WHITE FLAG, 1982 in Kalifornien gegründet, sind bis heute trotz etlicher Releases ein Geheimtip geblieben. Hier nun der zweite Teil des Interviews (Teil 1 siehe Ox #44) mit teils interessanten Stories aus der frühen L.A.Szene und einigen überraschenden Statements zu Jello Biafra, die nicht in den Chor der "Der Mann ist heilig. Amen"-Fraktion einstimmen.
Kim, wie bist du eigentlich an die WHITE FLAG-Jungs geraten und warum konntest du bis heute nicht das Weite suchen?
Kim: Pat hat damals die POSIES gebeten auch an dem GERMS-Tributealbum mitzumachen. Wir haben eine sehr BEATLES-mäßige Version von "Richie Dagger´s Crime" aufgenommen, die den Jungs so gut gefiel, dass wir dazu ein Video aufgenommen haben. Wir hatten Pat vorher nie kennengelernt, begannen dann zu telefonieren und hingen zusammen rum, wenn wir in der Stadt waren. So wurden wir Freunde. Als die POSIES und WHITE FLAG dann zufällig beide als Headliner für ein Festival in Spanien gebucht wurden, nur an verschiedenen Tagen und Doug Graves keine Zeit hatte, da er anderweitige Verpflichtungen als Eislauftrainer wahrzunehmen hatte, bot ich an auszuhelfen, lernte alle Songs alleine und erst beim Soundcheck haben wir das erste Mal gemeinsam gespielt, was super geklappt hat.
Warst du als Kind in der "WHITE FLAG Army"? Oder eher in den "VENOM´S Legions"?
Kim: Ich war nur in der KISS Army!
Was ist denn dein musikalischer Input bei WHITE FLAG, oder bist du nur ein Sklave?
Kim: Jeder bei WHITE FLAG ist ein Bandsklave und investiert soviel Energie wie nur möglich. Ich wusste es ja vorher – einmal dabei gibt es kein Entrinnen mehr.
Wie sieht denn deine Definition von Punkrock aus?
Kim: Alles was mit Energie aus dem Herzen kommt und mit einem Gespür für Stil gemacht wird, ist für mich Punk! Harmonien schreien oder singen, ist dann das Gleiche. Auf der neuen Scheibe habe ich ich auch die Harmonien geschrien.
Die folgende Frage habe ich auch schon mal Tony und Bruce von ADZ gestellt. Was geht in euch vor, wenn Leute aus der L.A. Punkszene, die in eurem Alter sind, anfangen wegzusterben?
Pat: Das ist natürlich traurig, aber die meisten Punks haben solch unglaublich interessante und verrückte Leben geführt, wie andere Personen es in zehn Leben nicht erleben würden
El Fee: Es ist immer traurig, auch wenn du die Leute nicht persönlich kanntest. Besonders schlimm finde ich, dass sie keine Musik mehr machen können. Joey Ramone war mindestens genauso wichtig wie John Lennon. Aber auch wenn Gleichaltrige nicht mehr da sind, die Musik von Punkrockern wird es immer geben.
Doug: Die Frage erweckt den Eindruck, als wären wir ein Haufen alter Säcke, dabei sind wir noch nicht einmal überMitte dreissig.
Euer Bandlogo ist doch ein Peace-Logo mit den umgekippten BLACK FLAG Balken, oder?
Pat: Hahaha, nein! Das war eine Verarschung auf das CRASS-Logo, aber den Witz hat bislang keiner geschnallt. Aber es gibt wirklich Leute, die es faschistisch finden. Ich will nicht, dass die Ox-Leser auch diesen Eindruck gewinnen.
Apropos faschistisch: In eurer Bandhistory heisst es, dass ihr 1986 Probleme in Köln hattet und man euch vorwarf Nazis zu sein. Euer Promoter wurde bedroht und so. Wisst ihr noch den Namen des Ladens?
El Fee: Das war so eine Art Bürgerhaus, kein richtiger Club oder so etwas. Eher so eine Art Freizeitheim, ziemlich groß. In Köln waren sie zunächst nicht so gewalttätig, aber sie haben Fotokopien unserer Texte, die ziemlich mies ins Deutsche übersetzt waren, verteilt. Ich denke, dass unsere Art von Humor nicht einfach wörtlich übersetzt werden kann. Sie haben uns die ganze Zeit auf Englisch gesagt, dass wir "einäugig" wären, was uns aber auch gar nichts gesagt hat. Ich habe bis heute keine Ahnung, was sie uns sagen wollten, was eigentlich beweist, dass einige Sachen nicht einfach übersetzt werden können.
