TSCHAIKA 21/16

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Trio Infernale

Treffen sich ein Wüstenrocker, ein HipHopper und ein klassischer Musiker ... Was wie ein schlechter Witz klingt, ist im Fall von TSCHAIKA 21/16 zu einem richtig spannenden Projekt geworden. ROTOR-Gitarrist Tim Mentzel, Markus „Onkel“ Lingner, unter anderem Drummer für ALLIGATOAH, und Trompeter Sören Linke vom Konzerthausorchester Berlin haben gemeinsam „Prinzessin Teddymett“ aufgenommen. Es ist nach „Tante Crystal uff Crack am Reck“ von 2016 das zweite Album von TSCHAIKA 21/16 für das Berliner Label Noisolution und das erste, das sie als Trio aufgenommen haben.

Wie ist die Idee für euer verrücktes Projekt entstanden?

Tim: Ich kannte Onkel schon seit Jahren vom Sehen. Er kommt aus Hellersdorf und ich aus Marzahn. Irgendwann haben wir unabhängig voneinander angefangen, Musik zu machen. Wir waren aber immer in unterschiedlichen Lagern unterwegs. Dann haben wir uns eine ganze Zeit aus den Augen verloren und irgendwann hat er mal eine Band von mir aufgenommen, bei der ich Schlagzeug gespielt habe. ORWO6 hieß die. So haben wir uns wieder getroffen und uns auf Anhieb verstanden. Wir sind zwei Bekloppte auf einer Wellenlänge. Das war so 2012. Es war aber immer schwierig, Zeit zu finden, weil Onkel immer viel mit anderen Bands zu tun hat. Aber in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand, haben wir unheimlich viel Mucke gemacht.
Sören: Ich spiele zwar hauptberuflich beim Konzerthausorchester Berlin, aber ich habe schon vorher jahrelang in anderen Bands gespielt, in denen wir auch richtig harte Heavy Metal-Musik gemacht haben. Die letzte Band mit Onkel am Schlagzeug hieß TOXON.

Gab es den einen Moment, in dem euch klar war, dass TSCHAIKA 21/16 eine richtige Band sind?
Tim: Ich habe damals als Erzieher in einem Jugendclub namens Anna Landsberger in Marzahn gearbeitet. Da hatten wir unseren ersten Gig. Damals habe ich teilweise sogar noch ein zweites Schlagzeug gespielt. Und da hat es Klick gemacht, weil wir eine tolle Resonanz auf unseren Krach bekommen haben. Und die nächste Show war schon im Comet Club im Vorprogramm von COOGANS BLUFF. Da war Sören noch gar nicht dabei. Da waren TSCHAIKA 21/16 noch Gitarre und Schlagzeug. So haben wir auch unsere erste Platte „Jeht oooch ohne“ aufgenommen. Damals noch ohne Label. Und ohne Bass, das war der Aufhänger für den Titel des Albums. Einen Song davon haben wir übrigens für „Prinzessin Teddymett“ mit Sören noch mal neu aufgenommen. Den haben wir deshalb „Wurscht on ze Rocks REDUX“ getauft.

Wie habt ihr euer Publikum für diesen sehr speziellen Sound gefunden?
Tim: Ich habe den großen Vorteil, dass ich schon seit 23 Jahren der Gitarrist von ROTOR bin. Da gibt es natürlich eine respektable Gruppe von Leuten, die immer kommen. Wenn die also mitbekommen, dass ich ein neues Projekt habe, dann hören die sich das an. Ein Teil davon war bestimmt geschockt, aber mehr als die Hälfte fand es extrem geil. Weil es live einfach unheimlich viel Spaß macht. Dem Publikum, aber auch für uns.

Wie ist euer Sound entstanden? Hattet ihr einen Plan, eine Idee?
Tim: Ich hatte schon immer Bock, noch was anderes neben ROTOR zu machen. Obwohl ich dieselbe Gitarre spiele und denselben Amp verwende. Onkel kann bei uns einfach machen, was er will. Das kann er in all seinen anderen Projekten und Bands nicht. Da gibt es oft einen roten Faden oder eine bestimmte Musikrichtung, die vorgegeben ist. Deshalb passiert bei uns auch so viel. Weil keiner von uns nachdenken muss, in welche Richtung es geht. Wir hatten nie einen Plan, wie TSCHAIKA klingen sollen. Wir haben uns einfach getroffen, miteinander gejammt und das ist das Ergebnis.

Mich erinnert der Sound an Bands wie MR. BUNGLE oder DŸSE.
Tim: Die hatten wir nicht im Sinn. Wir finden beide MESHUGGAH geil. So haben wir auf jeden Fall einen gemeinsamen Nenner, weil es da um ganz viel Rhythmus und um ganz wenige Töne geht. Bei ROTOR beschäftige ich mich ganz viel mit Melodien und Harmonien, deshalb ist TSCHAIKA ein Ausgleich für mich. Weil es rhythmisch nach vorne geht und unheimlich treibt.
Sören: Bei TSCHAIKA geht es viel um die Grooves, die Tim und Onkel zelebrieren. Da geht es aber nicht um 4/4-Takte, sondern viel abgefahrenere Ideen. Die Grundidee ist also immer, einen Groove zu haben, der cool ist, und daraus dann mehr zu entwickeln.
Tim: Bei ROTOR spiele ich immer unheimlich viel und bei TSCHAIKA verwende ich manchmal nur eine Saite. Das reicht auch.

