Die TRAVOLTAS gründeten sich zu Beginn der Neunziger Jahre in den Niederlanden und wurden mit ihrer perfekten Mischung aus den BEACH BOYS und den RAMONES, ihrer Surf-Attitüde und den typischen mehrstimmigen Chören mit den Falsettstimmen zu einer der wichtigsten Pop-Punk-Bands weltweit. Ihre Alben „Teenbeat“ und „Endless Summer“ genießen Kultstatus. Im Jahr 2006 entschloss sich die Band zu einer Auszeit, um 2014 erfolgreich zurückzukehren. Im Dezember 2018 spielte die Band zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder ein Konzert in Deutschland. Eine gute Gelegenheit, um mit Frontmann Perry Leenhouts über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zu sprechen.
Perry, ihr spielt heute euer erstes Deutschland-Konzert seit 13 Jahren. Warum so eine lange Abstinenz, was habt ihr in den letzten Jahren getrieben?
Wir hatten eine längere Periode, in der wir nichts gemacht haben. Wir hatten uns eigentlich aufgelöst. 2006 waren wir uns einig, dass wir uns eine Zeit lang nicht sehen wollten. Wir kamen 2005 von einer Japantour zurück, die wir immer schon machen wollten. Danach war irgendwie die Luft raus, uns war einfach nicht danach, ein neues Album einzuspielen oder wieder auf eine größere Tour zu gehen. Es standen privat einige andere Dinge an, das Interesse an der Band war nicht mehr so ausgeprägt. Wir hatten den Eindruck, dass das Kapitel TRAVOLTAS beendet war. 2014 hatten wir dann Lust, einfach aus Spaß wieder eine Reunion-Show zu spielen. Dann haben wir die EP „The Longest Wait“ aufgenommen und es hat sich einfach richtig angefühlt, wieder als eine Gruppe von Freunden zusammen zu sein. Der Kontakt war die ganzen Jahre nie abgebrochen, aber es brauchte seine Zeit, bis der Spaß zurückkehrt, wieder gemeinsam Konzerte zu spielen und neue Songs aufzunehmen. Es war super, weil überhaupt kein Druck da war, unbedingt erfolgreiche neue Songs zu schreiben oder länger auf Tour gehen zu müssen. Neue Aufnahmen und weitere Konzerte, das machen wir jetzt nur, wenn uns der Sinn danach steht. Wir haben uns früher selbst ziemlich unter Druck gesetzt, ein noch besseres Album rauszubringen, eine noch erfolgreichere Tour zu spielen, das war dann irgendwann mal überreizt. Dadurch, dass dieser Druck heute weg ist, habe ich das Gefühl, dass wir auch wieder fokussierter und besser geworden sind.
Ihr wart in den letzten Jahren kaum unterwegs. Stimmst du der Aussage zu: „Wer sich interessant machen will, der soll sich rarmachen“?
Ja, total. Man muss auch berücksichtigen, dass wir aus einem recht kleinen Land stammen. Wir haben bestimmt in allen Punkrock-Clubs in Holland mindestens fünf- oder sechsmal gespielt. Am Ende waren unsere Fans gerade in unserer Heimat übersättigt und nicht besonders heiß darauf, uns wieder und wieder live zu sehen. Dass wir jetzt erst nach 13 Jahren wieder nach Deutschland kommen, ist natürlich eine sehr lange Zeit. Wenn wir irgendwo alle paar Wochen regelmäßig spielen, dann denken sich die Leute schon: Na, dieses Mal schenke ich mir den Konzertbesuch, in ein paar Monaten sind die sowieso wieder da.
Du selbst lebst inzwischen in den USA. Was hat dich dahin verschlagen?
Als es damals zur Auszeit mit der Band kam, habe ich zusammen mit meiner Frau beschlossen, in die USA zu ziehen und etwas Neues, etwas anderes zu machen. Ich habe mich Film- und Fernsehproduktionen zugewandt. Wir haben etwas ausprobiert, es hat funktioniert, so sind wir in den USA geblieben. Ich bin also weiter im kreativen Bereich tätig, allerdings in einer anderen Branche als der Musik. Wir sind jetzt seit zwölf Jahren in den Staaten, es fühlt sich gut an und wir werden wohl auch noch länger dort bleiben.
Die Bandmitglieder leben jetzt auf zwei Kontinenten. Regelmäßige Proben und Touren sind da wohl kaum möglich. Macht die Band in solch einer Situation eigentlich noch Sinn?
