicht nur Männersache ist und auch Teil meines Lebens, möchte ich mir das nicht nehmen lassen. Ich finde jedoch auch, dass wir uns selbst oft noch im Weg stehen.

Wie meinst du das?

Bereits in sehr frühem Alter lernen Mädchen und Jungen, sich mit dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zu identifizieren. Währenddessen entwickeln wir Muster, sich in bestimmten Situationen „wie ein Mann“ oder „wie eine Frau“ zu benehmen, wir verinnerlichen also die Ausprägung unserer Geschlechterrollen. Dass „sex“ jedoch nicht gleich „gender“ ist, ist den meisten gar nicht bewusst. Die Geschlechterrolle ist nicht natürlich, sie wird also nicht bei unserer Geburt festgelegt, sondern nach und nach durch Erfahrungen aufgebaut und vervollständigt. Dies geschieht sowohl durch gezieltes Unterweisen und Verschärfen, aber auch durch ungeplantes/zufälliges Lernen. Die meisten Menschen übernehmen die ihrem biologischen Geschlecht entsprechende soziale Rolle – daraufhin werden wir schließlich erzogen. Männer oder Frauen sind in so weit maskulin oder feminin, wie ihr Verhalten in Einklang mit bestimmten kulturellen und sozialen Normen ist. Demnach fallen in unserer Gesellschaft dann solche Sachen wie Hardcore oder Punk eben nicht besonders in die weibliche Sparte: harte Musik, Geschrei, schwitzende Menschen, die vor der Bühne zusammen dem Mikrofon nachjagen. Von einer Frau wird schließlich erwartet, sich zu benehmen und hübsch auszusehen. Komischerweise erwarten das viele Mädchen von sich selbst auch. Wir werden in soziale Korsetts gezwängt, aus denen es manchen schwer fällt auszubrechen. Es gibt kein „typisch Mann“ oder „typisch Frau“, das ist etwas, das uns in den Kopf gesetzt wird, um Grenzen zwischen uns zu ziehen. Ein Mann kann genauso hübsch und zurechtgemacht sein, wie eine Frau stinkend und verschwitzt sein kann. Wir sollten also anfangen, diese Grenzen zu überwinden, um uns selbst zu finden, so sein, wie wir wollen, und nicht, wie es jemand von uns erwartet, denn es gibt mehr als zwei Geschlechter.

„Ruhrpott, Germany“ ist eure Homebase. Eine gute Region? Was schätzt ihr, was weniger, und was sind für dich essentielle Teile der dortigen Szenestrukturen?

Der Pott ist schon eine Weile nicht mehr das, was er mal war. Zwar gibt es gerade wieder mehr Bands aus der Gegend, die zum Teil auch aus ziemlich jungen Kids bestehen, aber Shows finden mittlerweile relativ selten statt. Vor allem D.I.Y.-Shows sind stark zurückgegangen, es gibt natürlich immer noch Leute, die ab und an mal kleinere Konzerte veranstalten, aber der Großteil wird von wenigen Großveranstaltern organisiert.

„Anarchist female-fronted vegan edge mosh hardcore“ – man könnte, um euch zu beschreiben, dem unlängst abgeschafften längsten Wort Deutschlands Konkurrenz machen, das lustigerweise „Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“ lautete. Woher kommt im Hardcore dieser Spaß am – auch hier eine Parallele – Etikettieren?

Ich würde jetzt nicht sagen, dass es eine Eigenschaft ist, die man nur im Hardcore vorfindet, irgendwie wird doch überall etikettiert und in Schubladen gesteckt. So gerne Hardcore-Punk als eine mehr oder weniger reflektierte Szene beziehungsweise Subkultur auftritt, so gerne ist diese aber auch identitär und plakativ. Uns werden auch Etikettierungen an den Kopf geworfen, die wir uns selbst niemals zuschreiben würden, wie zum Beispiel „female-fronted“. Eine Frau am Mikro macht noch lange kein anderes Genre aus. Ich finde nicht, dass wir genauso wie WALLS OF JERICHO oder ALL FOR NOTHING klingen, nur weil wir eine weibliche Frontperson haben, zumal die beiden genannten Bands sich musikalisch auch überhaupt nicht gleichen. Ich möchte nicht, dass unsere Band nach meinem biologischen Geschlecht definiert wird, denn dieses macht absolut nichts aus. Auch wenn das vielleicht nett gemeint ist, ist es dennoch positiver Sexismus und absolut nicht erstrebenswert.