Was steckt hinter dem Bandnamen? Tschaika ist ja russisch und bedeutet übersetzt Möwe. Und es gibt eine russische Automarke, die so heißt.
Tim: Das ist auf meinem Mist gewachsen, weil ich ein autoaffiner Typ bin. Tschaika ist sozusagen der Cadillac der Russen. Wenn bei uns jemand so ein Auto gefahren hat, war er ein ganz hohes Tier und hatte wahrscheinlich das Steuer nicht selbst in der Hand. Und 21/16 kam notgedrungen dazu, weil es schon ein oder zwei Gruppen gab, die bereits TSCHAIKA hießen. Ich glaube, ein Chor und eine Damen-Tanzgruppe oder so. Es gibt einen Song auf unserem ersten Album, der „21/16“ heißt und zwar, weil er einen 21/16-Takt hat. Daher stammt der Zusatz zu TSCHAIKA, den wir aus rechtlichen Gründen zur Abgrenzung gebraucht haben.

Wie entstehen so verrückte Songtitel wie „Kekse kaputt“ oder „Mutti ist vom Klettergerüst gefallen“?
Tim: Sören setzt sich damit auseinander und schreibt zu den Tracks die Texte. Aber am Anfang ist es immer so, dass Onkel und ich ziemlich viel Dünnschiss labern. Das macht unheimlich viel Spaß, kann ich nur empfehlen. Das ist gut fürs Gemüt und dabei entsteht so ein Pool von Ideen und zusammengesetztem Schwachsinn, den wir uns aufschreiben. Aus dieser Sammlung potenzieller Songtitel bedienen wir uns dann.
Sören: Wenn wir proben und irgendwelche komischen Ideen auftauchen, dann ist es schon ein paar Mal passiert, dass ich anhand von diesen Ausbrüchen eine gute Idee für einen Text hatte. Da gibt es etliche Titel, die so entstanden sind.

Sören, du bist ja inzwischen vom regelmäßigen Gast zum festen Bandmitglied geworden. Was reizt dich an TSCHAIKA 21/16?
Sören: Es macht unheimlich Spaß und die Jungs fanden meine Ideen, die ich an der Trompete eingebracht habe, einfach gut. Beim Vorgängeralbum „Tante Crystal uff Crack am Reck“ waren es noch einzelne Songs, an denen ich beteiligt war. Die waren teils schon fertig und ich kam dazu. Jetzt haben wir gleich zu dritt angefangen. Wir hatten einfach Bock aufeinander. Ich will ja nicht immer nur Wiener Schnitzel essen. Für mich ist dieses Projekt als Musiker wahnsinnig interessant. Die Jungs sind Freunde von mir, ich finde die Musik toll, und als klassischer Musiker reproduziert man ja immer nur Sachen von anderen. Das ist zwar künstlerisch anspruchsvoll und macht auch Riesenspaß, aber mit TSCHAIKA 21/16 kann ich meine eigene Musik machen. Beruflich bin ich kein Komponist, sondern Musiker in einem Orchester.
Tim: In diesem Projekt profitieren wir alle voneinander. Wir sind ja drei Typen, die sonst komplett unterschiedliche Sachen machen. Ich bin bei ROTOR und spiele für mich noch ein bisschen Akustikgitarre. Onkel ist ja neben seinen Jobs für ALLIGATOAH und bei den OHRBOOTEN auch bei der Hamburger Techno-Marching-Kapelle MEUTE aktiv.
Sören: Aber so richtig austoben kann er sich nur bei TSCHAIKA 21/16. Bei uns kann er sich bewegen wie das Tier in der „Muppet Show“. Das kann er sonst nirgendwo. Er kann sich am Schlagzeug Sachen ausdenken, die ihn schon immer interessiert haben, die er aber woanders nicht anwenden kann. Weil es da einfach nicht reinpasst.

Wie schwer ist es, eure Zeitpläne aufeinander abzustimmen?
Tim: Wir haben unterm Strich nicht sehr viel Zeit für das Projekt. Aber die knapp bemessene Zeit muss einfach reichen. Wir haben uns teilweise nur zweimal im Jahr gesehen, um Konzerte zu spielen. Dann treffen wir uns genau einmal vor dem Konzert, um zu proben, spielen ein verlängertes Wochenende Shows und das war’s. Das können wir aber auch nur machen, weil da echte Profis am Start sind. Mehr als zehn Konzerte sind es im Jahr also nicht.

Für das neue Album habt ihr auch ein spektakuläres Promofoto gemacht, bei dem ihr Sören seinen Rauschebart abfackelt. War das Absicht oder ein Unfall?
Sören: Das war stundenlange Arbeit für drei Sekunden. Tim hatte ja noch diese Spritze mit Wasser in der Hand. Das war also alles genau durchgeplant. Ich hatte schon lange die Idee und meinen Bart dafür extra lang wachsen lassen. Wir haben uns ziemlich lange darauf vorbereitet, dass wir dieses Bild schießen können.
Tim: Nur damit das klar ist, das war Sörens Idee, nicht unsere. Haha.
Sören: Ich wollte schon immer mal einen Bart brennen sehen. Das fand ich einfach interessant.