WAGE WAR

Foto© by Blake Jones

Befreit von Stigmen

Nach drei Jahren meldet sich die Metalcore-Band aus Ocala, Florida mit ihrem neuen Album „Stigma“ zurück. Darauf bewegen sich WAGE WAR in einer neuen Soundlandschaft, was nicht bei allen gut ankommt. Sänger Briton und Bassist Chris erklären uns, was hinter der neuen Entwicklung steckt und wie sie mit negativen Kommentaren im Netz umgehen.

Bei der Vorbereitung ist mir aufgefallen, dass wir in der Vergangenheit bereits einige Interviews mit euch geführt haben. Es gab zwei im Jahr 2017 und eines 2019. Und ich denke, bei euch hat sich seitdem einiges getan. Wie würdet ihr auf die Entwicklung der Band von damals bis heute zurückblicken?

Briton: Auf jeden Fall ist seit 2017 ist eine Menge passiert. Wir waren damals das zweite oder dritte Mal in Europa und jetzt ist es wahrscheinlich das siebte oder achte Mal. Wir haben also viel gemacht, sind definitiv viel durch die Welt gereist. Und ich glaube, wir haben seither drei Platten herausgebracht.
Chris: Ja. Ich denke gerne an diese Zeit zurück. Aber jetzt haben wir das Glück, in einem Bus zu sitzen und eine Crew zu haben, die uns auf dem Weg hilft. Aber ja, früher waren wir in einem Van unterwegs und übernachteten auf irgendwelchen Parkplätzen. Es hat sich also viel verändert.

Wenn ich mir die älteren Interviews anschaue, fällt auf, dass ihr jedes Mal nach A DAY TO REMEMBER gefragt wurdet, weil ihr aus der gleichen Stadt kommt. Hattet ihr jemals das Gefühl, dass ihr in eurer Karriere aus dem Schatten von jemandem heraustreten müsst?
Briton: Nein, nicht so sehr. Ich habe das Gefühl, dass wir eine ganze Reihe gemeinsamer Fans haben, aber ich habe das Gefühl, dass die Musik auf dem Papier definitiv anders ist, und ich habe das Gefühl, dass wir einfach mehr in der Heavy-Welt sind, und ich sage nicht, dass sie es nicht auch sind, aber ich habe das Gefühl, dass wir ein bisschen mehr in Richtung Heavy gehen als sie.

Es ist schon eine Weile her, dass ihr euer letztes Studioalbum veröffentlicht habt, jetzt seid ihr mit „Stigma“ zurück und darauf ist eine Menge los. Ihr mischt elektronische Elemente mit Metalcore und schweren Breakdowns. Was war eure Inspiration für dieses Album?
Chris: Wir haben ein bisschen in die Zukunft geschaut, weißt du, mit dem Hinzufügen von Industrial-Elementen und so, aber wir haben auch in die Vergangenheit geschaut, mit vielen Gitarrenriffs und so weiter. Wir haben Einflüsse von METALLICA und PANTERA und einigen anderen Bands, die wir mögen, aus diesen Zeiten. Aber ich denke, dass wir auch immer versuchen, unseren Sound weiterzuentwickeln, herauszufinden, was für uns als Nächstes ansteht, zwar der Vergangenheit treu zu bleiben, aber zu erforschen, wer wir für die Zukunft sind, und zu versuchen, uns selbst neu zu definieren, je nachdem, was wir tun.

