TNT

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Soundtrack zur Zürcher Jugendbewegung

Will man über die Zürcher Punkband TNT eine kurze Biografie schreiben, kommt man nicht darum herum, zuerst die DOGBODYS zu erwähnen. Diese waren 1977 neben den NASAL BOYS die aktivste Punkband in Zürich. Aus den DOGBODYS formierte sich im September 1978 TNT. Mit dabei aus der letzten DOGBODYS-Formation waren: der Gitarrist und neue Songschreiber Dani Grässle, der Bassist Smudi Gross und der Schlagzeuger Gianni Luder. Die damals gerade 14-jährige Sängerin Sara Schär (mit der das folgende Interview Ende 2007 geführt wurde) ersetzte das letzte noch verbleibende Gründungsmitglied der DOGBODYS, den aus England stammenden Frontmann Ray Fairbrother. Davor spielte sie kurz Bass bei der "All female"-Punkband ZÜRI ESES.

Die DOGBODYS waren eine klassische 77er Punkband mit musikalischen Wurzeln im amerikanischen Prä-Punk à la Iggie Pop und MC5 und einem guten Schuss SEX PISTOLS. Sie selbst brachten nie einen Tonträger heraus. Im März 1979 ersetzt Phil Rust Gianni Luder an den Drums. Gianni gründet nun mit Saras Vater die Band ACT1. Kurz danach, am 5. Juni veröffentlichte das Label Voxpop die erste TNT-Single "Züri brännt". Dieser Song stammte noch aus der Feder der DOGBODYS und "Subwayscene" auf der B-Seite ebenfalls. Das dritte Stück "131" (der Song besteht aus eben dieser Anzahl Wörter) war dann aber ein echter TNT-Song. "Züri brännt" ist bis heute der bekannteste Punk-Song aus der Schweiz und wurde das Markenzeichen für TNT. Ungewollt wurde in den frühen 80er Jahren "Züri brännt" zum Slogan der "80er Bewegung" und im Jahr 2005 kam zum 25-jährigen Jubiläum der Opernhaus-Krawalle eine gleichnamige DVD heraus.

Im April 1980 erschien TNTs zweite Single, nun auf dem klassischen Swiss Wave-Label Off Course. "Fight" und "Remember" sind zwei Punksongs, wie man sie von den Briten kennt. 1981 erscheint bei Alec von Tavels Disctrade-Label TNTs dritte Single. Alec zupfte 1978 ebenfalls kurz den Bass bei den DOGBODYS und ist auch zuständig für den Endmix der beiden Songs "Razzia" und "They robbed us", dies aber zum Missfallen der Band. Trotz allem wird "Razzia" neben "Züri brännt" zum populärsten Song von TNT und taucht 1986 abermals auf dem Definitiv-Sampler auf.

Am Abend des 2. Februar 1981 verlässt Dani Zürich Richtung Berlin. Von der Gruppe SPERMA kommend, ersetzt jetzt Thomi Bickel diesen an der Gitarre. Es wird nun die EP "Eine kleine Machtmusik" mit neun brandneuen Songs im Pyramid Studio in Küsnacht von Saras Vater aufgenommen. Es brauchte ganze zwei Jahre, bis die 10"-EP erstmals im Herbst 1983 abermals auf dem Off Course Records-Label erscheint. Live aufgetreten sind TNT zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr und die auf 1.000 Stück limitierte und schön aufgemachte EP ging unbemerkt unter.

Dani gründete in der Zwischenzeit mit seiner Freundin Gigia MANISCH DEPRESSIV und 1983 erscheint auf dem Soilant-Label ihre Single "MD". Sie proben im gleichen Übungsraum wie FDP und treten oft gemeinsam auf. Ende 1984 gründet Dani mit Sara THE KICK. Auf einer zum Definitiv-Sampler beigelegten 4-Track-Single wird ihr Song "Close your eyes" veröffentlicht. Phil wechselt zu Rudolph Dietrichs MUTTERFREUDEN und danach zu Niki Grandjeans HERTZ. Im Jahr 1986 gründete er mit Smudi die Surfcombo THE KILLER PLANETS, die mit den zwei Songs "Hawaii 5-0" und "Pipeline" ebenfalls auf der Zusatzsingle vom Definitiv-Sampler erscheinen. Alle diese Bands lösen sich bis Ende der 80er Jahre auf ... Neun Songs der bekanntesten Schweizer Punkband TNT sind Ende Juni 2008 nun endlich auf einer limitierten CD von 1.000 Stück erhältlich, erschienen auf dem japanischen Base-Label.