Pat: Wir waren mehr als gewillt mit jedem zu sprechen, der uns Fragen zu unseren Texten stellen wollte, aber diese Leute waren so verbissen gegen uns, dass sie uns nichts geglaubt haben. Ich meine, El Fee ist Jude und sie haben ihn einen Nazi genannt. Wie bescheuert ist denn das? Ich bin dann ausgerastet und habe gesagt, dass ich ein faschistisches Nazi-Kommunisten-Kapitalistenschwein wäre, aber El Fee wäre unser jüdischer Faschistenführer und das sie mit ihm reden sollten und bin einfach gegangen. Es war ziemlich irritierend, weil wir nur unseren Spaß haben wollten. Damals sind doch kaum Amibands nach Europa gekommen, nicht so wie heute, und viele Leute waren begeistert uns zu sehen. Alle anderen Konzerte in Deutschland, außer diesem und in Hannover, waren großartig, mit fünf, sechs Zugaben und vielen fröhlichen Menschen.
El Fee: Ja, das ist besonders beleidigend, weil Verwandte von mir im KZ Belsen ums Leben gekommen sind. Sicher, das war vor meiner Geburt, aber dennoch, die sind nicht damit klar gekommen, dass wir gesagt haben, dass wir Anti-Kommunisten sind, denn Kommunismus ist genauso übel wie Faschismus. Schau dir doch China heute an, oder die damalige Sowjetunion und die DDR. Jeder Staat, der die Freiheit der Menschen einschränkt das Land verlassen zu können, wird von uns nicht unterstützt, tut mir leid. Wir sind für individuelle Freiheit. Wir haben darüber gesungen ein Punk zu sein und haben Lieder gemacht, die unsere eigene Regierung heftig kritisierten, die natürlich auch nicht perfekt ist, aber wir mussten nicht fürchten, dass der KGB vorbeikommt und uns wegen unserer Meinung einlocht. Wo wir leben, können wir sagen, was wir wollen. Du kannst in den USA Kommunist sein und unsere Gesetze beschützen dieses Recht! Ich habe damals versucht, den Leuten zu erklären, dass wir nur sagten, dass es in den USA erlaubt ist zu glauben, was du willst, solange du niemanden verletzt oder gewalttätig wirst. Wir haben eine Revolutionäre Kommunistische Partei, die zu jeder Wahl Kandidaten aufstellt, und etwa fünf Prozent der Wähler geben ihnen immer ihre Stimme. Wir wollten nur klarmachen, dass man wirklich demokratische oder liberale Parteien bei Wahlen in China, oder der damaligen UdSSR, nicht findet, das war alles.
Pat: Stein des Anstoßes war "Ticket to Moscow". Er basiert auf einer wahren Begebenheit. Ein Hippiekommunist wollte bei der Premiere des "Decline..."-Films Literatur verteilen. Ich habe den Text geschrieben und ich werde ihn hier noch einmal Wort für Wort erläutern, das letzte Mal, hoffe ich:
"You can join the American Communist Party" - bedeutet das, was El Fee eben erläutert hat.
"Join the N double A CP" – diese Zeile hat Jello mir gegeben. Die "N Double A CP" ist die National Association for the Advancement of Colored People. Das ist eine friedliche Organisation, bei der du Mitglied werden kannst, auch wenn du kein Farbiger bist. Sie versuchen Erziehung und Rechte der unterprivilegierten Farbigen zu vertreten. Jello ist schwarzer Amerikaner und er sagte - was schräg klingt -, dass es notwendig ist, um den freiheitlichen Rechten gerecht zu werden, dass auch Menschen, die ignorante Fanatiker sind, das Recht haben, Mitglied des Ku-Klux-Klans zu werden, und das im gleichen Staat. Also habe ich das in der nächsten Zeile geschrieben:
"Sell your soul to the KKK" – bedeutet nichts weiter, als dass du, wenn du dumm genug bist, Mitglied bei denen werden kannst, und es gibt eine Menge Rassisten, die es tun, was traurig genug ist. Dann die letzte Zeile:
"And you don´t have to worry about the KGB" – bedeutet, dass unsere "Bill of Rights", die das Recht auf freie Entfaltung, Presse- und Religionsfreiheit etc. regelt, auch beinhaltet, dass Leute Gruppierungen bilden können, die einhundertprozentig gegen das von der Mehrheit der Einwohner befürwortete System sind. Ich wollte damit auf die Ironie hinweisen, dass in den USA so etwas erlaubt ist, wohingegen man in kommunistischen Länder und auch in faschistischen Regimes dafür ins Gefängnis gekommen wäre. Wir haben sogar ein Gesetz, das es erlaubt, die amerikanische Fahne als Protest zu verbrennen, und ich befürworte diese Gesetz zu hundert Prozent.
