TOASTERS

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Wieder Europa und kein Ende in Sicht

Wir schreiben den 15. Juli 2006. Das Lunatic-Festival in Lüneburg findet zum dritten Male hintereinander statt, diesmal mit einem Zufluss an Zuschauern versprechenden Line-up, welches mich ehrlicherweise weniger interessiert. Es geht mir vielmehr um die legendäre 3rd-Wave-of-Ska-Kombo THE TOASTERS. Aus NYC könnte man sagen, obwohl das korrekterweise nicht mehr stimmt, denn Sänger und Gittarist Robert "Bucket" Hingley wohnt seit geraumer Zeit im sonnigen Spanien, in Valencia, um genau zu sein. Das Interview war vor der offiziellen Pressekonferenz des Veranstalters geplant. Geplant, wie gesagt, aber wie das Schicksal es will, kommt dies zeitlich nicht hin und so erlebe ich mit der Band eine deutsche Pressekonferenz. Ein Dolmetscher übersetzt mir und einem Teil der TOASTERS die Redebeiträge. Die Konferenz löst sich dann nach einer guten halben Stunde auf und gemeinsam wird beschlossen, das Interview Backstage stattfinden zu lassen, wo Mr Hingley bereits wartet.





THE TOASTERS sind eine Ska-Band, deren Mitglieder, sieht man mal von Bucket ab, dem Kopf der Band, und vielleicht Schlagzeuger Lary "Ace" Snell, sich einem permanenten Wechsel unterziehen. Neue Bassisten, Saxophonisten, Trompeter und Keyboarder. Die Live-Präsenz wurde dadurch aber nie in Frage gestellt. Trotzdem ist das Release des letzten Albums "Enemy Of The System" schon ein paar Tage her. 2002 veröffentlicht, stand es im Schatten von "Don't Let The Bastards Grind You Down" (1997) und es gelang nicht, damit neue Maßstäbe zu setzen.

Wie sieht es also mit einem neuen Album aus? Robert "Bucket" Hingley spricht es aus: "Wir sind gerade dabei, ein neues Album in zwei Blöcken aufzunehmen. Da gibt es schon eine neue Single. Im sonnigen Spanien, genauer gesagt, in Valencia, werden wir dann den zweiten Block aufnehmen. Der erste ist bereits im Kasten. Wir hoffen, im Oktober fertig zu sein. Wir machen das Stück für Stück. Das Studio wird für eine Woche gemietet, dann gehen wir auf Tour, um wieder eine Woche aufzunehmen." Was sich anhört, wie immer wieder bei Null anzufangen und was für einen Großteil Profimusiker wohl eher einen negativen Beigeschmack hat, ist für die großen THE TOASTERS Realität. Ein rundes, sauberes Album, innovativ arrangiert, wird versprochen, wir werden hören.

Bucket erklärt weiter, was es mit dem neuen Label Megalith Records auf sich hat: "Das ist unser neues Label. Nachdem wir 2000 mit Moon Ska abgeschlossen hatten, wollten wir etwas Neues machen und seit drei Jahren gibt es Megalith. Wir haben 25 Veröffentlichungen in den Staaten heraus gebracht. Die neue THE TOASTERS-Scheibe wird über Megalith Records in Europa erscheinen. Das wird wahrscheinlich über die Weihnachtsfeiertage passieren." Okay, verstanden, bis Oktober fertig mit der Aufnahme und dann zur Weihnachtszeit, sozusagen "skankin' under the christmas tree", steht die Veröffentlichung unterm Baum. Hört man Bucket genau zu, so spürt man zwischen den Zeilen Stress. Sie sind mitten im Prozess des Aufnehmens, Komponierens. Zusätzlich spielen sie eine Europatour. Als sei das nicht genug, widmet sich Hingley auch noch dem Job, den er schon meisterhaft bei Moon Ska absolvierte: "Meine Hauptaufgabe besteht weiterhin darin, live mit den TOASTERS zu spielen. Mit Megalith Records versuchen wir Ska-Bands in den Staaten eine Chance zu geben, um die sich sonst niemand kümmern würde. Es ist die gleiche Situation wie Anfang der 80er Jahre, wo Ska-Bands einen harten Stand hatten. Wie gesagt hatten wir bislang 25 Veröffentlichungen in den USA und kommen jetzt auf den europäischen Markt. Die Bands, die wir verpflichten sind reine Ska-Bands. Es gibt schon mehr als genug Punkbands. Wer also braucht noch mehr davon?"

THE TOASTERS sind eine Band des fliegenden Wechsels. Immer neue Gesichter und Mitglieder. "Heute haben wir Herrn O'Sullivan an der Trompete, Jeff Richie am Saxophon, Ace am Schlagzeug und Jason am Fünf-Saiter-Bass." Robert "Bucket" Hingley steht sowohl bei der dann folgenden Live-Show als auch während des Interviews im Mittelpunkt der Band. Er war es, der die Band in New York City gegründet hat, er hielt die Band sowohl musikalisch als auch geschäftlich mit Moon Ska Records am Leben und bis zum heutigen Tage laufen wichtige Entscheidungen über seinen Schreibtisch. Also so eine Art Diktatur? Einer bestimmt, der Rest zieht mit, sonst kann er gehen? Das wäre ein zu einfaches Resümee. Hingley steht in der Pole-Position, jedoch ist genau das der Grund dafür, dass die Band immer noch existiert. Eine sowohl wichtige als auch unzweifelhaft autoritäre Rolle, die er inne hat. Megalith Records zeigt, dass ihn der Bürojob auch immer wieder verfolgt. Einige Jahre zuvor unterstrich er, dass er die Live-Atmosphäre und das Auf-Tour-sein mit nichts eintauschen wolle. Im Jahre 2006 zieht er dann doch wieder die Fäden vom Schreibtisch aus. Zurück zum neuen Album der TOASTERS: "Der Arbeitstitel ist ?One More Bullet'", so Bucket. Da meldet sich der sonst eher unbeteiligte Saxophonist Jeff Richie zu Wort: "Wir sind aufgeregt, da wir seit langem kein Album veröffentlicht haben. Ich glaube, dass diese Fünf-Mann-Band, dieses besondere Line-up, das wir gerade haben, eines der dynamischsten ist, das die TOASTERS je hatten. Wir werden sehen, wie unsere Strategie mit dem neuen Album funktioniert. Die Festival-Tour und die Club-Tour mit einem neuen Album am Start werden ein großer Spaß."

Richie ist der mit Abstand jüngste Musiker in der Band, aber schon seit 2001 integriert. Das ist für TOASTERS-Maßstäbe eine sehr lange Zeit. Auf der Bühne wirkt er an diesem Abend, eine Show vor gut 2.000 Leuten, beweglich und ungehemmt. Der Alkohol tut sein Werk, aber eher in Richtung Spaß und noch mal hundert Prozent mehr an Bewegung und musikalischem Können. Gespielt wird eineinhalb Stunden lang mit eine Mixtur aus "Don't let the bastards grind you down", über "Enemy of the system", bis hin zu neuen Songs. Leichte Rhythmusschwankungen fallen auf. Die Show auf dem Lunatic-Festival aber zeigt eine solide Leistung der US-Amerikaner. Bleibt abzuwarten, was das neue Album an Ska-Tönen und -Melodien mit sich bringt.



Nils Robin Kruska