Auf HellCat Records gesignt, fast permanent auf Tour, unter anderem mit THE OFFSPRING, drei Alben im Gepäck – und dann war 2010 plötzlich Schluss. Nun sind TIME AGAIN aber wieder da: Frontmann Daniel Dart erzählt, warum seine Band solange weg vom Fenster war – und er selber auch – und wie die Pläne für die Zukunft aussehen.
Daniel, TIME AGAIN waren gezwungen, eine Pause einzulegen. Was waren die Gründe?
2010 mussten wir mal durchatmen, denn wir waren zu diesem Zeitpunkt seit fünf Jahren nonstop am Touren und brauchten dringend eine Pause. 2011 fing ich an, an einem neuen Album schreiben und alles lief darauf hinaus, die Sache wieder zum Laufen zu bringen. Aber ziemlich genau, als wir anfingen die neue Platte aufzunehmen, wurde ich verhaftet. Ich arbeitete gerade an dem neuen Material im Studio, als ich vor die Tür ging, um eine zu rauchen. Das Haus war von der Polizei umstellt – wie in einem Film. Es bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung, dass diese Geschichte unsere Pause zwangsweise verlängert hat.
Du wurdest verurteilt und musstest ins Gefängnis.
Ja, ich musste in den Knast. Wenn wir von den Gründen reden, gibt es da einige, da kannst du im Grunde bis zurück in meine Kindheit gehen. Letztlich wurde ich für Kidnapping und Autoentführung verurteilt, außerdem wurde ich mit Drogenhandel in Verbindung gebracht. Die Wahrheit ist: I didn’t do it. Aber ich wurde verurteilt, bis 2017 im Gefängnis zu bleiben. Jedoch gewann ich die Revision und wurde daher schon letztes Jahr entlassen. Ich betrachte das Ganze aber so, dass ich damit die Schulden aus meiner Vergangenheit bezahlt habe. Viele Leute singen über die Dinge, mit denen sie nie etwas zu tun hatten. So war ich nie. Ich habe bis jetzt ein Leben gelebt, das viele nicht begreifen können, inklusive illegalem Waffenverkauf und Drogenschmuggeln. Das ist nichts, was ich mit Stolz erzähle, sondern einfach eine Tatsache. Vielleicht muss jeder für das, was er getan hat, büßen. Auch wenn die Vorwürfe gegen mich in dem konkreten Fall falsch waren, habe ich oft exakt das, was sie mir vorwarfen, gemacht – nur bin ich immer damit davongekommen. Diesmal ist es eben anders gelaufen und das passt irgendwie. Wir sind jetzt quitt und ich habe für meine Schuld bezahlt. Ich will nicht wieder dahin zurück, schulde niemandem irgendwas und kann nun mein Leben weiterführen.
Wie bewertest du die Zeit im Gefängnis heute?
In den Knast gesteckt zu werden, war das Beste, was mir passieren konnte. Es dauerte lange, bis ich das realisiert hatte. Ich war drei Jahre und drei Tage inhaftiert und das hat mich wirklich verändert und half mir zu verstehen, was wichtig ist, und mich mit mir selbst wohlzufühlen. Es war eine harte Lektion. Ich war für Monate durchgehend in meiner Zelle eingesperrt, 24 Stunden am Tag in einem Betonloch. Du kannst entweder aufgeben und wütend oder verbittert werden, oder du kannst es als Lernerfahrung annehmen und daran wachsen. Ich entschied mich dafür zu wachsen.
Mit TIME AGAIN wart ihr damals bei Tim Armstrongs Label HellCat Records unter Vertrag. Wie steht es um eure jetzige Labelsituation?
Ja, wir waren mit Tim lange unterwegs, aber ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr mit ihm gesprochen. Ich werde ihm immer dankbar sein, aber bei der neuen Platte werden wir einiges ein bisschen anders machen, was das Team um uns herum betrifft. Wir wollen diesmal mit anderen Leuten arbeiten und etwas experimentieren.
Habt ihr immer die gleiche Besetzung?
Das Line-up ist komplett neu. Aber diese Situation gab es schon häufiger. Im Grunde waren TIME AGAIN immer Elijah an der Gitarre und ich, andere kamen dazu, sprangen wieder ab ... Die Band war immer meine Vision und Elijah mein „Back-up“. Bevor ich die Gruppe wieder ins Leben rief, sprach ich mit ihm. Er gab mir seinen Segen und wünschte mir viel Glück. Wir reden immer noch miteinander, er sagte: „Daniel, TIME AGAIN warst immer du. Also, leg los und bring die Sache wieder in Gang.“ Ich bin sehr dankbar, dass er mich immer noch so unterstützt und ich weiterhin die Musik machen kann, die ich liebe. Die Neuen in der Band sind auch großartig. Ich arbeite mit allen möglichen Leuten an der Platte und daher werden auch sehr spannende Gäste darauf zu hören sein.