Sara, in welchem Umfeld bist du aufgewachsen?

In Seebach, einem Stadtteil von Zürich, mit meinen Eltern und meinem Bruder. Meine Eltern waren sehr jung, als sie mich bekommen haben, zwischen 19 und 20 Jahren. Die waren Hippies und da war natürlich immer was los. Leute gingen ein und aus, es gab große Feste und mein Vater war überhaupt kein angepasster Typ. Er hat sich im "Soldatenkomitee" engagiert und war auch DJ im "Bunker", beides bekannte Institutionen aus der 68er Bewegung in Zürich. Natürlich ist die ganze Familie auf den Anti-Vietnamkrieg-Demos mitgelaufen. Als ich zehn Jahre alt war, haben sich dann meine Eltern getrennt, ich zog zu meiner Mutter und über Umwege zwei Jahre danach zu meinem Vater in die WG nach Küsnacht, einem Züricher Vorort.

Wie bist zu der Musik gekommen?

Ich habe schon als kleines Mädchen eigene Liedchen gedichtet. Habe in der Grundschule ebenfalls gerne gesungen. War im Chor und habe so die klassische Grundausbildung gemacht.

Wie ist denn nun der erste Kontakt zu der Punkrock-Musik gekommen?

Ein wichtiger Einfluss zu der Zeit waren für mich TON STEINE SCHERBEN aus Kreuzberg in Berlin. Die haben deutsch gesungen, das hab ich verstanden und die waren so was wie Vorbilder. Aufgewachsen bin ich mit der Musik von LED ZEPPELIN, ROLLING STONES, Jimi Hendrix, Janis Joplin, einfach der ganze Rockhintergrund. Der Urschlag kam von meinem Vater, er hat mir eines Tages einige Singles, unter anderem die von THE DAMNED in die Hand gedrückt und gemeint, ich sollte hier mal reinhören. Da war ich natürlich sofort am Haken.

Wo oder wie hast du danach die ersten Gleichgesinnten getroffen?

Ich weiß das gar nicht mehr so genau. Auf jeden Fall hingen da einige Punks rum und da waren auch zwei Mädchen dabei. AGS und Soda, und die haben mich gefragt, ob ich bei ihnen Bass spielen wollte, was ich natürlich davor noch nie gemacht hatte. Ich sagte zu, wir nannten uns dann ZÜRI ESES und haben in Bäch, im Übungsraum von MOTHER'S RUIN, proben können. Lustigerweise hat dann Reto, ihr Gitarrist, auch umgehend alles fotografisch dokumentiert.

Und zwei, drei Monate später warst du dann schon Sängerin von TNT?

Ja ... ich habe mal kurz recherchiert in meinen Sachen und dabei diesen Brief von Soda gefunden, die sich darin beklagt, dass ich mich nicht mehr bei ihr melde. Ich vermute, ich hab mich nicht getraut, ihr zu sagen, dass ich nun in einer anderen Band spiele.

War es der Schlagzeuger von den DOGBODYS, Gianni Luder, der dich angesprochen hat?

Genau, Gianni hat mich auf der Kirmes angesprochen. Er wollte mich eigentlich nur kennen lernen und hat so auf billige Anmache gemacht: "Willst du bei uns in der Band singen?" Ich sagte natürlich sofort "Ja" und als wir gemeinsam mit dem Tram nach Hause fuhren, fragte er mich, wie alt ich denn sei. Ich sagte: "14", er: "Uff ... ahh ... also bis morgen im Übungsraum." Dort war dann aber noch eine andere Frau, die ebenfalls Sängerin bei TNT werden wollte. Die hab ich dann aber weggefegt. Danach, bei den allerersten Proben im Übungsraum wurden Aufnahmen gemacht. Dani war damals schon technikvernarrt. Die waren dann nach der ersten Probe alle total von mir begeistert und verkündeten überall, dass sie eine neue Sängerin hätten. Somit war die Sache natürlich klar! Ich habe jede einzelne Probe von uns aufgenommen und wir probten zwei-, dreimal die Woche ... das war zum Reflektieren, zum Herausfinden, wo's nicht gut war, wo wir was anders machen müssen.