Doug: Die Leute nannten mich einen Faschisten und ich verstehe bis heute nicht warum. Als wir zu spielen begannen, haben sie begonnen uns mit Schlagsahne zu besprühen. Dann flogen plötzlich Schuhe und Flaschen auf die Bühne, bis dann jemand die Kabel aus dem Mischpult zog und wir aufhören mussten zu spielen. Viele Leute waren außer sich, weil sie bezahlt hatten, uns zu sehen und teilweise von weit her angereist waren, und dann haben sie uns nur kurz spielen gesehen. Ein paar Leuten, die mit Eurail angereist waren, habe ich das Geld zurückgegeben, weil sie mir so leid taten.
Pat: Ich gab ihnen T-Shirts und Platten umsonst, das hat sie dann doch noch gefreut. In Hannover haben die gleichen Leute damit gedroht, den Club niederzubrennen, wenn der Besitzer uns auftreten lassen würde. Er hat die Show dann abgesagt. Das war schon ein terroristischer Akt. Das waren keine weltoffenen friedlichen Punks, die Spaß haben wollen, oder? Und dann?! Dann ging der Kommunismus in der UdSSR und in Ostdeutschland unter. Die Greueltaten in Sachen Menschenrechtsverletzungen gehen bis heute in China weiter, und das ist schrecklich! Ich frage mich nur, ob diese kommunistischen Punks dorthin gegangen sind? Ach, ich will darüber nicht mehr reden.
Trace: Ich habe niemals gehört, dass jemand die RAMONES als Nazis bezeichnet hätte, weil sie ein Lied wie "Today your love, tomorrow the world" gemacht haben. Sie waren auch zur Hälfte jüdisch und haben gesungen "I´m a Nazi shatzi and I´ll fight for The Fatherland". Das ist auch offensichtlich ein Witz. Es gab mal eine Zeit, da haben viele Punks Hakenkreuze getragen, weil das so schön provozierend war - ist es heute ja auch noch. Sid hat´s getan, Roger Rogerson von den CIRCLE JERKS ist immer mit einer Hakenkreuzarmbinde aufgetreten, und er ist genauso jüdisch wie Keith Morris. Er ist übrigens kürzlich gestorben. Es gibt ein Liveposter von ihnen, auf dem er eine völlig offensichtlich retuschierte Anarchy A-Armbinde trägt, aber weil die Posterfirma es mit Hakenkreuz nicht drucken wollte, hat es irgend jemand übermalt. Es ist ein ziemlich bekanntes Livebild von ihnen. Schau´s dir bei Gelegenheit mal genau an. Und er war ein Jude in einer halbjüdischen Band!
Pat: Schau dir doch die Leute an, die als Gäste auf unseren Platten zu hören sind, oder uns sonst immer unterstützten: Ian MacKaye, Kevin Seconds, Flipside Magazine, Krist von NIRVANA, der öfters unsere T-Shirts auf der Bühne trug. Das sind alles gute, liberale, freiheitsliebende Individuen, die uns wohl kaum unterstützen würden, wenn wir Nazis wären, oder? Oder nimm Sid Vicious, der ein echtes Hakenkreuz-Shirt trug. Warum wir? Ich denke, dass diese Leute einfach nicht klug waren. Da fällt mir auf, dass ich meine schlechteste Erfahrung mit WHITE FLAG korrigieren muss, wie mir eben einfällt. Ich war mal im MUDHONEY-Umkleideraum vor der Show, als plötzlich Courtney Love reinkam und anfing mich anzuschreien. "Ihr habt gewonnen. Die beschissenen WHITE FLAG haben gewonnen!", immer wieder, so dass Kurt sie mit physischer Gewalt aus dem Raum eskortieren musste. Er kam dann zurück und entschuldigte sich bei mir und erklärte, dass HOLE immer wieder versucht hatten, einen guten New Wave-Song für ein New Wave-Frauenrechts-Benefizalbum zu machen, auf dem WHITE FLAG auch waren. Das ganze Geld wurde dafür eingesetzt, dass Frauen das Recht erhalten abtreiben zu können. Jedenfalls haben wir "Wuthering Heights" von KATE BUSH gecovert. Kurt erzählte uns, dass er und Courtney sich den Sampler immer wieder angehört haben und Courtney sich aufregte, dass HOLE nie einen Song dafür aufgenommen haben und unser Song der Beste auf der ganzen Platte sei. Das war schon lustig. Das Logo auf unserem neuen Album ist tatsächlich Kurts Handschrift aus einem Brief, den er mir geschrieben hat, als er gerade in Brasilien war. Ich fand, dass es cool aussah. Also habe ich´s vergrößert und etwas bunter gemacht, er wäre sicher stolz drauf. Er hat uns sehr unterstützt, genauso wie die MELVINS. Dale Crover hat auch einmal für ein Konzert bei uns getrommelt, als Trace keine Zeit hatte.