Wir leben sogar auf drei Kontinenten, denn Dan, einer unserer Gitarristen, lebt inzwischen auf den Philippinen. Natürlich macht die Band noch Sinn, denn wir haben wieder richtig viel Spaß daran, gemeinsam auf Tour zu sein, Konzerte zu spielen und neue Songs zu schreiben. Das rechtfertigt schon den ganzen Aufwand, wenn wir zusammenkommen. Das muss natürlich alles von langer Hand geplant und vorbereitet werden, dabei müssen von uns allen auch Beruf und Familie mit berücksichtigt werden.
Alle Bands, die länger im Geschäft sind, beklagen, dass heute deutlich weniger Tonträger verkauft werden als früher. Ist das ein Problem für euch, wenn ihr ein neues Album rausbringt?
Auch wenn das natürlich keine erfreuliche Entwicklung für eine Band ist, so müssen wir es doch akzeptieren. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Wir müssen uns heute auf andere Wege und Möglichkeiten fokussieren, unsere Songs zu vermarkten. Natürlich wäre es klasse, wenn wir gerade bei unseren Vinyl-Produktionen noch die Absatzzahlen von früher erreichen könnten, aber Spotify und Co. sind eben auch zu berücksichtigen. Die Zeiten haben sich geändert und wir wären verblendet, wenn wir glauben würden, dass die neuen Rahmenbedingungen für uns nicht gelten würden. Als Musiker musst du es heute schon als Privileg empfinden, neue Tonträger rauszubringen, die gut ankommen und gehört werden. Die Frage nach dem finanziellen Erfolg ist dann nachgelagert. Wir schätzen, dass wir bei den physischen Tonträgern heute noch knapp ein Drittel der Absatzzahlen von früher erreichen. Unsere erfolgreichsten Alben waren „Teenbeat“ und „Endless Summer“, diese Verkäufe sind heute einfach nicht mehr zu schaffen, das musst du einfach akzeptieren. Mit den Verkäufen unseres aktuellen Albums „Until We Hit The Shore“ von 2017 sind wir aber generell zufrieden.
Ihr nennt euch selbst die „BEACH BOYS of Punk Rock“. Welche Band hatte mehr Einfluss auf euch, die BEACH BOYS oder die RAMONES?
Ich denke, dass es eindeutig die BEACH BOYS sind. Klar sind auch die RAMONES für uns total wichtig, aber unsere melodischen Songs mit den ganzen Gesangsharmonien und der Beach- und Surfkultur sind irgendwie dann doch eine gute Ecke näher an den BEACH BOYS dran.
Ihr habt grandiose Songs über Girls, Sommer und Surfen geschrieben. Wenn du dir die aktuelle Entwicklung, auch in den USA, anschaust, muss man nicht auch darüber nachdenken, in den Songs politischer zu werden?
Ich habe das tatsächlich erwogen. Ich kann mir durchaus vorstellen, auf dem nächsten TRAVOLTAS-Album auch ein paar politische Songs zu haben. Aber ich bin andererseits dahingehend auch ein bisschen vorsichtig, denn die TRAVOLTAS sind mit ihrer Ausrichtung schon auch im gewissen Sinne eine Konzeptband. Wir bieten, da schließe ich mich durchaus ein, mit unserer Musik und unseren Songs die Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag. Ich bin da hin- und hergerissen. Wir haben schon eine klare Meinung zu dem, was da in der Welt und insbesondere auch in den USA gerade so abgeht, und das sollten wir dann auch kundtun. Anderseits haben wir das so in dieser Form bisher noch nicht gemacht. Aber wenn wir das so bringen, muss es eben insgesamt passen, auch von der musikalischen Umsetzung her. Pop-Punk beinhaltet für mich auch immer noch Punk und das bedeutet schon, kritisch zu sein und seine Meinung zu bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklungen zu äußern. Und es gibt momentan eine ganze Menge Dinge, mit denen wir nicht einverstanden sind. Aber letztendlich müssen diese Äußerungen dann doch noch zu den TRAVOLTAS passen und es wird mit Sicherheit kein ausschließlich politisches Album von uns geben.
Welche Pläne habt ihr für die Zukunft, was können wir noch von euch erwarten?
Auf jeden Fall soll es nicht wieder 13 Jahre dauern, bis wir wieder Konzerte in Deutschland spielen. Das wäre echt schade, zumal die deutschen Fans immer supernett zu uns waren und wir hier immer viel Spaß hatten. Wir arbeiten bereits an neuem Material. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir einige EPs anstatt einem kompletten Album rausbringen und dann auf jeden Fall wieder auf Tour gehen und die Songs live präsentieren. Im Frühjahr ist eine kleine Italientour geplant. Dan und ich müssen dazu eben immer extra herfliegen. Dann wird drei- bis viermal geprobt, dann kann es losgehen. Die Proben sind schon nötig, wir rosten ansonsten schon etwas ein. Die Momente, wenn wir uns nach Monaten wiedersehen, bedeuten aber auch immer viel Spaß für uns.
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