VEXED

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Je einfacher, desto besser

Das düstere, destruktive Spiel der Briten lässt anderes vermuten, doch VEXED agieren intuitiv und sind auf Eingängigkeit aus. „Negative Energy“, das zweite Werk der Gruppe aus Hertfordshire, offenbart tatsächlich eine Vielzahl erinnerbarer Momente. Heftig und extrem gestaltet sich der Mix aus Deathcore, Djent, Industrial und Groove Metal dennoch.

Wir haben die Band und unsere Musik von Beginn an super ernst genommen, schon 2017, als wir zum ersten Mal aufeinandergetroffen sind“, entgegnet Gitarrist Jay auf die Frage, ob sich die Einstellung der Musiker gegenüber ihrer Gruppe mit zunehmender öffentlicher Aufmerksamkeit verändert hat. „Wir arbeiten hart, geben stets einhundert Prozent und fühlen uns der Band auf einer tieferen Ebene verbunden. Mit der Zeit ist unsere Fangemeinde größer geworden, das stimmt. Die Verbindung, die wir mit VEXED empfinden, ist aber ebenfalls gewachsen. VEXED ist inzwischen ein wichtiger Teil unserer Identität. Als wir anfingen, war unser einziger Fokus, die bestmögliche Musik zu spielen und alles zu tun, um Leute zum Zuhören zu bewegen. Daran hat sich nicht viel verändert, denn wir haben immer noch einen weiten Weg vor uns. Auf das, was wir bis jetzt schon erreicht haben, bin ich allerdings sehr stolz.“

Die britische Gruppe fällt auf und polarisiert: „Kritik ist unvermeidlich“, weiß Jay. „Für mich ist unsere Musik so etwas wie ein anerzogener Geschmack. Entweder man liebt oder man hasst sie. Dabei hoffe ich, dass die Leute in der Lage sind, mehr als nur reine Aggression zu hören und unsere Songs auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Für mich sind es die Intensität und Härte, die die Resonanz auf unsere Musik so einfach macht. Meine Empfehlung für Leute, die unsere Musik kritisieren: Wenn du uns nicht magst, hör einfach nicht hin.“ Dabei hat der Extrem-Crossover zwischen CODE ORANGE, MY RUIN, VEIN.FM und MESHUGGAH viel für sich: „Aus meiner Sicht haben wir für uns eine gute Mischung aus heavy, eingängig und groovig gefunden“, stimmt der Gitarrist zu. „Zumindest ist es das, was wir mit diesem Album umsetzen wollten. ‚Negative Energy‘ sollte leichter verdaulich ausfallen. Deshalb haben wir die seltsamen Taktarten weggelassen und versucht, Songs zu schreiben, zu denen man ohne nachzudenken headbangen kann. Wir sind uns dessen bewusst, dass sowieso jeder alles anders empfindet und hört. Deshalb glaube ich auch nicht, dass es möglich ist, von anderen vollständig und von ganzem Herzen verstanden zu werden. Als Konsequenz ist die Selbstdarstellung für mich das Einzige, was zählt.“

Bei der Arbeit an neuen Songs suchen VEXED die Herausforderung: „Beim Schreiben achten wir immer darauf, dass wir nicht in unserer Komfortzone bleiben“, bestätigt Jay. „Der einzige Weg, als Musiker zu wachsen und sich zu verbessern, ist, die Grenzen der eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Zusätzlich bin ich davon überzeugt, dass es nicht authentisch ist, wenn man sich beim Schreiben zu sehr zwingt und etwas tut, das man eigentlich nicht will. Wir werden immer nur das schreiben, was sich für uns gut und richtig anhört. Das ist so ziemlich unser einziges Kriterium. Wenn ich Gitarrenparts schreibe, beginne ich gewöhnlich mit einer sehr einfachen Idee und erweitere sie nur dann, wenn es so klingt, als bräuchte es mehr. Noten füge ich nie nur der Technik willen hinzu. Je einfacher, desto besser. Meine liebsten Riffs aller Zeiten sind zum Teil super einfach.“ „Negative Energy“ weist große Belastbarkeit und einen ausbalancierteren Extrem-Crossover auf.

Die Gruppe aus Hertfordshire hat ihre Ziele konsequent umgesetzt, wie der Gitarrist ausführt: „Beim Schreiben von ‚Negative Energy‘ war es uns sehr wichtig, ein Album umzusetzen, zu dem man mit dem Kopf nicken kann. Darin liegt der Schlüssel zum Erfolg der Songs – in ihrer Eingängigkeit. Die Leute kommen eher wieder, wenn sie eine deiner Melodien im Kopf behalten. Die weniger technischen Sachen live zu spielen, macht zudem mehr Spaß. Ich kann viel mehr Energie aufbringen, wenn ich nicht zehn Noten pro Sekunde abreißen muss. Einfache Sachen sind immer viel leichter zu verdauen und gehen besser ins Ohr. Ich bevorzuge es, groovige Riffs im Viervierteltakt zu spielen, und deshalb schreibe ich viele davon.“ Die Ansprüche und Ausrichtung haben sich im Zeitverlauf verändert: „Anfangs hörten wir noch andere Bands, so dass unsere Einflüsse ganz andere waren als heute“, gibt Jay zu. „Bei uns herrschte noch mehr eine Deathcore-Mentalität vor. Wir hatten sogar das Glück, ein Gast-Feature von CJ McMahon von THY ART IS MURDER zu bekommen, was uns geholfen hat, schon früh eine Dynamik aufzubauen. Zu Beginn gab es in der Band weniger Stress, weil wir noch völlig unabhängig waren und nach unseren eigenen Zeitvorgaben gearbeitet haben. Das Gefühl, wenn ein Track fertig ist und richtig klingt, ist aber immer noch dasselbe. Es muss sich dieser unmittelbare Drang einstellen, einen Song in die Welt hinaustragen zu wollen.“

Bezüglich „Negative Energy“ hat es seine Zeit gebraucht, bis sich dieser Drang einstellte: „Zu Beginn des Schreibprozesses haben wir sieben komplette Tracks geschrieben, von denen wir dann aber nur drei oder vier Riffs beibehalten und den Rest komplett verworfen haben“, rekapituliert der Gitarrist. „Das Album war auf dem Papier schon fast fertig, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an. Also beschlossen wir, noch einmal komplett von vorne anzufangen. Als Künstler spürst du es einfach, ob die Songs gut genug sind und ob du dein volles Potenzial ausgeschöpft hast oder nicht. Wenn du beim Anhören eines Tracks, den du geschrieben hast, kein gutes Gefühl hast, dann stimmt etwas nicht. Jeder Track auf dem Album ist das Ergebnis von fast zwei Jahren harter Arbeit. Alles in allem haben in etwa zwei Stunden Material geschrieben, am Ende aber nur die Tracks ausgewählt, die sich komplett richtig anfühlen. Herausgekommen ist ein schweres Album, das auch unter der Oberfläche sehr tiefgründig ausfällt.“