Tim Kerr

Erst die BIG BOYS, dann POISON 13, heute THE LORD HIGH FIXERS, dazwischen noch die eine oder andere Band: Tim Kerr ist seit zwanzig Jahren Teil der Punk/Hardcore-Szene von Austin, Texas, hat unzählige Leute musikalisch und "punk-philosophisch" beeinflusst, produziert von Zeit zu Zeit eine Band und hat dementsprechend viel zu erzählen. Ich besuchte Tim im März in seinem Haus in Austin - und sollte es in diesem Interview immer wieder mal zu abrupten Themenwechseln kommen, dann bitte ich das zu entschuldigen: Tim hatte soviel zu erzählen, dass man oft mit einem Stichwort schon wieder beim nächsten Thema war.

TEIL 1: THE LORD HIGH FIXERS

Ihr wart vor einer Weile mit den LORD HIGH FIXERS auf Japan-Tour. Wie waren eure Erfahrungen?

Es war unglaublich! Die Leute sind total ausgetickt - und wir auch! Dabei planen wir sowas nicht, das passiert einfach. Es hat mal jemand zu mir gesagt, wir hätten mit den LORD HIGH FIXERS den Punkt erreicht, an den jeder Musiker oder Künstler gelangen will: wenn dir das Publikum absolut ergeben ist. Wir spielen nicht oft, und bei den paar Show, die wir spielen, wissen selbst wir nicht, was passieren wird. Alles ist möglich, wir rasten meist völlig aus - vielleicht kannst du das ja übermorgen selbst erleben, wenn wir auf dieser Party spielen. (Oh ja! Es war die Hölle! jh) Ich erinnere mich an diese Halloween-Show: wir hatten gerade mal fünf Songs gespielt, doch ich hatte nur noch drei Saiten auf meiner Gitarre und Robbies Bass war am Arsch. Er tanzte dann nur noch rum, und MELT BANANA, diese japanische Noiseband, mit der wir an diesem Abend spielten, waren richtig erschrocken, wie wild wir waren. Andys Gitarre kackte dann auch noch ab, wovon wir uns aber nicht beirren liessen, doch beim siebten Song mussten wir dann aufgeben, weil wir unser gesamtes Equipment kaputtgespielt hatten.

Ihr spielt nicht viele Shows, aber die wenigen haben absoluten Kult-Charakter.

Wenn du so willst, ja. Die Leute sind richtig gierig danach uns zu sehen, und ich muss sagen, ich bin stolz auf alles, was ich bisher musikalisch gemacht habe, doch die LORD HIGH FIXERS sind das spassigste bisher. Ich kann mir heute gar nicht vorstellen, in einer anderen Band zu spielen: ich muss mir über gar nichts Gedanken machen! Nicht darüber, ob meine Gitarre gestimmt ist, ob ich auf der Bühne jemanden anremple oder was weiss ich was. Ich öffne mich total, lass mich gehen, und das ist etwas, das ich nicht mehr missen möchte. Da fallen mir SUGAR SHACK ein. Die waren cool, haben klasse Shows gespielt, aber nachdem die mit uns gespielt haben, fingen die plötzlich an, sich viel mehr zu bewegen.

Dieses Ding mit der Bühnenpräsenz ist echt so ein Problem: die wenigsten Bands, und erschreckenderweise auch viele junge Bands, stehen unglaublich steif auf der Bühne.

Das Problem ist, dass heutzutage so viele Bands einfach eine gute Show abliefern wollen, sich darauf konzentrieren, sich nicht zu verspielen und immer ein sauber gestimmtes Instrument zu haben. Darüber vergessen sie den simplen, verrückten Spass, den man live haben kann: du stehst auf einer Bühne, ein paar Freunde sind da, warum nicht einfach einen draufmachen? Aber dieses verklemmte Bühnenverhalten so vieler Bands ist für mich auch symptomatisch dafür, wie und was Punkrock heute ist - nämlich nicht mehr das, was es anfangs mal war: jeder kann das machen, was er will, und wenn es glaubhaft rüberkommt, stehen die Leute drauf. Was uns betrifft, so versuchen wir nicht irgendwie rüberzukommen, aber das, was wir machen, scheint die Leute zumindest zum Nachdenken anzuregen - und man erinnert sich an uns. Die QUADRAJETS zum Beispiel: die habe ich mal anlässlich des "Garage Shock"-Festivals sämtlich massakriert. Ich konnte mich zwar nicht mehr dran erinnern, aber ich habe dem einen wohl mit der Gitarre die Brille zertrümmert und die anderen haben Schläge eingesteckt. Ich kann mich daran zwar nicht mehr erinnern, aber man hat es mir erzählt. Bei der Gelegenheit sind uns auch mindestens fünfmal die Verstärker umgefallen, was uns nicht weiter scherte. Am nächsten Abend waren die QUADRAJETS dann so besoffen, dass sie beschlossen, uns zu übertrumpfen. Und es war unglaublich: die Leute waren entweder begeistert oder entsetzt. Wenn du jetzt mal nachdenkst, dann sind es doch genau diese Konzerte, an du dich später noch erinnerst, und nicht an die perfekten Shows, bei denen alles glatt läuft.

Wie erreicht man als Band diesen Punkt?

