Teil 8 unserer Reihe führt uns nach Bamberg. In der fränkischen Provinz gibt es nicht so viele Auftrittsmöglichkeiten für Bands oder Treffpunkte für Leute aus der Szene, umso wichtiger ist die Arbeit von Vereinen wie Unterste Brücke e.V. Dahinter steckt eine Gruppe von Leuten, die in Bamberg Konzerte und Festivals organisieren. Die Kreativität ist groß und die Szene dankbar, erzählt uns Andi. Er ist derzeit im Vorstand der Untersten Brücke und berichtet uns vom Vereinsleben in Bamberg.
Wie, wo, wann und warum kam es zur Gründung eures Vereins?
Für eine kleine Stadt mit knapp 80.000 Einwohner:innen gab es in Bamberg schon immer eine beachtliche DIY- und Punkrock-Szene. Schon die Bamberger Mods der zweiten Welle organisierten hier in den 1980er Jahren ihre einigen Shows. Von der lokalen Metal-Szene ganz zu schweigen. Nach der Abwicklung des Autonomen Zentrums Fischerhof in den 1990er Jahren, dem Ende des Morphclub vor genau zehn Jahren sowie verschiedenen anderen Orten, in denen kleine feine Konzerte stattfanden, klaffte allerdings irgendwann eine große Lücke in Bamberg, die durch den ehrenamtlichen Einsatz und Enthusiasmus zahlreicher Musiker:innen und Veranstalter:innen zumindest etwas kompensiert werden konnte. Wie so oft in kleineren Städten gibt es einfach immer ein Auf und Ab. Gefühlt entstand die Gründung unseres Vereins aus einer Bierlaune heraus: Das große Ziel war es, ein unabhängiges Punk-Festival mit vielen unserer Lieblingsbands aus dem Punk- und Hardcore-Bereich auf die Beine zu stellen. Hier mussten zunächst Menschen gefunden werden, die auch Lust darauf hatten, ihre Freizeit zu opfern. Aus der Bierlaune wurde aber bald ernst und es fanden sich immer mehr Menschen, die etwas auf die Beine stellen wollten. So kam die Idee mit dem Verein auf, um die Sache auch offiziell zu machen. Vor zwei Jahren waren wir endlich genug Leute, um einen solchen mit allem, was dazugehört, zu gründen. Zu einer lebenswerten Stadt gehört einfach eine bunte Vielfalt – und darunter fällt auch eine aktive subkulturelle Szene.
Wer waren damals die Ideengeber:innen und „Köpfe“, wer ist es heute?
Die Ideen kamen von mehreren Menschen: Einige Vereinsmitglieder haben früher schon im DIY-Kontext sowie als freie Booker:innen für Locations wie das Pizzini oder den Morphclub als auch in subkulturellen Vereinen wie Monsters of Rodeo aus Coburg oder in alternativen Theatergruppen wie ArtEast und Wildwuchs Erfahrungen gesammelt. Auch aktive Musiker:innen waren treibende Kräfte. Jedes frühe Mitglied war gleichwertig am Gründungsprozess beteiligt und somit ein wichtiges Mosaiksteinchen in unserer Entwicklung.
Was ist die Geschichte zu eurem Namen?
Das ist so ein Bamberger Ding ... Während und auch nach Corona waren ja bekanntlich viele Orte einfach dicht. In Bamberg verbinden zum Beispiel die Untere Brücke und die Obere Brücke die Altstadt mit der Neustadt. Dadurch, dass alles geschlossen war, haben sich dann alle, vor allem Jugendliche, draußen getroffen. Aber das war natürlich nicht im Sinne der Stadtväter und der Anwohner ... Es wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Menschen zu verscheuchen: Nächtliche Flutlichter, Security-Präsenz, eine öde Touri-Gastro bis hin zur Sperrung der kompletten Unteren Brücke. So kam ein Ehrenmitglied von uns mal aus Spaß auf die Frage: „Na, wo sollen sich denn die Leut’ überhaupt noch treffen? Vielleicht auf der Untersten Brücke?!“ So war der Name geboren – eine fiktive Brücke, die Leute verbinden soll und dabei nicht zuletzt auch gerne die Finger in die offenen Wunden der Stadtpolitik legen will.
Welche Ziele habt ihr euch gesetzt?
Unser Ziel ist es, der Subkultur eine Stimme in Bamberg zu geben. Hierfür ist es von großem Vorteil, dass man sich vernetzt. Wir agieren natürlich nicht in einem Vakuum oder einer Bubble und sind mit vielen örtlichen Gruppen und Vereinen freundschaftlich oder auch personell verbandelt. Dazu kommt unser Anspruch, Besucher:innen und Künstler:innen auch einen sicheren Raum zu geben: Wir sind gegen jede Art von Sexismus, Faschismus, Antisemitismus, Ableismus und andere menschenverachtenden Gedanken und Handlungsweisen. Grundsätzlich wollen wir auch unser Festival „Acht Stunden sind kein Tag“ – Fassbinder und JETZT! lassen grüßen! –, das dieses Jahr Ende September in die dritte Runde geht, weiter etablieren: sieben Bands in acht Stunden in einer großen Skatehalle im schönen JUZ Bamberg. Außerdem sind uns regelmäßige Shows wichtig, damit auch hier in der fränkischen Provinz wieder mehr geht.