TIME AGAIN wurden oft mit RANCID verglichen – und das nicht auf immer unbedingt schmeichelhafte Weise. Erinnerst du dich noch an die Witze wie „Time Again? Eher Tim again!“?
Manchmal nervt mich das noch. Aber meistens denke ich da nicht dran. Als ich noch jünger war, war das viel frustrierender für mich. Ich sprach mal mit Tim darüber, er meinte nur: „Über Jahre haben alle uns nur als THE CLASH bezeichnet, mach dir darüber keine Gedanken.“ Durch so etwas muss wohl jeder durch. Aber andererseits, RANCID sind meiner Meinung nach eine der besten Punkbands überhaupt. Also ist es eigentlich ganz schön schmeichelhaft, überhaupt in diesem Kontext genannt zu werden.
Wenn ich dich vorhin richtig verstanden habe, willst du auf der neuen Platte einiges anders machen. Bedeutet das, dass ihr die Streetpunk-Pfade verlassen wollt?
Nein, musikalisch wird es keine totale Abkehr von den alten Sachen geben. Aber einige Songs werden ein bisschen anders sein. Es wird einige Akustiknummern geben und ein paar Lieder, die sich mit meiner Zeit im Gefängnis auseinandersetzen, im Stil von Johnny Cash. Eine coole Sache war es, einige der „Old-Timer“ zu treffen, die in Folsom einsaßen, als Cash dort gespielt hat. Es war spannend, ihre Geschichten zu hören, wie sie selbstgebrannten Schnaps rumgereicht haben, die Songs mitsangen und sich für diesen Tag frei fühlten. Eine Geschichte, die dich daran erinnert, dass du auch in schweren Zeiten etwas Frieden und Frohsinn finden kannst.
Es scheint ganz so, als hättest du die Zeit im Gefängnis sehr gut überstanden. Gab es auch Krisenmomente?
Manche Tage konnten sehr, sehr lang werden. Andere waren atemberaubend: wenn man das erste Mal den Hauptkomplex betritt und dann überall die Wachen mit den Waffen sieht, wie sie über die Flure patrouillieren, vorbei an Schildern, auf denen „Keine Warnschüsse“ steht ... Ebenso verrückt sind die Riots im Knast. Hunderte Männer kämpfen, bluten und stechen um sich und du kannst nirgendwo hin. Also gibst du dein Bestes, dich irgendwie zu verteidigen und zu überleben. Manche Leute, die auch im Gefängnis waren, sagen, dass so ein Aufstand keine große Sache wäre. Aber das sind nur Lügen. Es ist unglaublich beängstigend. Es ist das totale Chaos. Ein Langzeitinhaftierter, ein Mörder, mit dem ich im Gefängnis befreundet war, erzählte mir, dass jeder, der behauptet, er hätte bei so was keine Angst, entweder völlig geisteskrank sei oder ein Lügner. Und er war der härteste Typ, dem ich jemals begegnet bin, und er sagte mir, dass er bei jedem Aufstand Angst habe. Meistens sieht es im Gefängnis aber so aus, dass du einen Haufen Typen hast, die irgendwie versuchen, das Beste aus ihrer Situation herauszuholen. Alle wollen die Zeit rumkriegen und zurück zu ihren Lieben. Meistens sind die Leute im Knast an sich gute Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen dumme Entscheidungen getroffen haben, so wie ich auch.
Du hast nach deiner Entlassung „DEC Artists“ gegründet. Was steckt dahinter?
Als ich wieder rauskam, war ich nicht sicher, was ich nun machen sollte. Ich habe keine Arbeitserfahrung außerhalb der Musikindustrie. Ein paar Bekannte schlugen mir vor, es mal mit Management für andere Künstler zu versuchen. Ich beschloss, der Sache eine Chance zu geben. Es stellte sich heraus, dass es mir tatsächlich sehr liegt und ich glaube, ich bin auch ziemlich gut darin. Also stellte ich ein Team zusammen und gründete DEC, eine Managementfirma mit D.I.Y.-Punkrock-Ethos, die für alle möglichen kreativen Menschen arbeitet.
Wie steht es um eine neue Tour? Gibt es schon Pläne?
Ja, wir sind bald wieder „on the road“. So wie es aussieht, geht die nächste Tour in Europa los, wahrscheinlich Anfang 2016. Es gefällt mir bei euch drüben. Nach den letzten Jahren bedeutet es mir so viel mehr, wieder auf Tour gehen zu können, als früher. Es gab Nächte, in denen ich in meiner Zelle lag, und mich fragte, ob ich jemals wieder so eine Chance bekommen würde oder ob ich sie verspielt habe. Und jetzt, da es wieder losgeht, bin ich so froh, ich kann das mit Worten gar nicht ausdrücken.
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