Du darfst dir keine Gedanken darüber machen, was du tust. Wenn du im Kopf hast, dass da dieser Typ von diesem deutschen Fanzine im Publikum ist, der sicher dies oder das erwartet, dann kann das nicht funktionieren. Nein, du musst einfach spielen, alles um dich herum vergessen, und dann kann das eine gute Show werden. Und ich muss live doch nicht beweisen, dass ich fehlerfrei Gitarre spielen kann, denn das ist auf meinen Platten dokumentiert. Und wenn jemand nach einem LORD HIGH FIXERS-Konzert denkt, Tim Kerr könne nicht Gitarre spielen, dann ist mir das völlig egal. Aber ich gebe zu, es ist schwer, diesen Punkt zu erreichen, und das Publikum riecht geradezu, wenn man sich bei sowas verstellt. Deshalb ist etwa auch eine Band wie FUGAZI live so unglaublich: die sind absolut echt, die meinen, was sie machen und sagen. Und das ist auch bei den MAKERS und den FIREBALLS OF FREEDOM so, und auch bei den FATAL FLYING GUILLOTINES. Die sind wie eine weiterentwickelte Version von NATION OF ULYSSES. Generell stehe ich auf Bands, bei denen man nicht weiss, was kommen wird. SUGAR SHACK waren so ein Fall, und auch die ONYAS: da weiss man nicht, ob sie nicht zu besoffen sein werden, um zu spielen. Das ziehe ich in jedem Fall einer Band vor, die klingt wie auf Platte.

TEIL 2: THE BIG BOYS

Wie fing das damals an?

Puh, okay: die erste Band waren die BIG BOYS, die nächste POISON 13, dann BAD MOTHER GOOSE & THE BROTHERS GRIMM, dann MONKEYWRENCH, dann JACK O´FIRE, dann KING SOUND QUARTET, dann LORD HIGH FIXERS. Das waren alle Bands, in denen ich bisher gespielt habe. Aber es fing alles mit den BIG BOYS an. Ich erinnere mich, wie damals in einem Sommer wir und andere lokale Bands wie die DICKS so zum Spass noch eine Nebenband hatten. Meine Nebenband waren die COURT REPORTERS. Wir klangen ziemlich nach GANG OF FOUR, und da entstand übrigens auch der Song "Jump the fence", den David von den COURT REPORTERS und ich geschrieben haben. Naja, damals ging das eben los, und seitdem hat das nicht mehr aufgehört mit mir und der Musik. Es ist einfach passiert, genau wie mit der Produzentensache: ich habe mich nie aufgedrängt oder besonderen Ehrgeiz gezeigt, Freunde haben mich eben gefragt und ich habe es gemacht. Ich mag es bis heute nicht, mich als Künstler, Musiker oder Produzent zu bezeichnen, das ist nicht mein Ding - genau wie diese South-By-Southwest-Musikmesse. Es ist zwar klasse, Leute wie dich zu treffen, aber es ist nicht meine Sache.

Zurück zu den BIG BOYS: In Sachen Punkrock ist das sicher die Band, mit der man dich heute am meisten in Zusammenhang bringt.

Schwer zu sagen, aber wenn, dann eher bei den Punks, ja. In Seattle dagegen kennen die Leute meinen Namen wegen POISON 13. Das erstaunt mich immer wieder, aber wenn du in Seattle jemanden nach einflussreichen Bands fragst, wird die Antwort POISON 13 und TALES OF TERROR sein, eine sehr gute Band aus San Francisco. Naja, und es wird behauptet, diese beiden Bands hätten die Saat gesät, aus der später Grunge entstanden ist.

Ich denke doch, dass es in Deutschland vor allem die BIG BOYS sind, mit denen man den Namen Tim Kerr assoziiert.

Und das ist erstaunlich, wirklich, und ich bin stolz darauf. Dabei habe ich über all die Jahre immer meinen Job in der Uni-Bibliothek gehabt - ich hab´ den auch heute noch, und bei mir auf der Arbeit weiss keiner, was ich sonst so mache, die können mit all den Namen gar nichts anfangen. Ich arbeite auch noch nebenher in einem Laden namens "Stained Glass", einer Werkstatt für Glasmosaikarbeiten, und zu der Zeit, als ich bei MONKEYWRENCH spielte, waren Johnathan und Bruce von SubPop wegen SXSW in Austin. Die wollten sehen, wo ich arbeite, also habe ich sie zu "Stained Glass" mitgenommen und meiner Kollegin dort vorgestellt. Kathleen ist in meinem Alter, ich stellte die drei einander vor und erklärte, dass die beiden ein Label namens SubPop machten. Das kannte sie nicht, auch die Namen SOUNDGARDEN und MUDHONEY sagten ihr nichts, sondern erst NIRVANA. Und genauso sollte es auch sein! Es gibt ein Leben ausserhalb der Musik, und warum sollte auch jeder sowas wissen? Es ist absolut nicht selbstverständlich, dass jemand diese Namen kennt, und deshalb freut es mich immer, wenn Leute in Bands meinen Namen und meine Bands kennen. Ich habe wirklich einige Jahre gebraucht, um mich daran zu gewöhnen, dass man mich bzw. meinen Namen kennt, dass gerade auch die BIG BOYS bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Wie sah seinerzeit dein Zugang zu Punkrock, zu Musik allgemein aus?

Ich habe in der Grundschule angefangen Gitarre zu spielen, natürlich eine akustische. Ich spielte Sachen wie Nick Drake oder John Martin, und ich beherrsche das auch heute noch, was, wenn ich das spiele, manche Leute doch sehr verwirrt. Später dann ging ich hier in Austin aufs College, und zu dieser Zeit, es muss so ´77/´78 gewesen sein, ging es dann mit Punkrock los. Es ging alles sehr schnell. Erst sahst du Leute wie Elvis Costello oder DEVO, und dann liefen auch schon die ersten rum, die sich kleideten wie GENERATION X. Ich arbeitet damals in einem Plattenladen, hörte die neuen Platten, die rauskamen, und fand Gefallen an dem, was ich hörte. Allerdings waren von Anfang an eher die THE CLASH mein Ding als die SEX PISTOLS. Damals stand ich einfach nicht so auf diesen Rock´n´roll in ROLLING STONES-Tradition - was nicht bedeuten soll, dass ich GENESIS mochte. Nein, mein Ding waren eher so Akustik-Sachen. Damals kaufte ich mir zum Beispiel "Pink Flag" von WIRE und verstand diese Platte einfach nicht. Aber ich behielt sie, und ein paar Monate später machte es dann klick und es war für mich eines der besten Alben überhaupt. Ich und Beth, meine Frau, waren auch damals schon zusammen, und wir gingen gar nicht so viel aus, ja, zu Konzerten, aber nicht in Bars oder so. Aber wir fuhren Skateboard, jeder bei den BIG BOYS skatete. Chris war damals noch in der Highschool, und Biscuit hing immer mit uns ran - der hatte Haare bis zum Arsch. Plötzlich waren die dann ab, er erzählte was von einem Laden namens "Raul´s", was da so abging, und so gingen Beth, Chris, Rob und ich da eines Tages hin. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich nicht besonders wohlfühlte, ich hatte eben keine Bar-Erfahrung. Eine Band spielte, und ich machte die Erfahrung, dass das Publikum offensichtlich genauso wichtig war wie die Band, und diese Erfahrung hat mich völlig euphorisiert.