Trace: Er hat sich ziemlich gut geschlagen, wie ich hörte.
Doug: Guntram, was hast du gedacht, als du die Gerüchte hörtest, dass wir Nazis wären?
Nun, ich konnte das nicht glauben. Eigentlich habe ich gelacht, als ich das hörte. Ich vermute, dass das welche von diesen P.C.-Faschisten waren, wenn du verstehst was ich meine. So eine Art Szenepolizei. "Denke so wie wir denken, denn wir haben Recht. Wenn du es nicht tust, bist du halt ein Nazi. Und wir werden dir keine Chance geben deinen Standpunkt zu vertreten, denn du hast ohnehin Unrecht". Solche Menschen sind doch auch Faschisten, auf ihre eigene Art und Weise...
Pat: Exakt. Ich bin froh, dass wenigstens einer es genauso sieht! Ich habe die beiden Lieder geschrieben, die ins Deutsche übersetzt wurden und weswegen wir als Nazis beschimpft wurden. Sie handelten von dem, was du Szenepolizei nennst. Als wir mit WHITE FLAG anfingen, wollten wir die Grenzen der Toleranz und der Regellosigkeit des Punk erweitern. 1982 war alles reglementiert und alles war genauso, wie das, wogegen Punk zunächst eigentlich angewettert hatte – Regeln und Vorschriften. Im Song "Overlords of the Underworld" heißt es "Leaders preaching leaderlessness". Er handelt von Jello Biafra und den Machern vom Maximum Rock´n´Roll, die Regeln aufstellten und durchsetzten. Sie verhinderten, dass Bands, die sie nicht mochten, nicht in San Francisco spielen konnte oder nicht im Heft erschienen. Sie wurden genau das, wogegen Punk gerichtet war, daher haben wir WHITE FLAG gestartet. Stell dir doch einmal vor, wie es auf diese reglementierten Kids mit den kahlrasierten Köpfen gewirkt haben muss, als eine Band auf die Bühne kam, als Opener für BLACK FLAG wohlgemerkt, von denen die Hälfte lange Haare hatte, wie Rockstars angezogen war, der Sänger sah aus wie Ozzy Osbourne, und ich, der Gitarrist, hatte kurze Haare und einen Schnauzbart und war angezogen wie der schlimmste Feind eines jeden Punks – wie ein Polizist! Dann haben wir mit dem langsamsten Stück angefangen, dass wir kannten, "Black Sabbath" von BLACK SABBATH. Danach gab´s dann schnellen Hardcore. Zu allem Überfluss haben wir noch das komplette Equipment von BLACK FLAG benutzt, so dass die Kids ziemlich verwirrt waren. Sollten sie uns jetzt einfach hassen, wie wir so aussahen, oder sollten sie uns tolerieren, weil BLACK FLAG uns so offensichtlich ihr Equipment überließen?
