Vivienne Westwood wurde im April 75 Jahre alt. Sie verkörperte wie sonst niemand das, was als Punk-Mode in den späten Siebziger Jahren über Großbritannien hinwegfegte.
Im November 1971 eröffnete sie mit ihrem damaligen Ehemann Malcolm McLaren, dem späteren Manager der SEX PISTOLS und NEW YORK DOLLS, und Patrick Casey in der Londoner King’s Road 430 ihre erste Boutique unter dem Namen „Let It Rock“. Da McLaren selbst Teddyboy-Anzüge trug und die damals dominante Hippiebekleidung verachtete, bestand ein Großteil ihrer Kunden aus Teds. Als deren Neigung zu Rassismus und Sexismus zunehmend offensichtlicher wurde, schlossen sie den Laden.
Das nächste Geschäft im Frühjahr 1973 nannten sie in Erinnerung an den frühen Tod der Filmikone James Dean zunächst „Too Fast To Live, Too Young To Die“, änderten ihn 1974 in „Sex“ um und nahmen Bondage- und Fetischmode in ihr Sortiment auf. Bald gingen hier Gestalten wie John Lydon, Chrissie Hynde, Adam Ant, Siouxsie Sioux und Steve Severin ein und aus, teilweise arbeiteten sie dort auch als Verkäufer.
Typische Entwürfe dieser Tage waren etwa das „Anarchy-Shirt“, bunt eingefärbt und mit einem Porträt von Karl Marx und den Schriftzügen „Only anarchists are pretty“ und „Chaos“ versehen, oder die wie eine Zwangsjacke geschnittenen Musselinhemden. Wie sonst niemand hat Westwood den weltweiten Punk-Style geprägt. Seit 1981 entwirft sie regelmäßig professionelle Mode-Kollektionen, die sich inzwischen in verschiedene Labels aufteilen. Von 1993 bis 2005 lehrte sie an der Universität der Künste in Berlin, wo sie als extrem streng galt und keine Nachlässigkeit durchgehen ließ.
Bis heute beschränkt sie sich nicht allein auf das Mode-Business und äußert sich öffentlich immer wieder auch zu politischen Themen wie Klimaschutz, Guantanamo oder wie unlängst zum Freihandelsabkommen TTIP. Vor dem Haus von Premierminister David Cameron demonstrierte sie auf einem weißen Panzer gegen das umstrittene Fracking zur Erdgasgewinnung. 2015 verlieh die Tierschutzorganisation PeTA Westwood einen Vegan Fashion Award für ihre „Jungle Crocodile Bag“, eine schwarze Handtasche in Krokodilleder-Optik, die aus rein pflanzlichen Materialien hergestellt wurde. Auch Provokationen gehören noch immer zu ihrem Repertoire, doch heute trägt sie ihre Überzeugungen als Parolen auf T-Shirts wie beispielsweise „I am not a terrorist, please don’t arrest me“ oder „Climate revolution“. Bis heute ist sie ein exponierte und streitbare Persönlichkeit und damit im Herzen vielleicht auch noch ein wenig Punk.
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