Jetzt muss ich etwas weiter ausholen: Chris spielte zu der Zeit in einer Band, und ich weiss nicht, wie es in Deutschland ist, aber in den USA gibt es in der Highschool-Zeit immer jede Menge Bands, und zu der Zeit spielten natürlich all diese Bands AC/DC, RUSH und so weiter nach - Bands, die ich mir nie angehört hatte. Naja, und irgendwie hatten wir nach diesem Barbesuch die fixe Idee, dass wir auch mal in "Raul´s" spielen wollten. Dazu mussten wir aber erstmal eine Münze werfen, um zu entscheiden, wer von uns beiden jetzt Bass spielt, denn wir waren beide Gitarristen. Chris bekam den Bass, ich die Gitarre, und ich bin mir sicher, wäre die Münze anders gefallen, hätte die Band ganz anders geklungen. Chris ging dann zum Booker von "Raul´s", fragte ihn, was machen müsse, um hier zu spielen, und der meinte nur, wann wir spielen wollen. Wir fragten dann Biscuit, ob er singen wolle, denn er sang beim Skaten oft alte Soul- und Rhythm&Blues-Songs, und damit fing alles an. Wir wollten eigentlich nur dieses eine Konzert spielen, aber irgendwie entwickelte sich dann alles von ganz alleine. Bei POISON 13 war das später genauso, das sollte auch eine einmalige Sache von mir und Mike werden, denn er ist unglaublich schüchtern - auch heute noch.

Wie ging es dann weiter?

Die "Szene" war anfangs sehr, sehr klein, und was sich früh abzeichnete war die Notwendigkeit "All Ages"-Shows zu spielen. Das geschah ganz unabhängig voneinander in vielen Städten und Regionen im Land, und es waren meist Bands, die anfingen Konzerte zu veranstalten, um sicherzustellen, dass ihre Freunde und auch sie selbst überhaupt zu einem Konzert gehen können. Es geschah alles sehr selbstverständlich, wir waren Kids, die am Wochenende nichts besseres zu tun hatten, als mit der Band zu proben, und Platten wurden gemacht, einfach um zu dokumentieren und nicht um damit Geld zu verdienen. Es war einfach eine komplett andere Zeit damals, das ist mit heute einfach nicht zu vergleichen. Ich habe auch eine Theorie dazu: Ich denke, die ursprünglichen Beatniks, die ursprünglichen Hippies und die ursprünglichen Punks und die ursprünglichen Techno-Kids, die verbindet alle der gleiche Spirit. Und der ist vorhanden, bevor auch nur irgendwer einen Namen für die ganze Sache hat, der zieht sich durch all dieses Bewegungen. Sobald die Sache dann einen Namen hat, zieht es Mengen von Leuten an und das, was es ursprünglich mal war, geht zu einem guten Teil verloren. Das Gute an Texas war damals, dass es so abseits von allem war. In New York, in Los Angeles, gab es beispielsweise eine ungeschriebene Hardcore-Kleiderordnung, die Leute, die zur Szene gehörten, sahen alle sehr ähnlich aus. Wir hier in Austin hatten sowas nie, jeder lief so rum, wie er wollte, aber wir sahen uns trotzdem als Hardcorebands an. Als dann die BUTTHOLE SURFERS, die DICKS oder wir nach Los Angeles fuhren, um Konzerte zu spielen, verstanden die Szeneleute dort gar nicht, was wir wollten: wir passten nicht in ihr Klischee, weder vom Outfit noch vom Musikstil her.

Und heute muss ich sagen, dass ich schon ziemlich stolz darauf bin, wie Bands aus dieser Stadt viele andere Bands beeinflusst haben. Die OFFENDERS zum Beispiel: die spielten zusammen mit CORROSION OF CONFORMITY ein Konzert hier in Austin. COC spielten damals noch straighten Hardcore, ohne jeden Metaleinfluss. Die OFFENDERS dagegen hatten diesen Metaleinfluss, und während ihres Auftritts standen die COC-Leute mit offenen Mündern neben der Bühne, und ab da fingen auch sie an, diese Metalelemente in ihre Musik einzubauen. Oder nimm eben die BUTTHOLE SURFERS, SCRATCH ACID, THE DICKS - all diese Bands haben so viele andere Bands beeinflusst. Was nicht bedeutet, dass diese Bands immer schon hier in der Stadt geschätzt wurden: POISON 13, die als Erfinder des Grunge bezeichnet werden, zogen hier mit etwas Glück 40 Leute. Aber das war auch irgendwie Teil des Ganzen: wir wussten, dass wir die Leute ankotzen, und es war cool.

TEIL DREI: POISON 13 und MONKEYWRENCH

Tim, wann hast du angefangen Platten zu produzieren?

Ich habe von Anfang an unsere Sachen produziert, habe sehr viel von Spot gelernt. Gegen Ende von POISON 13...

Wann war das?