Jello: Wir haben uns mal Armbinden gemacht mit dem Peacezeichen und den WHITE FLAG-Balken. Darauf hieß es, das würde wie ein Hakenkreuz aussehen, was völlig lächerlich ist. Die frühen Punks in Los Angeles hatten alle Armbinden ihrer Bands. THE DILS, die offen kommunistisch eingestellt waren – eine brillante Band übrigens – hatten Armbinden, und besonders die GERMS hatten diese Armbinden mit dem blauen Kreis, die du praktisch überall gesehen hast. Wir haben mal einen Jugendlichen in Philadelphia gesehen, der hatte sich eine Armbinde auf seine Lederjacke gemalt, in den gleichen Farben, wie die Nazis es machen: rot, schwarz und weiß. Und dieser Kerl war ein Schwarzer, genau wie ich. Er hat den Witz wohl kapiert, also haben wir uns solche Armbinden gemacht, aber nur ich habe eine in rot, schwarz und weiß getragen. Wenn ich mich recht entsinne, fanden Nazis meine Leute nie besonders toll, also war es doch offensichtlich, dass es schocken sollte und als Witz gedacht war. In den Staaten hat uns nie jemand deshalb angemacht, weil wir Witzbolde waren, die Scherze machten und lustige Ideen verfolgten. All unsere Namen, der Bandname und das Logo, das alles sind Verarschungen auf andere Leute und andere Bands, völlig offensichtlich. Eine Armbinde zu tragen war damals einfach cool und hatte nichts mit Faschismus zu tun. Punks fingen auch an farbige Bandanas zu tragen, was auch schockierend war, weil das zuvor ein Zeichen homosexueller Männer war, und die einzelnen Farben gaben Auskunft darüber, auf welche Sexualpraktiken jemand abfuhr! Trug man das Teil links oder rechts am Körper, so bedeutete dies, ob du beim Sex lieber oben oder unten sein wolltest, egal welche Praktik die Farbe aussagte. Hat man die Bandanas um den Hals getragen, wie das die meisten Punks taten, dann hieß das, dass man es auf alle Arten machte. Die Lederjacken kamen auch aus der schwulen Lederszene in Hollywood, und eine Menge der frühen Punkstars waren schwul oder bisexuell. Es ging nur darum, die Realität der Leute zu verwirren. All diese schrägen Vögel in einschüchternden Lederjacken, die damals nur Leute trugen, die als "Troublemaker" angesehen wurden, vor allem in Kalifornien. Mit Armbinden und Bandanas, die unmögliche sexuelle Kombinationen darstellten, war es für Nichtpunks schon sehr einschüchternd. Ich habe die Band schließlich für zwei Jahre verlassen, als mich in Phoenix richtig rechte Skinheads attackierten, als wir mit den CIRCLE JERKS unterwegs waren. Sie haben Keith das Leben schwer gemacht, nur weil er Jude ist. Als ich ihn verteidigen wollte, haben sie mich angegriffen. Die haben mich mit Sachen beschmissen und anschließend verprügelt, nur weil ich schwarz bin. Daran erkennt man doch, wie sehr ich ein Nazi bin...
Pat: Ich habe dann begonnen eine DEAD KENNEDYS "Nazi punks fuck off" Armbinde zu tragen, nur um Jello (ihren, nicht unseren) zu ärgern, weil er so ein verdammter Lügner und Heuchler war. Großartige Band, großartige Songs, aber vorgetäuscht - FAKE FAKE FAKE! - politisch! Glaube es mir, er war der Welt größter Heuchler und Dieb, er hat selbst seine eigene Band bestohlen, bis sie ihn dann schließlich verklagten! Eigentlich war es keine richtige Hakenkreuzarmbinde, weil ich einen roten Balken draufgemacht habe. Es bedeutete also etwa "No Nazis" oder "Nazis raus". Auf jeden Fall war es Anti-Nazi. Ein Fan hat mir einmal eine Uniform gemacht, mit der ich immer aufgetreten bin, nur um die Leute zu ärgern. Wir gingen auf Tour und ein Jugendlicher kam zu mir und sagte "Mein Dad ist ein echter Cop und ein Arschloch und er hasst Punk, und ich habe seine Uniform für dich gestohlen. Ziehst du sie heute Abend an?", was ich auch ein paar mal gemacht habe, obwohl es 100%ig illegal ist, einen Cop in einer echten Uniform nachzumachen, was ich für ziemlich punkig halte, wenn du mich fragst. Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass ich nie verhaftet worden bin, denn die Bullen haben öfter mal Konzerte abgebrochen.
Interessant, was du über Jello Biafra sagst. Ich haben den Eindruck, dass er fast einen gottgleichen Status hat. Und die anderen DEAD KENNEDYS sind ohnehin nur hinter dem Geld her und nicht an dem interessiert, wofür die Band steht. Warum sagst du, dass die DEAD KENNEDYS ein Fake waren? "Turning rebellion into money" oder was?