Wo kam dieser professionelle Anspruch her?

Den hatten wir alle bei TNT und ich denke, man hört das auch bei unseren Songs. Es war uns wichtig, wie wir nach außen hin klangen. Wir haben auf fast all unseren Konzerten unser eigenes Equipment mitgenommen. Wir hatten unser eigene Konzert-PA und es musste so klingen, wie wir es wollten.

Wie kam es zu eurem ersten Konzert im November 1978 beim Anti-Repressions-Kongress im Zürcher Volkshaus?

Das kann ich dir wirklich nicht mehr sagen. Ich besitze aber Aufnahmen davon und es klingt furchtbar, ich habe nur geschrieen und die andern haben Lärm gemacht.

Trotz allem müsst ihr den Leuten vom Vox Pop-Label imponiert haben, da sie ja an dem Abend auf euch zukamen und euch einen Plattendeal offerierten.

Für die war das wahrscheinlich komplett was Neues und die geballte Wut und Kraft, die wir da auf die losgelassen hatten, hat ihnen scheinbar imponiert.

Im Monat darauf habt ihr schon zum ersten Mal im Punk-Club Hey gespielt. Hier hörten euch zum ersten Mal die Punks und sind total drauf abgefahren.

Ja, genau, danach waren wir die legitimen Vertreter unserer Gilde. Das war super geil, stell dir vor, du bist 14 Jahre alt, du hast eine Band, die Leute hören dir zu und flippen total aus, das ist doch das Größte!

Nun zu euren Songs, es gab doch noch lange Zeit Stücke von den DOGBODYS, die ihr weiter gespielt habt, oder?

Das stimmt, "Subway Szene", "Züri brännt", "Fascist pigs" oder "Army", das war auch ein Ray-Song, so ein typisch englischer Text: "Go to the army, traveling to foreign countries, meet new people and kill them, kill them, kill them ..."

Wenn ich weitere Songtitel von TNT hier erwähne, wie "Taken in jail", "Razzia", "Robbed us" und "Fight", hört man doch einen politischen Hintergrund heraus.

Smudi war zum Beispiel ein recht politisch und radikal denkender Mensch. Vor meiner Zeit probte die Band ja noch an der Wiesenstraße, in einem besetzten Haus. Das kam nicht von mir. Als ich zu der Band stieß, war dieser Groove schon vorhanden.

Hat dich dies ein wenig an deinen Vater erinnert?

Nein, eigentlich nicht. Ich fand es einfach geil, in einer Band zu singen. Es hat für mich einfach gepasst.

Wie habt ihr dann ab Sommer 1980 zu der ganzen AJZ-Geschichte gestanden?

Wir waren definitiv keine Bewegungsband und als wir dort auch mal gespielt haben, herrschte eine ganz seltsame Stimmung. Es schlug uns irgendwie eine komische Aggression entgegen. Wir waren wahrscheinlich nicht die, für die sie uns gehalten haben.

Du warst aber oft dort?

Ja, ich hab dort gearbeitet. Ich hatte die Schule beendet und hatte noch keine Lehrstelle. Im AJZ konntest du dich jeden morgen um neun Uhr melden, und wenn du das gemacht hast, hast du fünf Stutz die Stunde erhalten. Das habe ich oft gemacht. Im Film "Züri brännt" siehst du eine, die da malt, das bin ich. Auf den Demos war ich aber nicht dabei, das war mir zu heavy, ich blieb dann immer im AJZ und hab es wahrscheinlich komplett angestrichen. Ich bin keine Person mit solch radikaler Ideologie, es war halt mein Umfeld. Es wurde immer enger, man musste so aussehen, man musste so denken und jeglicher Fun war verschwunden. TNT kam vielleicht teilweise politisch rüber, doch es hatte eine gewisse Leichtigkeit, es war nicht so verbohrt. Man hat seinen Frust ausgedrückt, wir haben es durch die Musik und Texte transportiert und das war es dann auch.