Hm, dazu hole ich etwas weiter aus, denn es gab drei verschiedene "Inkarnationen" von POISON 13. Zum einen die ursprüngliche Band, die auf den beiden Platten zu hören ist. Dann gab es so gewisse Probleme zwischen mir und Chris, weil er etwas getan hatte, was man unter Freunden nicht macht und auf das ich jetzt nicht im Detail eingehen möchte. Also verliessen ich und der Drummer die Band und gründeten noch in der gleichen Nacht BAD MOTHER GOOSE. Das war 1985. Bei BAD MOTHER GOOSE hatten wir dann drei verschiedene Sänger: eine schwarze Frau, einen schwarzen Mann, und ´nen Weissen. Letzterer, Billie, war auch mal bei BOY PROBLEMS, einer der ersten Punkbands von Austin, und später bei den INSERTS. In dieser Nacht jedenfalls sprach er mich an, ob ich nicht mit ihm diese Funk-Band gründen wolle. Ich sagte dann zu ihm, wenn er wirklich Funk spielen wolle, dann stilistisch sauber: nicht Funk-Rock, nicht Funk-Punk. Er war einverstanden und die Band stand. Weil Billie und ich in der Band waren, kamen von Anfang an viele Leute zu den Shows, und auch deshalb, weil ausser uns sonst niemand solche Musik spielte, nämlich diesen alten KOOL & THE GANG-Sound und nicht diesen modischen Funk-Sound à la RED HOT CHILI PEPPERS.

Wie erklärst du dir, dass die Leute bereit waren, sich auf euren Funk einzulassen? Ich meine, unter Punk- und Hardcore-Fans gibt´s sicher populärere Stilrichtungen.

Naja, aber zum einen ist Texas eben ein Sonderfall, zum anderen hat mir diese Voreingenommenheit am Punk noch nie gefallen. Für mich sind John Coltrane und BLACK FLAG so ziemlich das gleiche und genauso cool. Musik ist entweder gut oder schlecht, kommt von Herzen oder nicht, nur das zählt. Aus einem dummen Vorurteil heraus irgendwas nicht anzuhören ist völlig ignorant. Das macht mich auch weniger wütend als vielmehr traurig, weil derjenige so etwas verpasst. Das ist so, wie wenn du dein ganzes Leben lang immer den gleichen Fastfood-Frass isst und nie was anderes probierst. Für mich greift in der Musik das eine ins andere, da kann man keine scharfen Trennlinien ziehen. Ich habe aber natürlich über die Jahre hinweg immer wieder feststellen müssen, dass die Mehrheit der Leute in solchen klar abgegrenzten Kategorien denkt. Aber um auf POISON 13 zurück zu kommen: Chris wollte die Band damals in einer Richtung wie später JUNKYARD drücken. Mike allerdings war eher ein Fan von Garagepunk, stand auf die CRAMPS und Psychobilly-Sachen und wollte nicht so richtig loslegen mit der Band. Chris brachte dann diesen Typen aus LA an, um Gitarre zu spielen, und POISON 13 machten es so noch ungefähr ein Jahr. Parallel dazu spielten da schon BAD MOTHER. Chris hatte dann von Austin die Nase voll, zog nach Hollywood und versuchte vergeblich Bill und Mike zu überreden, nach Kalifornien zu gehen. Er gründete dann später in Los Angeles JUNKYARD, und Mike und Bill fragten mich, ob ich nicht wieder bei POISON 13 spielen wolle. Zu der Zeit lief es mit BAD MOTHER aber ganz gut, und ich wollte die Band nicht einfach wieder aufgeben. Ich spielte dann eine Weile in beiden Bands, aber POISON 13 nahmen in dieser Besetzung keine Platten mehr auf. Dafür stammt viel von den frühen MONKEYWRENCH-Sachen aus der POISON 13-Spätphase. Dabei gab es zwei Arten von Songs: meine, was kein Problem war, sowie die von Mike, bei denen niemand ausser ihm die Texte kannte, und Mike war weg. Damals wusste keiner, wo er ist, er war einfach verschwunden: er war damals ein ganz übler Alkoholiker, der soweit war, dass er sogar schon Blut kotzte. Dass wir nun Songs von ihm mit MONKEYWRENCH spielten war seiner Erinnerung gewidmet, mit dem Hintergedanken, dass manche Leute dann vielleicht auf seine früheren Bands stossen würden. Was meine Songs anbelangt, so stand ich in der Spätphase von POISON 13 - und das merkt man den Songs auch an - auf BLUE CHEER. Ja, das war so ungefähr die POISON 13-Geschichte.

Wie ging es dann weiter?

Es lief ganz gut für uns, aber ich hörte jahrelang nichts von Mike. Erst später, als JACK O´FIRE...

Wann war das genau?

MONKEYWRENCH liefen so ´90/´91. Und damals stieg ich dann auch bei BAD MOTHER aus. Es war mir einfach zu viel geworden: wir waren zu acht in der Band, die Band wurde immer bekannter, und ich sagte, ich würde jemand anderem meine Gitarrenparts beibringen und aussteigen. Zu der Zeit ging der Kampf der Labels um die Band los, alle machten Angebote, und ich lernte damals sehr viel über diesen Business-Scheiss. Ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ich mir Fragen gefallen lassen müsste, warum ich dies oder jenes getan habe. Und ich wäre dann in der Situation rumzudrucksen und etwas zu erklären zu müssen, was ich gar nicht erklären will. Also zog ich die Konsequenz, denn entweder machst du was und stehst dazu, oder du lässt es bleiben. Ausserdem war ich zu dem Zeitpunkt auch schon seit ´85 oder ´86 in der Band. MONKEYWRENCH waren aber kein Produkt meines Ausstiegs bei BAD MOTHER, nein. Es hätte sie auch so gegeben. Dann war es aber auch bald schon wieder mit MONKEYWRENCH vorbei, und ich hatte gar nicht gross das Bedürfnis nach einer neuen Band, denn zu dem Zeitpunkt war ich seit ´78 ununterberochen in Bands gewesen und wollte, dass auch Beth mal die Möglichkeit hat was für sich zu machen, anstatt immer hinter meinen Aktivitäten zurückzustehen. Aber es gibt eben auch noch ein Leben ausserhalb der Musik.