„Ist ja schön, dass die sich für Tierrechte einsetzen, aber müssen diese jungen Leute dabei immer so viel Lärm machen und so schreien? Können die nicht einfach mit Akustikgitarre schöne Lieder singen?“ Warum immer diese Wut und dieses Geschrei?

Dat is’ Punk, dat raffste nie! Nein, im Ernst: Weil aus negativen Emotionen positive Dinge entstehen können. Wir haben auf dem aktuellen Album auch Songs, in denen es um Liebe und Verlust geht. Laut ist also nicht unbedingt gleich wütend. Musik war schon immer ein Instrument, um Emotionen freien Lauf zu lassen, und da gibt es eben diverse Möglichkeiten. Wenn schon wütend, dann sollte die Wut irgendwie kanalisiert werden. In der gegenwärtigen kapitalistischen Gesamtscheiße gibt es genug Gründe, um wütend zu sein. Da Hardcore sich ja sowieso mehr durch eine aggressive Gesangs- und Spielweise auszeichnet, bietet sich das natürlich als Strategie an, diese Wut in Worte zu fassen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Für mich ist diese pazifistische Hippie-Ansicht – dass ein Anliegen am besten unaufgeregt zu präsentieren wäre, um niemanden vor den Kopf zu stoßen – ein großer Irrtum. Politischer Protest soll in gewissen Fällen einfach nur unbequem sein und Diskussionen hervorrufen, anstatt sich Freunde im bürgerlichen Lager zu machen. Gerade beim Thema Tierrechte geht es ja schließlich um Leben und Tod von nichtmenschlichen Lebewesen – da empfinde ich Hardcore als adäquatere Artikulationsform als „schöne Lieder mit Akustikgitarre“. Wobei diese – musikalische – Vielfalt auch nicht unbedingt schlecht sein muss. Wenn unsere Musik aber nun bei einigen der Funke ist, der die sprichwörtliche Bombe zum explodieren bringt – umso besser. Direkte Aktion heißt die Devise – wenn dir irgendwas nicht passt, mach dein Maul auf und versuche, es zu ändern. Ich will, dass endlich jedem hier mal der Kragen platzt!

Erstaunlicherweise beherrschst du auch die leisen Töne, wie „Daydreaming“ vom aktuellen Album „Stray From The Path“ beweist. Ein Ausreißer?

Wir wollten mal was anderes ausprobieren und haben da eigentlich Gefallen dran gefunden. Ob wir so etwas aber noch mal aufnehmen würden, wissen wir selbst nicht. Lass dich überraschen!

Apropos „Ausreißen“: von welchem Pfad seid ihr abgekommen, was steckt hinter dem Albumtitel „Stray From The Path“?

Nach unzähligen Diskussionen über einen möglichen Albumtitel und zahlreichen Vorschlägen, haben wir uns letztendlich auf „Stray From The Path“ geeinigt. Damit konnten wir unseren politischen Überzeugungen gut Ausdruck verleihen, denn wir sind „out of step with the world“! Wir finden nämlich, dass der „rechte Weg“, den uns die Gesellschaft so schön vorlebt, nicht unbedingt der richtige ist. Wir wollen eine herrschaftsfreie, gewaltlose Gesellschaft, in der Menschen miteinander leben können, ohne zu befehlen oder Befehlen folgen zu müssen, und dazu ist es notwendig, aus dieser Gesellschaft, die uns durch Machtmechanismen und Zwänge gefangen hält und mit falschen Versprechungen lockt beziehungsweise ruhig hält, auszubrechen. Das ist auch das Thema, das wir im Großen und Ganzen textlich auf „Stray From The Path“ thematisieren.

Als Rausschmeißer gibt’s auf dem Album die italienische Partisanen-Hymne „Bella ciao“ zu hören. Warum?

Ja, wie du schon sagst, „Bella ciao“ war eines der Lieder der italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg und entwickelte sich so zu einem der bekanntesten Lieder der anarchistischen/kommunistischen Bewegung. Wir fanden es einfach cool, die Platte so ausklingen zu lassen, weil es irgendwie in witzigem Kontrast zu unserem Sound steht und zugleich unseren politischen Anspruch unterstreicht. Zwischen „Loving embrace“ und „Tables will turn“ findet sich auf unserer LP außerdem ein Sample aus dem Film „Land and Freedom“ von Ken Loach, welcher in Spanien zu Zeiten des Bürgerkriegs spielt und Einblick in die Frontkämpfe der Kommunisten und Anarchisten gibt. Super Film – checkt den doch mal aus!