Ich habe auch gesehen, dass einige Leute im Internet mit den ersten beiden Singles, die ihr bisher herausgebracht habt, nicht so zufrieden waren, was, glaube ich, eine typische Reaktion der Metalcore-Szene ist. Habt ihr das Gefühl, dass die Szene nicht wirklich mit Veränderungen bei Bands umgehen kann, wenn die versuchen, ihren Sound weiterzuentwickeln?
Chris: Ich würde nicht unbedingt von der Metalcore-Szene als Ganzes sprechen. Ich denke eher, dass es bestimmte Leute sind, die uns geliebt haben, als unsere erste Platte herauskam, oder die an einem bestimmten Gefühl festhalten möchten. Ich glaube, Briton hat es schon gesagt, aber ich bin der Meinung, dass Nostalgie manchmal ein Killer für Leute sein kann, wenn sie zu sehr an einer Sache hängen. Aber ich bin überzeugt, dass unsere wahren Fans und die Leute, die unseren Weg verfolgt haben, verstehen, dass Veränderungen unvermeidlich sind. Und ich glaube nicht, dass wir uns mit irgendetwas, das wir gemacht haben, außerhalb eines bestimmten Rahmens bewegt haben, in dem wir uns wohl fühlen sollten, weißt du, oder was auch immer. Aber ja, ich denke, das gehört einfach dazu. Ich denke, wenn man wächst, ist es unmöglich, auf dem Weg alle glücklich zu machen, klar, wir würden es sicherlich gerne tun, aber das ist einfach die Natur der Sache.

Aber haben euch diese Kommentare wirklich erreicht und dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie ihr das Album produzieren solltet, wie es klingen soll?
Chris: Nein, wir machen einfach weiterhin die Musik, die wir mögen. Letztendlich sind wir auch nur Menschen, also lesen wir die Kommentare, und natürlich würden wir, wie jeder, am liebsten nur positive Kommentare bekommen. Aber ich glaube nicht, dass es unseren Spielplan oder die Art und Weise, wie wir Musik schreiben, irgendwie verändert. Wir neigen einfach dazu zu denken, dass diese Leute sich so fühlen, wenn sie Kommentare abgeben, und dann machen wir das einfach nicht mit, verstehst du?
Briton: Ich meine, sieh dir die Kommentare an, zum Beispiel wenn BRING ME THE HORIZON etwas veröffentlichen, das ist die Stimmung, alle sagen, oh nein, diese Band hat sich so sehr verändert ... Aber überleg mal, wie groß sie inzwischen geworden sind, also ist das alles nicht wirklich wichtig.

Ich denke, dass „Stigma“ ein sehr passender Titel für dieses Album ist, weil das Album wahrscheinlich nicht das ist, was eure Fans von euch erwartet haben. Könnt ihr die Bedeutung hinter dem Titel erklären?
Chris: Es ist eine Sammlung von zehn Songs. Jeder Song ist anders, es gibt keine Balladen. Ich denke, die Idee dahinter ist, dass es diese bestimmte Schublade gibt, in die uns die Leute vielleicht stecken wollen, was die Erwartungshaltung angeht. Und ich glaube, dass dieses Album wirklich nur dazu dient, dass wir zusammenkommen und Songs schreiben, die in diese Schublade passen könnten, aber nicht in diese Schublade passen müssen, und dass wir den Kreislauf dessen, was wir über die Jahre gemacht haben, damit durchbrechen. Die fünf Nägel auf dem Cover stehen für unser fünftes Album. Die Kette symbolisiert das Durchbrechen dieses Zyklus. Aber ich glaube, wir wollten mit diesem Album einfach weiter definieren, wer und was WAGE WAR sind, und wir wollten das Stigma brechen, das die Leute vielleicht damit verbunden haben, oder sogar, dass die erste Single, die wir veröffentlicht haben, „Magnetic“ war. Jede andere Platte haben wir immer mit einer starken Single eingeleitet. Bei dieser Platte haben wir einfach etwas anderes ausprobiert. Was ist, wenn wir es so machen, wie es keiner erwarten würde, und einfach das Vertrauen in uns selbst zu haben, um alles zu akzeptieren, was damit einhergeht?

