„Fans of the New York cold wave scene and Wierd Records should definitely take note“, so beschrieb kürzlich das amerikanische Magazin The Big Takeover die Band VEIL VEIL VANISH aus San Francisco. Und Recht haben sie, denn die Band hat bereits – zusammen mit den durch Mark Burgess reformierten THE CHAMELEONS VOX – auf einer der legendären Partys des Wierd-Labels in New York gespielt und mit A PLACE TO BURY STRANGERS eine sehr erfolgreiche Tour in den USA absolviert. Und in der Tat ist ihr Sound auf ihrem kürzlich erschienen Debütalbum „Change In The Neon Light“ so tief im Post-Punk und Cold Wave der Achtziger Jahre verankert, dass einem die etwas müde gewordenen EDITORS und INTERPOL nicht wirklich fehlen. Sänger und Gitarrist Keven Tecon glänzt dabei mit einer Stimme, die nur positive Assoziationen an einen jungen Robert Smith weckt. Damit sind die Reminiszenzen also klar. So klingt ein Song wie „The wilderness“ wie ein Hyprid aus The CUREs „A forest“ und „Land’s end“ von SIOUXSIE AND THE BANSHEES und ihr „Modern lust“ zieht die besten Momente von THE CHAMELEONS und den THE COMSAT ANGELS zusammen. Was will man mehr erwarten? Keven Tecon beantwortete einige Fragen.
Ihr habt jüngst ein paar Shows mit Mark Burgess und seinen reformierten THE CHAMELEONS VOX gespielt. Wie habt ihr Kontakt zu Mark gefunden, der ja in den Achtziger Jahren neben den COMSAT ANGELS zu den Ikonen des Post-Punk zählte?
Wir trafen Mark, als er nach einem unserer Konzerte als DJ auflegte, und kamen sehr schnell ins Gespräch. Ich fand ihn sehr interessant und wir haben den Kontakt dann vertieft. Es ist erstaunlich, dass er nach all den Jahren als Musiker und den schlechten Erfahrungen, die er im Musikbusiness gemacht hat, immer noch sehr begeistert und optimistisch in Sachen Musik unterwegs ist. Wir haben uns viel über Musik unterhalten und die Energie, die einem Konzerte geben können. In einer Welt, in der die meisten Menschen fast abgestumpft sind, empfand ich seinen erfrischenden Optimismus sehr inspirierend. Und ich habe von Mark gelernt, dass es völlig in Ordnung geht, ein Konzert mit einem Kilt bekleidet zu spielen.
Es wird dich nicht überraschen, dass man deine Stimme oft mit der des jungen Robert Smith von THE CURE vergleicht, als er noch Songs wie „Boys don’t cry“ zum Besten gab. Ich unterstelle mal, THE CURE sind ein wesentlicher Einfluss für euch. Ihr habt auch 2009 an einer THE CURE-Tribute-Compilation mitgewirkt.
Natürlich war es fast zu naheliegend, eine Coverversion für den Tribute-Sampler „Perfect As Cats“ für THE CURE einzuspielen, wir haben uns im Übrigen für den Song „The upstairs room“ entschieden“, aber die Vergleiche mit der Band sind schon in Ordnung, wobei wir zu oft komplett darauf reduziert werden. Jeder vergleicht Bands mit dem Stil anderer Bands, die einem bekannt sind, weil es die Kommunikation miteinander erleichtert. Wir haben sehr viel mehr Einflüsse, die von Gitarrenmusik, Ambient und verschiedene Formen der elektronischen Musik bis hin zu Pop reichen. Einige von uns haben auch in klassischen Punkbands angefangen, Musik zu machen. Wir waren nie daran interessiert, irgendwie einen Retro-Sound zu generieren, sondern es geht uns darum, verschiedene Stile zu einem neuen Sound zu verschmelzen.
