TWISTED CHORDS RECORDS

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Minimalstandards gegen Rechts

In Zeiten der Apathie und Politikverdrossenheit im Punkrock ist es wichtig, Impulse zu setzen. Tobi von Twisted Chords bietet seit Jahren interessanten Künstlern mit politischem Engagement aus den verschiedensten Musikrichtungen, die uns die nötigen Nadelstiche verpassen und Revolution tanzbar machen, eine Plattform.

Der umfangreiche „Out Of Control“-Sampler hat im letzten Jahr für Aufsehen gesorgt. Wie wird so ein Benefiz-Projekt geplant, finanziert, kalkuliert und was konkret ist mit den Einnahmen passiert?

Die Grundidee dazu kam von den Lucha Amada-Leuten aus Berlin, die den Sampler auch zusammengestellt haben. Es ging ursprünglich um das §129(a)-Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Menschen aus Berlin. Wir haben das auf das allgemeine Thema Repression ausgeweitet. So ein Projekt war finanziell nur möglich, weil alle Beteiligten, vom Grafiker über das Presswerk und die Druckereien, umsonst oder nur für Unkostenerstattung gearbeitet haben. Zusätzlich gab es Geld von einigen Menschen und Stiftungen. Der Sampler ist inzwischen ausverkauft und wird auch nicht mehr nachgepresst. Ein sehr hoher Überschuss wurde an die Rote Hilfe und das Berliner Einstellungsbündnis gespendet. In diesem Rahmen gab es auch mehrere Release-Partys und Veranstaltungen, deren Erlöse ebenfalls gespendet wurden. So ist über die Monate richtig viel Geld zusammengekommen. Das Projekt war in jedem Fall erfolgreich und war durch den Umfang, die Aufmachung und die verschiedenen Musikstile ein ganz besonderer Soli-Sampler.

Gibt es ein bestimmtes Konzept, das du verfolgst?

Es gibt kein Konzept, ich bin wandelbar und offen für Neues. Klar ist, dass mit Twisted Chords gewisse politische Standpunkte verbunden sind, die mehr oder weniger offen nach außen vertreten werden, aber es muss nicht immer alles zwingend mit einer politischen Intention verbunden sein. Die meisten Label-Bands haben politisch was zu sagen, und ich melde mich auch mal gerne zu Wort, aber das schließt nicht aus, dass irgendwann eine Platte kommt, die keine politischen Inhalte hat. Es gibt viele Labels, die sich explizit politisch positionieren. Mag sein, dass die eine klare Schiene bedienen, während hier eben musikalisch fast alles möglich ist. Die Grundlage für fast alles hier ist und bleibt Punkrock/Hardcore. Was es so drumherum gibt, das ist immer noch das Herzensding, damit wurde ich sozialisiert, das hat mich geprägt. Da ich aber auch schon immer Bands aus ganz anderen Stilrichtungen gut gefunden habe, gibt es dementsprechend auch mal Ska, HipHop und anderes auf Twisted Chords.

Ich bin seit langem über die allgemeine Gleichgültigkeit und über das Anbiedern von welchen Bands auch immer an das „unpolitische“ und rechte Spektrum enttäuscht und schockiert. Was ist deiner Meinung nach in den letzten Jahren schief gelaufen?

Ich bin mir nicht sicher, ob das ein neues Phänomen ist. Ich glaube eher, dass die Diskussion alle paar Jahre mal wieder höher kocht und momentan ist das eben wieder der Fall. Heute fehlt mir bei manchen Bands, Labels und Veranstaltern die klare Abgrenzung und Distanzierung. Die Grauzone und die Auseinandersetzung mit ihr gab es aber auch schon in den Neunzigern und wahrscheinlich auch davor, was aber keine Relativierung sein darf. Heute scheinen aber mehr die „Großen“, also Booker, Labels, Veranstalter, offen für so was zu sein. Es scheint ihnen nicht mehr zu schaden, wenn sie rechtsoffene Bands einladen oder Platten mit eben solchen veröffentlichen. Letztlich läge es da halt an allen, klar zu machen, dass man eben nicht auf Konzerte oder Festivals mit Grauzonen-Bands geht und genauer hinguckt, wem man sein Geld in den Rachen wirft. Laut einem Artikel der Berliner Gruppe Siempre Antifascista ist das Erstarken der Grauzone unter anderem darauf zurückführen, dass sich politisch Aktive und politische Gruppen generell aus den Subkulturen zurückgezogen haben. Meiner Meinung nach hatten sich gerade in den Neunzigern große Teile der Linken explizit auf Punk/Hardcore bezogen, während es heute einen wesentlich breiteren Rahmen von „linker (Jugend-)Kultur“ gibt, der zwangsläufig zu einem Aufsplittern der politisch aktiveren Kräfte führt. Aber man kann doch erwarten, dass gewisse politische Minimalstandards eingehalten werden. Und dazu gehört eben eine klare und deutliche Abgrenzung nach Rechts. Wer dazu nicht in der Lage ist, hat definitiv nichts kapiert. „Unsere“ Musikrichtungen haben sich inzwischen in unzählige Subszenen unterteilt und jede dieser „Szenen“ funktioniert für sich selbst. Da gibt es in vielen Ecken Unpolitisches und Ignoranz. Genauso aber gibt es den Kreis von Bands, Menschen, Veranstaltern, die das alles als explizit politische Geschichte sehen und die dafür auch jede Menge tun. Ohne die würden AZs, selbstverwaltete JuZis und so weiter nicht funktionieren. Das ist der aktive Kreis an Leuten, auf den ich mich beziehe und bei dem ich nicht den Eindruck habe, dass er abgestumpft ist und Politik ausgrenzt.

Generell ist zu verzeichnen, dass immer mehr Labels ihre Aktivitäten beenden. Ist es für Twisted Chords schwieriger geworden?

Zwar muss ich mit dem Label nicht meinen Lebensunterhalt bestreiten, trotzdem ist das immer auch ein finanzieller Drahtseilakt. Insofern habe ich natürlich auch mit dem kommerziellen Musikbusiness zu tun. Ich arbeite mit einem Vertrieb, habe laufende Kosten und bin genauso darauf angewiesen, dass den Kram jemand kauft und supportet. Das Finanzielle macht keinen Spaß und es gibt manchmal monetäre Überlegungen, diverse Sachen einzuschränken. Aber durch Rumjammern wird es nicht besser, zudem ich langfristig auch keine Besserung der Zustände in der Musikindustrie erwarte. So lange ich aber weiterhin Bock habe auf die Bands, all die Menschen weltweit, mit denen ich seit Jahren zu tun habe und die mir super viel Rückhalt geben, und ich mich immer noch wie ein kleines Kind über jede neue Platte freuen kann und solange es einigen Leuten noch etwas bedeutet, denke ich nicht ans Aufhören.

Und was kommt von dir noch in diesem Jahr?

Es wird die Debüt-CD/LP von BALBOA BURNOUT, ex-EL MARIACHI, kommen. AMEN 81 und NEIN NEIN NEIN arbeiten an einem gemeinsamen Split-Album. Von MDC wird es das „Hey Cop ...“- und „Millions Of Dead Cops“-Material auf CD geben. CHAOZE ONE arbeitet an neuem Material und auch INNER CONFLICT, FRONT und ROGUE STEADY ORCHESTRA haben Studioaktivitäten angekündigt.