TEIL VIER: JACK O´FIRE

Trotzdem ging es bald mit JACK O´FIRE weiter.

Ja. Walter, der Typ, der bei JACK O´FIRE die Harfe spielte, war immer ein grosser POISON 13-Fan und vorher in einer Band, die, glaube ich, THE GO-DEVILS hiess. Er fragte mich dann eines Tages, ob ich nicht auf der Geburtstagsparty einer Freundin spielen wolle. Ich verstand das so, dass es eine einmalige Sache werden sollte, aber er meinte, ich sollte mit ihnen proben. Ich hatte darauf aber keinen Bock und schlug ihm vor, dass ich bei ein paar Songs Gitarre spielen würde, mehr aber auch nicht. Für ihn war das dann o.k. Zu dem Zeitpunkt kam dann Josh ins Spiel, der später bei RAIN LIKE THE SOUND OF TRAINS spielte und bei SEVENS, und der heute bei den SWORDS spielt. Er stand kurz davor, nach Washington D.C. umzuziehen, wohnte noch einen Monat hier in Austin und wir fragten, ob er bei uns spielen wollte. Er wollte, und wir machten diesen einmaligen Auftritt zusammen, die Band hatte nicht mal einen Namen. Zu dem Zeitpunkt arbeitete ich zeitweise noch im Büro der Managerin von BAD MOTHER, und Jen, so hiess die Dame, und die fragte mich dann unvermittelt, ob ich nicht mit meiner Band auf diesem Akustik-Festival spielen wolle. Ich dachte, sie redet von MONKEY WRENCH, und meinte, die anderen hätten wohl kaum Lust, deswegen von Seattle nach Austin zu kommen. Sie lachte und meinte, sie hätte von der neuen Band gesprochen. Ich meinte, wir hätten nur drei Songs, sie meinte, wir bräuchten nur fünf und würden $150 Gage bekommen. Ich rief Walter an, er wollte, und so tauchten wir dann bei diesem Akustik-Festival auf, spielten unsere paar Songs und das Publikum sass da und klatschte artig. Das ging mir so auf die Nerven, dass ich nachher zu den anderen sagte, wir hätten uns besser mit abgefuckten Amps auf die Bühne stellen, nur Billy Childish-Coversongs spielen sollen und hätten damit alle Leute angepisst.

Ich erzählte das meinem Freund Andy, einem grossen Childish/HEADCOATS-Fan, und er buchte für uns einfach eine Show in Houston. Josh war da schon kurz vor der Abreise nach D.C.,, aber wir spielten das Konzert, spielten nur Coverversionen, und das Publikum bestand zur Hälfte aus Leuten aus Austin und feierte uns. Wir müssen sehr beeindruckend ausgesehen haben: ich mit meiner abgefuckten Gitarre, dann dieser langhaarige Zweimeter-Mann mit seinem Stand-Up-Bass, Walter mit seinen Feedbacks. Kaum waren wir in Austin, wusste auch schon jeder von dem Konzert und war angepisst, weil wir nicht in Austin gespielt hatten. Also spielten wir vor Joshs Abreise noch ein Konzert in Austin, zu dem ich die hiesige Scooter-Crew einlud, und wir hatten eine phantastische Soul-Dance-Party.

Das war das dann das Ende der Band?

Ja, dachte ich. Josh war in D.C., ich war froh, endlich aus allen Bands raus zu sein und Zeit zu haben, mich mal um was anderes zu kümmern. Doch es kam anders: Tom, der mit mir bei MONKEYWRENCH spielte, war ja auch noch bei GAS HUFFER und hatte auch noch diese Surf- Band THE DEL LAGUNAS. Und dann hatten die MONOMEN, die Band von Dave Crider von Estrus Records, den ich vorher nicht kannte und auch nicht seine Band, in Seattle ihre Record-Release-Party. Die DEL LAGUNAS spielten auch, ich sass hinter dem Mischpult und sollte eine Live-Aufnahme machen. Ich traf Dave dann an diesem Abend das erste Mal. Wir tauschten ein paar Worte aus, er erzählte mir, wie sehr ihm POISON 13 gefallen hatten, und das war´s auch schon. Zeitsprung. Die MONOMEN sind für Austin im Emo´s angekündigt. Dave Crider hatte irgendwie von unserem Auftritt eine Weile vorher in Austin Wind bekommen, und als man ihn fragte, wen er sich als Vorband der MONOMEN wünsche, sagte er "Tims Band". Tja, die gab´s aber nicht, das sagte man ihm auch, und er rief mich persönlich an. Ich sagte, wenn jemand Joshs Flug von D.C. nach Austin bezahlt, spielen wir noch eine Show - ich muss verrückt gewesen sein. Und ja, so lief´s dann auch. Josh kam kurz vorher nach Austin, wir übten noch ein paar Songs ein und nahmen das Ganze auf Tape auf - das waren dann auch die Songs der ersten Singles. Ich nahm das mit einem Mikro und einem DAT-Recorder auf und das "Abmischen" bestand daraus, dass ich den Jungs sagte, sie sollten sich auf mein Kommando zum Mikrofon hin oder davon weg bewegen. Walter und Dean hatten zwar ihren Spass daran, aber wie ich später herausfand, konnte Walter eigentlich gar nichts mit Punk anfangen, war eher an Blues interessiert. Beide, so stellte sich später heraus, spielten aber mit, weil es ihnen Spass machte, mit mir in einer Band zu sein. Ach ja, das Konzert: Josh und ich scherzten noch rum, dass uns Dave nach diesem Konzert sicher fragen würde, ob wir auf seinem riesigen alljährlichen "Garage Shock"-Festival spielen wollten. Uns gefiel der Gedanke, weil wir dann die MUMMIES umsonst sehen könnten, und was soll ich sagen? Wir sind kaum von der Bühne runter, kommt Dave schon an und fragt, ob wir nicht beim "Garage Shock" spielen wollten. Josh und ich schauten uns nur an und lachten.