Ihr lebt in San Francisco. Wie würdest du die lokale Post-Punk- und Cold-Wave-Szene beschreiben? Gibt es da enge Freundschaften? Ihr seid ja mit THE PRIDS sehr gut befreundet.
Es ist immer schon eine sehr kleine, verschworene Szene gewesen. Bei VEIL VEIL VANISH ist das eine etwas ambivalente Situation. Auf der einen Seite sind wir eng verbunden mit dem Underground, andererseits spielen uns bereits einige etablierte große Radiosender und es gibt ein gutes Feedback. In der Tat stehen wir den PRIDS sehr nah und sind auch große Fans von THE HOLY KISS, deren Mitglieder ja nach New York gezogen sind und dort die BOOTBLACKS mitbegründet haben. Auch das großartige Shoegaze-Duo TAMARYN zählt zu unseren engen Freunden.
Ihr habt bei eurem Debütalbum mit Nick Launay als Produzenten gearbeitet, der bereits NICK CAVE & THE BAD SEEDS, GANG OF FOUR, PiL, KILLING JOKE oder gar THE BIRTHDAY PARTY produziert hat. Wie seid ihr mit ihm in Kontakt gekommen und wie war eure Erwartungshaltung hinsichtlich seines Einflusses auf euren Sound?
Wir haben mit Nick Launay bereits bei dem THE CURE-Cover zusammengearbeitet. Unser Debütalbum „Change In The Neon Light“ wurde im Wesentlichen aber von Atom produziert. Er ist Nicks persönlicher Toningenieur und arbeitet sehr intensiv mit ihm zusammen, zuletzt bei Nicks Produktionen für die YEAH YEAH YEAHS, THE CRIBS oder ARCADE FIRE. Im Grunde genommen gibt es nur zwei Arten von Produzenten: die einen, die eine Band in ihrem Sound gänzlich belassen und relativ nüchtern und professionell produzieren und die anderen, die sich sehr auf die Band einlassen und mit eigenem kreativen Input und Ideen den Sound einer Band voranbringen und verändern. Atom gehört definitiv zur letzteren Gruppe. Er nimmt eine sehr aktive und kreative Rolle im Produktionsprozess ein. Ursprünglich haben wir das gar nicht von ihm erwartet. Manchmal waren wir während der Aufnahmen so frustriert, dass wir das Studio verlassen wollten, aber wir haben dann immer wieder zusammengefunden und Atom war der gute Geist, wenn du so willst.
San Francisco hat eine enorme Reputation in Sachen Punk, man denke nur an die DEAD KENNEDYS. Hast du den Eindruck, dass es noch so etwas wie einen „Oldschool punk vibe“ in San Francisco gibt?
Nicht wirklich, wenn ich ehrlich sein soll. San Francisco ist in den letzten Jahren so zersiedelt worden, dass der ursprüngliche Punk-Spirit sehr darunter gelitten hat. Aber es gibt immer noch eine lebhafte Szene in der Bucht von Oakland und Berkeley, speziell in dem Gebiet um die Gilman Street, in der sich viel Leben abspielt. In diesen Vierteln sind auch die Mieten günstiger, weshalb nicht nur viele Bands, sondern auch andere Künstler in diese Gegend gezogen sind.
Ich nehme an, alle Bandmitglieder haben noch reguläre Jobs neben der Band. Wie sieht euer alltägliches Leben in San Francisco aus?
Die Hälfte von uns hat in der Tat noch diverse Jobs, um sich über Wasser zu halten, die anderen sind aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage derzeit arbeitslos. Es ist nicht gerade günstig, in San Francisco zu leben, und so ist es nicht einfach, das notwendige Geld zum Überleben aufzutreiben, speziell wenn man Musiker ist. Viele ziehen derzeit in die etwas erschwinglicheren Randgebiete von San Francisco, in denen die Mieten noch moderat sind.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #94 Februar/März 2011 und Markus Kolodziej
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Markus Kolodziej