Welche wichtigen Aktionen und Erfolge gab es in der jüngeren Vergangenheit?
Hier ist wieder an erster Stelle unser jährliches Festival „Acht Stunden sind kein Tag“ zu nennen. Letztes Mal haben sich zum Beispiel am Ende alle bei FLIEHENDE STÜRME in den Armen gelegen. Für uns ist jede Aktion und Veranstaltung wichtig, da jede:r im Verein seine Zeit und sein Herzblut da reinsteckt. Wir haben jetzt auch ein eigenes Zine namens „Brücke sehen und sterben“. Da ist jetzt auch schon die zweite Auflage erschienen. Print only! Anfang April haben wir zum Beispiel ein Konzert von Frankie Stubbs, dem Sänger von LEATHERFACE, veranstaltet – damit hat sich ein Vereinsmitglied von uns einen großen Traum erfüllen können. Hierfür konnten wir den Saal des Lichtspielkinos gewinnen, der eine ganz eigene tolle Atmosphäre hat. Die Leute kamen von weither angereist – und es war in Windeseile ausverkauft. Aber eigentlich ist jede Show ein kleiner Meilenstein für uns.
Mit welchen Risiken ist euer Engagement verbunden? Seid ihr Anfeindungen ausgesetzt, werdet ihr kriminalisiert?
In Bayern ist man doch schon kriminell, wenn man nicht die CSU wählt. Direkte Anfeindungen haben wir bis jetzt zum Glück noch nicht erfahren. Einmal saß uns die Polizei bereits im Vorfeld im Nacken, als wir eine Gegenveranstaltung zum Till Lindemann-Konzert mit organisiert haben – in einer kleinen Kapelle in Bamberg mit den WRACKSPURTS aus Leipzig. Durch unseren politischen Anspruch gehen wir hier sicherlich einigen auf den Sack, das darf auch gerne so bleiben.
Wie viele ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende habt ihr?
Wir sind komplett ehrenamtlich organisiert. Von der Szene für die Szene und darüber hinaus. Da wir grundsätzlich auch nicht profitorientiert sind, spielen hauptamtlich agierende Menschen keine Rolle. Wir sorgen neben der Vereinsmeierei und Orga schon selber für unseren Lebensunterhalt.
Wo ist der Sitz oder die Zentrale eurer Organisation?
Überall, wo es gutes Bier gibt, vor allem die Brauerei Keesmann. Wir treffen uns an den unterschiedlichsten Orten, mal privat, mal in einer Kneipe oder konspirativ in einem Hinterzimmer.
Wie viele Mitglieder beziehungsweise Unterstützer:innen habt ihr? Beschreib doch mal die „typischen“ Unterstützer:innen.
Zur Zeit müssten es knapp dreißig Menschen sein, die alle auf ihre eigene individuelle Art und Weise mithelfen, den Verein lebendig zu gestalten. Typische Unterstützer:innen gibt es in diesem Sinne nicht. Was uns aber alle vereint, ist der Spaß daran, etwas zu bewegen. Jede:r bringt sich ein und kann zum Beispiel die eigenen Wunsch-Bands anschreiben und veranstalten. Vorausgesetzt natürlich, es bleibt in einem realistischen Rahmen.
Was könnt ihr leisten, was eine andere Organisation nicht kann?
Da wir innerhalb des Vereins nicht hierarchisch aufgestellt sind, ist unser großer Vorteil, dass jede:r sich einbringen kann, ohne dass es erst von ganz oben oder so abgesegnet werden muss. Wir beschließen so gut wie alles in einer offenen Kommunikation und stimmen ab. Das Wort Plenum verwenden wir nur sehr ungern. Wir scheren uns nicht um Profit, wir wollen Dinge bewegen. Alleine das unterscheidet uns von anderen staatlichen oder kommerziellen Organisationen. Konkret veranstalten wir in erster Linie Konzerte in Bamberg, sind aber anderen Kulturbereichen nicht abgeneigt. So haben wir auch schon einen Kinoabend mit dem SCHLEIMKEIM-Film in Anwesenheit des Regisseurs Jan Heck organisiert. Wir konnten seit unserer Gründung auch schon viele Kooperationen mit anderen Veranstalter:innen und Gruppierungen realisieren.
Wie kann man euch unterstützen? Nur mit einer Spende oder auch mit aktiver Mitarbeit?
Spenden fließen in erster Linie in die Bands und die Veranstaltungen. Und kommt einfach zu unseren Veranstaltungen! Egal, ob als Besucher:innen oder als Band. Nur so läuft es! Uns ist klar, dass die Auswahl an Entertainment heutzutage groß ist, aber manchmal lohnt es sich auch mal, kleinere Shows zu besuchen. Bei uns kann sich jede:r melden, der oder die Lust hat mitzumachen. Bei uns gibt es auch die Möglichkeit, Fördermitglied zu werden und uns so finanziell zu unterstützen. Wenn ihr Fragen habt, schreibt uns einfach an. Wir sind auf den sozialen Medien oder per Mail erreichbar.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #174 Juni/Juli 2024 und Wolfram Hanke