Und wie ging´s weiter?

Dann wollte Dave natürlich auch eine Platte machen, und ich muss sagen, ich schäme mich heute noch dafür, aber es ist eine Tatsache: ich wollte damals absolut nicht in einer Band sein! Ich machte dann für mich persönlich klar, dass wenn es weitergehen sollte, eines klar sein müsste: ich wäre derjenige, der in der Band das Sagen hat. Ist sonst nicht mein Ding, ich hatte das noch nie so gehandhabt, aber das war meine Bedingung. Es war o.k. für alle Beteiligten, die Platte kam, und es ging irgendwie weiter. Es stellte sich dann aber heraus, dass Walter so seine Probleme mit der Band hatte: er spielte zwar "12 XU" auf der Harmonika und es klang unglaublich gut, aber er hat nie verstanden, was er da eigentlich macht. Das war die Situtaion, in der plötzlich Mike wieder auftauchte. Du erinnerst dich, Mike, der krasse Alkoholiker, der zuvor einfach verschwunden war. Es war unglaublich, und mir und Beth kommen heute noch die Tränen, wenn wir daran denken.

Was war geschehen?

Wir hatten alle gehofft, dass Mike bei seinen Eltern rumhängt. Angerufen hatte allerdings keiner von uns, weil wir Schiss hatten vor der Konsequenz, wenn er nicht da gewesen wäre, verstehst du? Irgendwann rief dann seine Mutter bei uns an und fragte, ob wir wüssten, wo Mike ist. Beth war am Telefon und sagte, sie hätte gedacht, er sei bei ihr. Die Mutter sagte dann, Mike hätte mal gesagt, wenn jemand wisse, wo er steckt, dann seien das wir. Das war die Situation, ein Jahr verging, und dann riefen wir doch noch bei seinen Eltern an - und Mike war da! Ich sprach mit ihm, es war okay, aber danach verloren wir wieder den Kontakt. Das war, glaube ich, zu der Zeit, als BAD MOTHER in den letzten Zügen lagen und MONKEYWRENCH gerade loslegten. Ich schrieb Mike damals auch einen Brief. Ich wusste ja auch nicht, was mit ihm geschehen war, ob er einen Entzug hinter sich hatte, ob er deshalb den Kontakt zu allen alten Freunden abgebrochen hatte. Keine Reaktion. Dann, Jahre später, ruft mich Beth auf der Arbeit an, sagt, sie habe gerade mit Mike gesprochen und er werde mich morgen anrufen. Er rief an, wir telefonierten ewig, ebenso in den nächsten Tagen und er sagte, er werde mich besuchen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir nie über Musik gesprochen, ich wusste ja nicht, was für ihn Sache ist. Am ersten Abend sprachen wir dann darüber, was passiert war...

Nein, ich muss weiter ausholen. MONKEYWRENCH haben nur ein paar Konzerte gespielt, nur in Seattle, und die anderen wollten unbedingt "One step closer" von POISON 13 spielen. Ich zögerte, die anderen überredeten mich, und es war mit diesem Song wohl so für die Leute in Seattle wie "Stepping stone" für die Szene in Washington D.C. Wir spielten also "One step closer", der ganze Saal sang mit, und es war unglaublich - in Austin waren wir eine Band gewesen, bei der mit viel Glück 30 Leute auftauchten! Der Rest hasste uns: wir spielten langsamer als man es gewohnt war, dann auch noch Blues, waren völlig besoffen und hatten beschissenen Sound. Ich war also völlig überrascht, als alle Leute in Seattle mitsangen, so überrascht, dass ich einfach aufhörte zu spielen. Das alles erzählte ich Mike, einfach um im klar zu machen, dass nach der Hölle, durch die er ging, etwas geblieben ist von seiner Musik. Er sagte, er habe MONKEYWRENCH gehört, finde es gut, ich sagte, viele hätten POISON 13 rereleasen wollen, ich aber nicht zugestimmt, weil ich nicht wusste, ob er das wolle. Wir plauderten so über dies und das, und dann liess Mike die Bombe hochgehen: er fragte, ob wir nicht ein Konzert spielen könnten. Ich konnte nicht glauben, was ich gehört hatte, nach all dem, was geschehen war und auch weil Mike früher so schüchtern gewesen war, dass er nur völlig betrunken den Mut hatte, auf die Bühne zu gehen.