Es ist auch ein eher, ich würde sagen, kurzes Album, weil es zehn Songs hat, es ist nicht so lang. Es kommt mir so vor, als ob es eine Art Trend gibt, kürzere Alben machen. Glaubt ihr, dass das etwas ist, das mehr ist als eine Mode, das langfristig eine Art Industriestandard wird?
Chris: Ich weiß nicht, ich glaube, es kommt darauf an. Es gibt ja auch Bands wie SLEEP TOKEN, die sehr populär sind und sieben Minuten lange Songs haben. Ich glaube nicht, dass wir mit der Absicht an die Sache herangegangen sind, nur noch drei-, dreieinhalbminütige Songs zu schreiben. Ich glaube, wir sind einfach reingegangen und haben angefangen zu schreiben. Und wenn wir das Gefühl haben, dass ein Song fertig ist, dann ist er fertig. Man könnte sicher versuchen, jedem Song mehr Zeit zu geben, aber ich denke, wenn wir das Gefühl haben, dass er fertig ist, warum sollten wir dann noch mehr Zeit investieren? Und was mich betrifft, ich habe mir die Platte natürlich tausendmal angehört, aber ich mag es, dass sie eher kurz ist, weil das den Effekt hat, dass ich sie einfach immer wieder auflegen und hören will.

Könnt ihr mir auch sagen, was für Themen ihr auf dem neuen Album zu verarbeiten oder zu besprechen versucht habt?
Chris: Es gibt einen Haufen verschiedener Inhalte, es sind ja wie gesagt zehn verschiedene Songs. Im Eröffnungstrack wird das Gefühl beschrieben, zu einer Show zu gehen und sie vorzubereiten. Das Album ist sehr, ich denke, man könnte sagen, theatralisch, wenn es um die Texte geht. Aber es gibt alles, vom Abschlagen des Kopfes einer Schlange, die deinen Feind repräsentiert, bis hin zum Aufwachen und dem Gefühl, nicht zu wissen, wer du bist, du weißt schon, in dem Moment, in dem du dich fühlst, als würde man dir in den Rücken fallen. „Hellbent“ ist ein Song, in dem es um das Gefühl geht, dass man sich auf einer Straße der Negativität befindet oder dass man nicht aus seinem Kopf herauskommt oder sich selbst im Weg steht. Wir berühren also eine Reihe ganz verschiedener Inhalte.

Habt ihr als amerikanische Band das Gefühl, dass es einen großen Unterschied dabei gibt, wie amerikanische und europäische Fans auf eure neue Musik reagieren oder bisher reagiert haben?
Chris: Ich denke schon. Es ist schwer zu unterscheiden, denn wenn man hundert Kommentare bekommt, ist es schwer zu erkennen, woher der jeweils kommt. Aber ich würde behaupten, dass sie sich normalerweise ähneln, wenn es darum geht, ob den Leuten gefällt, was wir machen oder nicht. Aber es gibt bestimmte Songs, die wir wirklich gerne nach Europa und insbesondere nach Deutschland bringen würden, und bei denen wir beim Schreiben an unsere deutschen Fans gedacht haben.

Gibt es generell eine andere Mentalität, wenn ihr in den USA und in Europa auftritt?
Briton: Ich würde nicht sagen, dass es eine andere Mentalität ist. Ich kann sagen, dass die Fans in Europa definitiv dankbarer sind. Weißt du, ich habe das Gefühl, dass sie nicht so viele Touren wie in den USA bekommen, das ist sicher. Ja, das ist ungefähr dasselbe. Unsere deutschen Fans sind sehr ehrlich.
Chris: Das ist wahr. Sollten wir eine schlechte Show spielen, werden sie es uns sicher sagen.

Habt ihr das schon einmal erleben müssen?
Chris: Oh ja. Es gab Leute, die sagten, weißt du, das letzte Mal, als ihr hier wart, war viel besser als dieses Mal. Ihr wisst schon, aber ...
Briton: Wer ist euer Tontechniker? Er braucht mehr Low End.
Chris: Ja, aber wenigstens sind sie ehrlich, nicht wahr, und geben konstruktive Kritik.

Gibt es irgendetwas, das ihr euren Fans sagen wollt, vielleicht besonders euren deutschen Fans?
Chris: Ich hoffe natürlich, dass sie alle „Stigma“ mögen werden. Wie gerade erwähnt, wir hatten euch im Hinterkopf, als wir einen großen Teil des Albums geschrieben haben. Wir freuen uns schon sehr darauf, wieder nach Deutschland zu kommen, wenn nicht dieses Jahr, dann spätestens nächstes. Und hoffentlich wird es größer werden als je zuvor.
Briton: Ja, ich freue mich schon, wieder zu euch zu kommen.