Pat: Nenne es wie du willst, Er wurde von den anderen Dreien verklagt, weil er ihnen nicht genug Anteile von den Plattenverkäufen gezahlt hat. Ich liebe die Band, aber ich verabscheue es, dass er die anderen beklaut hat, all diese kapitalistische Heuchelei, das ist alles. Mit SST Records war es doch genau das gleiche. Gregg Ginn hat alle Bands abgezogen, THE MEAT PUPPETS, SONIC YOUTH, HÜSKER DÜ, alle haben ihn am Ende verklagt - und haben gewonnen. Und ALLE ehemaligen BLACK FLAG-Musiker hassen ihn, weil er sie auch abgezogen hat. Es ist schon traurig, wenn man erkennt, dass die Idole und ihre guten Ideen vom Geld korrumpiert wurden und genauso schlecht wurden, wie das, wogegen sie zunächst waren, oder? Ich bin sicher, dass niemand so was über seine Helden lesen will, aber das ist die Wahrheit, tut mir leid.
Jello: Die "Jail Jello" Platte, die Split-12", die wir mit den NECROS gemacht haben, geht auf ein Erlebnis zurück, dass ich zu der Zeit hatte. Jemand aus meiner Heimatstadt hatte einen Haftbefehl wegen nicht bezahlter Strafzettel bekommen. Leider hatte er den gleichen bürgerlichen Namen wie ich, aber ein anderes Geburtsdatum. Zweimal bin ich verhaftet worden, als die blöden Bullen bei mir vor der Tür standen, um den Haftbefehl auszuführen, und zweimal saß ich dafür im Knast, musste Kaution stellen und vor Gericht beweisen, dass es nicht ich war, dem der Haftbefehl galt. Just zu dieser Zeit hatte der andere Jello seine eigenen juristischen Probleme. Unsere Freunde von den NECROS hörten meine Geschichte auf einem Konzert und Barry meinte, dass heutzutage jeder Jello einlochen will ("Jail Jello"). Das habe ich Pat erzählt, der darauf hin die Split mit ihnen arrangiert hat. Ich bin selber bei den Aufnahmen nicht dabei gewesen.
Pat: Wir haben das gemacht, um Jello anzupissen, und jeder, der die Platte dann gekauft hat, glaubte, dass es eine Benefizplatte für ihn wäre, was ich ziemlich witzig fand.
Trace: Er war solch ein blödes Rockstar-Arschloch, als wir mal mit ihnen gespielt haben. Er musste unbedingt sein eigenes Hotelzimmer haben, und heiße Handtücher hinter der Bühne und dies und das, sonst wäre er gar nicht erst aufgetreten. Ich schwöre bei Gott! Und ich liebe ihre Musik auch. Es ist traurig, wenn Ruhm die Leute verändert. Seine eigene Band musste sich ein Zimmer teilen, während er sein eigenes in einem anderen Hotel hatte. Zum Schluss waren sie keine richtige Band mehr, sondern nur noch Geschäftspartner, die nicht einmal mehr miteinander sprachen. Wie auf der letzten BLACK FLAG-Tour, als Henry und Gregg sechs Monate nicht miteinander gesprochen haben. Wir kennen Leute von der Vorband dieser Tour, und sie meinten, dass es sechs Monate voller Schweigen und Wut waren, nur um Geld zu machen. So sollte Punk nicht sein, das ist heuchlerischer Rockstar-Bullshit. Vorzutäuschen, dass du eine Band bist, auch wenn du die anderen Musiker hasst, das ist den Kids gegenüber unehrlich, die kommen, um dich spielen zu sehen.
Pat: Das ist auch der Grund, warum wir Al Bum 1984 aus der Band geworfen haben, weil wir ihn hassten. Ok, eigentlich habe nur ich ihn gehasst.
Dann darf ich annehmen, dass ihr beide euch lieb gedrückt habt, als ihr das Foto für "Thru the trash..." gemacht habt?
Pat: Wir waren höflich zueinander, haben ein bisschen gequatscht, und er schlug vor, dass ich für die Fotos auf seinem Knie sitzen sollte. Wir haben die Fotosession gemacht und ich habe bis dahin nicht mehr mit ihm gesprochen. Ich hasse ihn nicht wirklich, aber ich will ihn nicht um mich haben. Außer Doug sieht ihn niemand mehr. Uns gibt es bald 20 Jahre und wir werden das wohl wiederholen.
Und hoffentlich eine weitere gute Compilation wie "Thru the trash darkly" veröffentlichen...
© by - Ausgabe # und 30. September 2013
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #44 September/Oktober/November 2001 und Guntram Pintgen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #45 Dezember 2001/Januar/Februar 2002 und Guntram Pintgen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Guntram Pintgen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #49 Dezember 2002/Januar/Februar 2003 und Guntram Pintgen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #80 Oktober/November 2008 und Joachim Hiller