2004 in Florida aus FLOOR hervorgangen, haben sich TORCHE unter (mittlerweile) alleiniger Führung von Sänger und Gitarrist Steve Brooks zu einer riffmächtigen Wundermaschine mit betörenden Melodien entwickelt, die sich zudem immer noch mit jedem Album steigert. Mit „Restarter“ sind TORCHE zu Relapse gewechselt und haben das Zeug dazu, bald in weitaus größeren Locations als 300er-Clubs zu spielen.
Steve, als ich 2002 das Album deiner alten Band FLOOR rezensierte, war ich überrascht über eine Band mit so einem „anderen“ Sound auf No Idea, jenem Label, das man damals mit HOT WATER MUSIC und ähnlich klingenden Bands gleichsetzte. Wie habt ihr in dieses Bild gepasst?
Auf No Idea waren ja ganz unterschiedliche Bands. Die haben damals vor allem Platten von Gruppen aus Florida veröffentlicht. Unsere frühen EPs sind auf längst vergessenen Labels wie Bovine, Dirge oder Rhetoric erschienen. Wir waren irgendwie eine heavy, noisy Punk-Doom-Band oder so. Wir hatten nicht viel gemeinsam mit der Metal/Hardcore-Szene dort und machten einfach, was wir wollten. Die frühen FLOOR waren bisweilen einfach nur Lärm. Wir nahmen uns selbst nicht ernst und wahrscheinlich dauerte es deshalb zehn Jahre, bis wir unsere erste LP rausbrachten. Wir spielten damals in den Neunzigern und in den frühen 2000ern mit Bands aus den verschiedensten Genres zusammen, meist auf irgendwelchen Partys oder in Kneipen. FLOOR klangen so eigen wie manche unser Labelmates auch und No Idea war einfach nur das Label von Freunden, die Bock hatten, unser Album zu veröffentlichen.
Mich erinnerten FLOOR damals an COSMIC PSYCHOS und FEEDTIME. Welche Bands prägten deinen musikalischen Geschmack und dich als Gitarrist?
Alles, was ich liebe. Und natürlich helfen mir die Musiker, mit denen ich zusammenspiele, meine musikalischen Fähigkeiten zu verbessern, und sie beeinflussen auch, in welche Richtung ich mich entwickle beziehungsweise wir als Band. Eine Liste der Bands, die mich inspirieren, aber auch der Klänge aus Natur und Technik sowie kreativer Menschen generell wäre endlos.
Damals hattet ihr in eurem Promoschreiben zur Platte diesen schönen Dialog abgedruckt: „What the fuck do you tune to?“ – „We don’t. The E string just kind of hangs there. Steve broke a string during practice and it sounded cool.“ Würdest du das so noch unterschreiben?
Ja. Wir nutzen die E-Saite mehr als perkussive Note. Das ist heavy wie Sau und gleichzeitig irgendwie lächerlich.
Euer neues Label Relapse spricht von euch als „Heavy-Rock-Titanen“, ihr werdet als Sludge-Band bezeichnet. Gleichzeitig erkenne ich an euch aber eine gewisse Indierock-Sensibilität, die eher Leute wie mich anspricht, die HÜSKER DÜ und SONIC YOUTH mögen und nicht auf all diese „Rockismen“ stehen.
Wir sind eine Rockband, mal mehr, mal weniger heavy. Das Label „Sludge“ ist genauso dumm wie einst „Grunge“. Ich identifiziere mich nicht mit solchen Sub-Genres. Wir haben als Band die Freiheit, alles auszuprobieren, genau das ja das Schöne, wenn man ohne Schubladendenken auskommt. Wenn man meine Musik mit HÜSKER DÜ und SONIC YOUTH vergleicht, schmeichelt mir das viel mehr, als wenn irgendwer irgendwas mit „Sludge“ schreibt. Abgesehen davon liebe ich klassische Rockmusik in all ihren Spielarten.
Klar, ein Plattentitel ist letztlich nicht mehr als genau das, aber einen guten Titel zu finden, ist dennoch eine Kunst. Was steckt hinter „Meanderthal“, „Harmonicraft“ und „Restarter“?
Plattentitel kann jeder interpretieren, wie er will. Jeder der Titel stammt von einem Song, der jeweils am besten beschreibt, wie sich das Album anfühlt. Zu „Restarter“ inspiriert hat mich die Vorstellung einer künstlichen Intelligenz, welche die Vernichtung der Menschheit überlebt. Wir schaffen etwas, das sich selbst vervielfältigt – und sind weg. Der Mensch ist zerstörerisch, und alles, was wir schaffen, kann der Zerstörung dienen. „Restarter“ ist das neue Leben – es kann sich alles zum Guten wenden oder auch furchtbar schiefgehen.
Viele Menschen sind in ihrer Wortwahl unvorsichtig. Wie empfindest du als jemand, der sich vor einer Weile offen zu seiner Homosexualität bekannt hat, die Verwendung eines Wortes wie „fag“ oder „faggot“, dem im Deutschen „Schwuchtel“ oder „schwul“ entsprechen? Gerade Jugendliche verwenden das bewusst abwertend.
Hier in den USA ist das genauso. Das sind Begriffe so klein wie der Geist der Menschen, die sie gebrauchen. Mag sein, dass sich die Bedeutung im Detail verändert hat, aber ich kenne den Hintergrund des Wortes, seine Geschichte, und weiß, warum es beleidigend ist. Meist ignoriere ich es, wenn ich es höre, denn es ist ein dummes Wort, das irgendein Arschloch verwendet, um jemand anderen damit wütend zu machen. Das ist genauso, wie wenn ich jemanden als dummes Arschloch bezeichne.
Unsere Szene, zumindest was Punk und Hardcore betrifft, ist meist offen und tolerant. Kannst du dich in diesem Kontext an eine überraschende homophobe Erfahrung erinnern?
In der echten Indie/Punk/Hardcore-Szene habe ich nur ganz selten mal eine negative Bemerkung über Homosexuelle gehört. Ich habe aber wohl auch ein ganz gutes Gespür dafür, mit was für Leuten ich mich abgebe, und verbringe meine Zeit deshalb in Gesellschaft toleranter Menschen.
Wie reagierst du auf Homophobie? Ich klinge hoffentlich nicht vorurteilsbehaftet, wenn ich sage, dass eine so auf Männlichkeit bedachte Szene wie die Rockmusikwelt eine gewissen Tendenz zu „Witzen“ über Schwule hat. Ich stelle es mir als unangenehm vor, so was anhören zu müssen.
Jeder weiß doch, dass Homophobe eigentlich Schwule sind, die noch nicht den Mut zum Coming-out hatten. Ich habe keine Zeit, mich mit Idioten abzugeben, die sich ihrer Sexualität schämen. Solche Typen sind doch nur Schulhofschubser, die machen das nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Die sind einfach nur dumm. Wenn mich jemand persönlich angreift, dann verteidige ich mich. Wenn jemand einfach nur über einen dummen „Witz“ lacht, ignoriere ich es. Ich betrachte es nicht als meine Aufgabe, irgendwelchen Boneheads das Denken beizubringen. Außerdem bin ich ja selbst nicht besser, ich mache Witze über „Boneheads“. Das macht mich wohl zum „Boneheadophoben“.
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