Jack Bergin, Sänger der australischen Band VOID OF VISION, ist kein Fan von Feedback, nach dem er nicht gefragt hat. Das hat er deutlich gemacht und von einer „überprivilegierten Fangemeinde“ gesprochen. Was er damit gemeint hat, erklärt er uns im Interview.
Ihr habt gesagt, dass ihr eine Menge unerwünschtes Feedback von einer „überprivilegierten Fangemeinde“ bekommen habt. Kannst du erklären, was passiert ist? Welche Art von Feedback habt ihr bekommen?
Ich denke, das kennt wirklich jede Band oder Künstler:in. Wir leben in einem sehr seltsamen Zeitalter, in dem die überwiegende Mehrheit der Fans chronisch online lebt, an einem Ort, an dem sie das Gefühl haben, dass sie sagen können, was sie wollen, ohne Konsequenzen. Das hat zur Folge, dass die Leute Dinge sagen, die sie einem niemals ins Gesicht sagen würden – sie kommentieren das Aussehen, die Persönlichkeit und die Ideale der Bandmitglieder auf eine Art und Weise, die sie anderen Gleichgesinnten gegenüber nicht einmal im Traum erwähnen würden. Es scheint, dass von uns Künstler:innen heutzutage erwartet wird, dass wir ihnen immer genau das servieren, was sie wollen und wann sie es wollen, sonst verlieren sie jedes Interesse. Ziemlich anstrengend, wenn man darüber nachdenkt.
Wie ist denn dein Verhältnis zu euren Fans? Ist es nicht nachvollziehbar, dass Leute, die deine Musik mögen, sich auch für deine persönliches Leben und deine Probleme interessieren?
Im Moment scheint es gut zu sein. Es ist schon eine Weile her, dass wir in Australien Konzerte gespielt haben, also freue ich mich auf unsere nächste Tour, um zu sehen, wie sich das alles mit der neuen Platte entwickelt. Unsere Beziehung ist in gewisser Weise nachvollziehbar, ich habe das Gefühl, dass es da zwei Seiten der Medaille gibt. Wir haben mit unserer Musik und unseren Texten immer aus einem eher negativen und frustrierten Raum heraus geschrieben, und wenn wir solche Gefühle beim Publikum hervorrufen können, dann denke ich, dass es ihnen einen Raum zur Kommunikation bietet. Die Leute sind definitiv an unseren persönlichen Leben interessiert, aber es wird leicht diffus, wenn man so persönliche Informationen in die Welt setzt, besonders weil das, was ich mit meiner Gesundheit durchmache, so einzigartig ist. Die Hälfte der Gründe für meine psychischen Probleme liegt darin, dass meine Erfahrungen so individuell sind, dass sie niemand nachempfinden kann, und deshalb habe ich nicht das Gefühl, dass die Fans das jemals wirklich nachempfinden oder verstehen können.
Heutzutage reicht es nicht mehr aus, Musiker zu sein, man muss auch Content schaffen und mehr, um in der Musikindustrie zu bestehen. Hast du das Gefühl, dass der eigentliche kreative Prozess darunter leidet?
Auf jeden Fall. Sich in dieser sich ständig verändernden Online-Landschaft zurechtzufinden, ist oft sehr anstrengend. Wir versuchen, unsere kreative Integrität so gut wie möglich zu bewahren, indem wir uns auf die Kunst konzentrieren und nicht auf die ständige Informationsflut. Heutzutage ist es schwer, die Grenze zwischen einer Firma und einer Band zu ziehen. Ich denke, solange Kreative daran denken, ihre Kunst in den Vordergrund zu stellen und sie so oft wie möglich sprechen zu lassen, gibt es ein Licht am Ende des Tunnels.
Inwiefern gibt „What I’ll Leave Behind“ diesen Kampf wider? Oder hast du versucht, all das aus dem Songwriting-Prozess herauszuhalten?
Ich habe das alles außerhalb des kreativen Prozesses gelassen. Es gibt so viele wichtige Dinge, die in der Welt außerhalb des Internets passieren, doch die Leute vergessen das. Wenn diese Platte irgendetwas bewirken könnte, dann würde ich mir wünschen, dass sie dazu beiträgt, die Menschen daran zu erinnern, dass es ihnen vielleicht hilft, ihr eigenes Leben neu zu priorisieren und zu erkennen, dass das Leben wirklich viel zu schön und viel zu kurz ist, um es zu vergeuden.
Nehmen wir den Titel mal wörtlich: Was ist es, das du hinterlassen möchtest?
Ich denke, wir alle möchten ein Vermächtnis in irgendeiner Form hinterlassen, und wenn dies das letzte VOID OF VISION-Album wäre, wäre ich glücklich, wenn es das wäre, was von uns bleiben würde. Ein Stück unserer Seele, an dem die Leute für immer festhalten können.
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