TEIL 5: THE LORD HIGH FIXERS

Wir überlegten, wie wir die Sache angehen sollten, und kamen mit der Idee an, eine JACK O´FIRE-Single aufzunehmen mit ihm als Sänger, und wir würden einen POISON 13-Song aufnehmen. Wir gingen ins Studio, liessen die Bandmaschine laufen, und als Mike dann mit seiner unnachahmlichen Stimme loslegte, wussten wir einfach "Das ist es!". Damals hatte ich noch gar keinen richtigen Eindruck davon, was das alles für Mike bedeutete, das kam mir erst später: er wollte sich und uns beweisen, dass er in der Lage ist, auch nüchtern vor so vielen Leuten zu stehen. Wir spielten das erste Konzert dann am Neujahrstag. Mike stampft auf die Bühne, reisst das Mikro aus dem Ständer, packt den und bricht ihn auseinander. Alle standen mit offenem Mund da. Mike redete dann eine Weile um den heissen Brei herum, erzählte, wie gern er wieder in einer Band spielen würde, fragte mich aber nicht direkt, da er wusste, dass ich eigentlich keine feste Band mehr haben wollte. Er hatte sogar schon einen Namen, nämlich THE LORD HIGH FIXERS. Er hatte in der Zeit davor viel Zeit am Computer zugebracht, und "Lord High Fixer" ist ein Begriff aus der Welt der Hacker. Wenn du Hacker bist und eine Antwort auf eine schwierige Frage brauchst, ist der "Lord High Fixer" die letzte Instanz. Mir gefiel der Name, wir sprachen darüber, wer in der Band sein könnte. Ich dachte an Andy, er an Robbie, den Bassisten. Als ich Robbie dann fragte, wollte er, dass auch Stefanie mitspielt. Robbie und Stefanie hatten zuvor bei den SPOILERS gespielt, einer Instrumentalband mit Link Wray-Touch, die ich mal aufgenommen hatte. Bis dahin stand noch gar nichts fest, wir redeten einfach nur. Dann kam die POISON 13-Scheibe auf SubPop und wir spielten dieses Reunion-Shows. Zu der Zeit sagte dann Walter, er habe keine Lust mehr auf JACK O´FIRE, und Dave Crider hatte für Halloween dieses Festival organisiert. Es handelte sich angeblich um eine verhexte Bowling-Alley in Bellingham, wo das stattfinden sollte, und ehrlich, die eine Bahn dort liess sich absolut nicht spielen. Wir sollten da mit JACK O´FIRE spielen, aber die Band existierte nicht mehr. Ich habe dann dummerweise erzählt, dass POISON 13 hier in Austin eine Reunion-Show spielen würden, und Dave ist natürlich ausgerastet. Er meinte, wir müssten unbedingt in Bellingham spielen. Das liegt bei Seattle, und auch zu diesem Zeitpunkt waren POISON 13 dort immer noch sehr beliebt - und hatten doch niemals da gespielt. Als nächstes rief ich Jonathan bei SubPop an, erzählte ihm von diesem Plan und er war einverstanden. Logisch, dass das Konzert sofort ausverkauft war - so schnell, und Dave Crider und Eddie Vedder haben mir das unabhängig voneinander erzählt, dass selbst Eddie Vedder keine Karte mehr bekommen konnte.

Wie lief das Konzert?

Es lief phantastisch! Es machte riesigen Spass, und der einzige unabhängige Zeuge, der uns sowohl damals in Austin wie dann in Bellingham gesehen hatte, bestätigte das: Tom von den U-MEN, die mal mit uns in Austin gespielt hatten. Der hat auch viel dazu beigetragen, uns in Seattle bekannt zu machen, denn sie coverten uns. Dort in der Kegelbahn habe ich dann auch die MAKERS kennengelernt, die heute zu unseren grössten Freunden gehören. Nach dem Konzert war Dave natürlich überglücklich und meinte, wir müssten unbedingt beim "Garage Shock" spielen. Ich meinte nur, dass POISON 13 das auf keinen Fall machen würden, worauf er antwortete, er habe auch von meiner neuen Band geredet. Ich war erstaunt, sagte, wir hätten noch nie live gespielt, aber er meinte, die LORD HIGH FIXERS würden beim "Garage Shock" spielen. Tja, er sollte recht behalten. Seitdem gibt´s die LORD HIGH FIXERS, und es macht ungeheuren Spass, mit dieser Band zu spielen, wobei wir die LORD HIGH FIXERS gar nicht als Band ansehen. Wir sind einfach sehr enge Freunde, die zusammen Musik machen und Spass haben.

Um nochmal auf POISON 13 zurückzukommen: wie kam es denn, dass ihr gerade im Nordwesten so bekannt geworden seid?

Zum einen durch Tom von den U-MEN, wie ich eben schon erzählte, zum anderen durch David Nobody, der lange in Austin gelebt hatte und dann nach Seattle zog, wo er einer der ersten Sänger bei GIRL TROUBLE war. Er hatte natürlich Platten von POISON 13, den DICKS und den BIG BOYS im Gepäck und "infizierte" die Leute damit - auf Parties, in Clubs und so weiter. Und so kam es, dass später dann Bands wie die SUPERSUCKERS uns coverten.

Du hast schon mehrfach Platten für Empty Records aus Seattle produziert. Wie kam dieses Verbindung zustande?

Genau weiss ich das auch nicht mehr, aber ich kann mich noch genau erinnern, wann und wo ich Blake das erste Mal traf. Nämlich bei einem der ersten LORD HIGH FIXERS-Konzerte hier in Austin, während der SXSW. Wir spielten in dieser Lagerhalle bei einer Party, und aus irgend einem Grund war die Bühne eine Skate-Ramp. Wir rutschten beim Spielen ständig aus, das war völlig bescheuert, stolperten hin und her. Und warum auch immer, plötzlich nahm ich meine Gitarre und warf sie dem erstbesten im Publikum zu - und das war Blake. Was die Produktionen für Empty anbelangt, so kannte ich die MOTARDS, die ja aus Austin kommen, schon lange, und als sie dann auf Empty waren, produzierte ich sie weiterhin. Die Verbindung zu den FIREBALLS OF FREEDOM kam über die MOTARDS zustande, denn Toby hatte mir von ihnen erzählt und behauptet, sie kämen live den LORD HIGH FIXERS sehr nahe. Toby gab mir das Tape, mir gefiel ihr relativ Detroit-lastiger Sound, und als Blake mich dann später fragte, ob ich die Produktion übernehmen könne, sagte ich zu und flog nach Seattle. Wir nahmen im Egg Studio auf, wo ich auch schon mit MONKEYWRENCH war, und als die Jungs loslegten, war das sehr beeindruckend. Für mich klang´s wie eine Mischung aus SACCHARINE TRUST, TAR BABIES und was weiss ich noch alles - irgendwie klang´s nach frühen SST-Sachen. Die FIREBALLS spielten dann ein Konzert mit Andre Williams, du weisst schon, der alte schwarze Sänger, der öfters mit den COUNTDOWNS auftritt. Als die FIREBALLS dann loslegten, war es unglaublich: es war Detroit pur, nicht unbedingt exakt wie MC5, aber es kam sehr, sehr gut! Es war ein phantastisches Konzert, und mit diesem Eindruck im Kopf ging ich dann an den Mix heran. Ich wohnte währenddessen bei Blake und Meghan, wir unterhielten uns nächtelang, und seitdem sind wir sehr gute Freunde. Mit den Leuten von den MAKERS und Dave von Estrus sowie den LORD HIGH FIXERS ist das mittlerweile eine Art Familie. Mir ist es sehr wichtig, mit Leuten zu tun zu haben, bei denen die Freundschaft und nicht das Geschäft im Vordergrund stehen.

