Der Hart-Zart-Sound von VENUES mit seinen stark betonten Refrains funktioniert unabhängig von den involvierten Personen. Und im Line-up der Gruppe ist viel passiert – bis hin zum Wechsel der Frontfrau. Mit „Solace“ erscheint dennoch oder gerade deshalb ein starkes Zweitwerk, das den Weg der Stuttgarter nicht nur fortschreibt, sondern auch weiterentwickelt.
Die Suche nach einem Ersatz für die Anfang 2019 ausgestiegene Nyves wäre dabei fast anders ausgegangen: „Zwischen unseren beiden Alben liegt auf jeden Fall eine wilde Zeit. Ehrlich gesagt habe ich persönlich eher nach einem männlichen Clean-Sänger gesucht“, verrät Shouter und Mastermind Robin. „Anfangs habe ich mich mehrmals mit Maik von AN EARLY CASCADE getroffen, dessen Stimme mich schon als 19-jähriger Emo-Bub komplett umgehauen hat. Zeitlich ging das Ganze jedoch nicht auf, da sein eigenes Projekt gerade dabei war, Fahrt aufzunehmen, und auch bei uns immer mehr Konzertanfragen reingeflattert sind. Somit haben wir unsere Suche wieder ausgeweitet und auch nach Sängerinnen Ausschau gehalten. Unser Gitarrist Constantin brachte relativ bald Lela ins Spiel, die uns dann bei der ersten gemeinsamen Probe so dermaßen überzeugt hat, dass die Zukunft der Band direkt wieder klar vor uns lag. Nur mit mir als Shouter weiterzumachen, war nie eine echte Option, da die Cleanparts für uns einfach die Band definieren und fester Bestandteil der Songs sein sollen. Darüber hinaus kann keiner von uns übrigen Mitgliedern auch nur ansatzweise gut genug singen, um an die Songs des Debütalbums heranzureichen.“
Lela gelingt es ohne Frage, den VENUES-Sound stimmlich nicht nur zu adaptieren, sondern ihn auch weiter auszubauen. Dass Ende 2019 auch ein Gitarrist und der Bassist die Band verlassen haben, fällt nicht ins Gewicht. Musikalisch bleibt es bei dem Stilmix aus Post-Hardcore, Metalcore und Modern-Metal, bei dem die harten und die zarten Zutaten in etwa gleich stark gewichtet werden: „Diese Diversität in unserer Musik kommt tatsächlich von ganz alleine, da wir die Band sehr demokratisch führen und jedes Mitglied seine persönlichen Einflüsse mit ins Songwriting einbringt“, erzählt Robin. „Ob das Ganze mehr Nach- oder Vorteile mit sich bringt, kann ich heute noch nicht so wirklich abschätzen. Wenn es um klare Einteilungen wie bei einer „Core“-Playlist bei Spotify oder einem Metalcore-Festival geht, dann glaube ich, dass Bands mit einem eindeutigen Genre definitiv einen Vorteil haben, da sie dem Hörer, Fan, Kurator, etc. genau das liefern, was er sucht. Allerdings ist es gerade in der heutigen Zeit, in der es immer einfacher wird, eine Band zu starten, etwas Besonderes und natürlich ein Pluspunkt, breiter aufgestellt zu sein, weil man sich damit eher von der Masse abheben kann.“
Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass VENUES kompositorisch abliefern: „Einen guten Song zeichnet seine Eingängigkeit aus“, weiß Sängerin Lela. „Das entscheidet, ob man ihn direkt noch einmal hören möchte oder ob er im Kopf bleibt. Das Schöne daran ist, dass jeder unterschiedliche Aspekte eines Songs verinnerlicht. Vor allem innerhalb der Band gibt es Unterschiede darin, wer was genau an einem Song wichtig und eingängig findet. Daraus entsteht eine angenehme Diversität innerhalb unserer Stücke. Uns ist es wichtig, dass am Ende jedes Bandmitglied mit einem Track zufrieden ist. Das führt manchmal zu langen Phasen der Kompromissfindung, die sich aber lohnt. Immerhin sollte jeder Einzelne zu dem stehen können, was er auf der Bühne von sich preisgibt.“ Die Sängerin hat ihren Platz innerhalb der Band aufgrund der Pandemie-Bedingungen auch bei der kreativen Arbeit schnell gefunden: „Der Stellenwert der Band war für mich von Anfang an sehr hoch, doch ich muss sagen, dass sich vor allem die emotionale Bedeutung im letzten Jahr enorm gesteigert hat“, so Lela. „Gerade während der Lockdown-Phasen, die gleichzeitig unsere Songwriting-Phasen waren, gab mir die Band eine Aufgabe. Als die Welt still zu stehen schien, passierte innerhalb der Band das Gegenteil. Wir wuchsen zusammen, kreierten etwas, worauf wir uns freuen konnten. Das gab uns allen große Hoffnung und half uns, nicht zu verzweifeln. Wir waren uns einig, dass wir mit dem neuen Album insgesamt etwas härter werden wollen. Ich brachte zudem einen neuen Gesangsstil mit ein. Ich persönlich mag ruhige, harmonische Parts sehr gerne und finde Kontraste und Dynamik innerhalb eines Songs sehr spannend. Ich denke, das haben wir auf ‚Solace‘ gut umsetzt.“
Shouter Robin ist mit dem Ergebnis ebenfalls zufrieden, verrät aber auch den größten Zielkonflikt der Kreativarbeit bei VENUES: „Es ging direkt wieder mit richtigem Mindset los. Die meisten Reibungen beim Songwriting gab es, weil ich immer ein wenig Angst habe, dass unsere Songs ‚zu Metal‘ werden könnten und der Vibe nicht ‚modern genug‘ ausfällt. Ich glaube aber, dass genau diese musikalischen Diskussionen die Qualität der Songs noch mal gut gepusht haben.“ Trotz der Änderungen im Line-up und der skizzierten Verschiebungen hin zu mehr Härte ist von einer natürlichen Evolution zu sprechen: „Für mich war es wichtig, auf gewisse Weise an ‚Aspire‘ anzuschließen“, stellt Lela klar. „Da ich neu in der Band war, wollte ich mich ein Stück weit am ersten Album orientieren, um den typischen VENUES-Sound beibehalten zu können, auch wenn ich meine eigene Art zu singen einbringe. Ich habe mich am Songaufbau des Debüts orientiert und fand die Dynamik zwischen Cleangesang und Shouts super. Daher war es wichtig, genau diesen Punkt weiterhin spannend zu gestalten.“ Mit „Solace“ haben die Stuttgarter nach Ansicht der Sängerin die perfekte Klammer für die letzten Monate gefunden: „Der Titel basiert auf unserer Erfahrung mit diesem Album. Daran zu arbeiten, es zu schreiben und aufzunehmen, gab uns in einer doch eher dunklen Zeit Hoffnung. Neben Corona hatten fast alle Mitglieder die eine oder andere persönliche Herausforderung zu meistern, wobei die Band und das Album eine gute Stütze waren. Man konnte seine Gedanken und Gefühle direkt rauslassen und in die Songs einbringen. Da lag es nahe, das Album dementsprechend zu benennen.“
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