Wie kamst du dazu Bands zu produzieren?

Das hat sich über die Jahre so ergeben. Ich bin mit meiner Meinung immer sehr offen, die Leute wissen das wohl zu schätzen, und wenn ich eine Band mag, mache ich das schon mal. Ich denke, es ist sehr gut, wenn du als Band jemand hast, der mit dir im Studio ist, dich kennt, aber eben kritisch beurteilen kann, was da passiert. Weisst du, wenn dich jemand fremdes kritisiert, reagieren viele Leute beleidigt, aber bei einem Freund, und ich bin da sehr direkt, ist das was anderes. Bis vor zwei, drei Jahren war ich mir aber nicht mal sicher, dass meine Meinung überhaupt von Bedeutung ist, aber seitdem hat sich das insofern geändert als ich jetzt weiss, dass ich offensichtlich gut bin in dem, was ich mache und die Leute deshalb an meiner Meinung interessiert sind. Meine Herangehensweise ist die, herauszufinden, was die Leute überhaupt machen, und wenn ich das aus ihnen herausgekitzelt habe, dies zu fördern. Du musst als Produzent die Rolle eines zusätzlichen Bandmitglieds übernehmen, sowohl Aussenstehender wie Insider sein. Mittlerweile kommen sogar schon Bands aus dem Ausland auf mich zu und wollen von mir produziert werden. So war ich vor einer Weile in Italien, in Rom, und habe die 2BO´S MANIACS produziert. Die haben billige Tickets gefunden und dann einen Deal mit dem Studio gemacht: Studios sind in Italien sehr teuer, also überzeugten sie den Besitzer, dass sie mich einfliegen, er im Studio von mir noch was lernen könne und sie dafür umsonst aufnehmen. Letztendlich war alles recht hektisch, aber es machte sehr viel Spass.

Es gibt da ein Plattenlabel namens Tim Kerr Records...

Ja, und das hat mit mir überhaupt nichts zu tun. Es gibt ein Label in Portland, das sich früher T/K Records nannte. T/K war mal ein Indie-Label, wurde aber vor ein paar Jahren von einem Major aufgekauft, und da bekamen sie es mit der Angst zu tun, verklagt zu werden, denn T/K Records war auch der Name des Labels von K.C. & THE SUNSHINE BAND. Also änderten sie den Namen in Tim/Kerr Records. Das war exakt zu der Zeit, als ich in Seattle war und mit MONKEYWRENCH aufnahm. Das war ein seltsamer Zufall, wie ich finde. Angeblich gibt es einen Typen in Portland, der als Geldgeber im Hintergrund des Labels fungierte, und der heisst angeblich auch Tim Kerr - ich weiss bis heute nicht, ob das stimmt. Ich machte mir aber keine weiteren Gedanken darüber, bis zum "Garage Shock"-Festival: da traf ich jede Menge Leute aus Australien, Neuseeland, Europa und Japan, die mich auf "mein" Label ansprachen. Ich musste erklären, überlegte mir, was zu tun sei, und wir starteten eine kleine Kampagne in Fanzines, in der wir klarstellten, dass ich mit dem Label nichts zu tun habe. Etwas später rief mich dann der Typ von dem Label an, aber ich machte ihm klar, dass ich dazu nichts sagen würde. Meine Freunde hatten mir nämlich alle geraten, ohne einen Anwalt keine Stellungnahme abzugeben. Es war aber damit klar, dass sie wussten, dass es mich gibt und dass da eine Verwechslung stattfindet - dazu mussten sie ja nur die Besprechungen ihrer Platten lesen, in denen immer wieder erwähnt wurde, dass Tim Kerr doch dieser Typ von BIG BOYS sei. Noch störte mich das alle nicht wirklich, aber richtig sauer wurde ich dann, als mich Leute wegen "meines" Labels anschrieben, mich auf Konzerten ansprachen, und so weiter. Was folgte, waren Telefonate und Schriftwechsel zwischen dem Label und meinem Freund, einem Anwalt aus Houston, der die Sache umsonst übernahm. Bei einem Telefonat meinte der Typ vom Label dann sogar, was überhaupt mein Problem sei, sie hätten ja coole Sachen rausgebracht. Er widersprach sich dann aber ständig, behauptete im nächsten Satz, gar nicht zu wissen, wer ich sei. Dabei wollte mein Anwalt gar nichts besonderes von ihnen, sie sollten nur klarstellen, dass Tim Kerr aus Texas nichts mit Tim/Kerr Records zu tun hat. Dabei war uns klar, dass mit dem Majorlabel im Hintergrund wir vor Gericht keine Chance hätten, weil die einfach mehr Geld haben. Ich rief also meine Freunde bei Dischord, SubPop und Touch & Go an, um zu fragen, ob sie mich bei einem Streitfall unterstützen würden, was mir schon schwer genug fiel, denn ich bin einfach nicht der Typ, der Lust hat auf solche Business-Scheisse. Das Label zog dann den Schwanz ein, für eine Weile erschienen ihre Anzeigen wieder unter T/K Records, bis sie eine Frau aus Texas unter Vertrag nahmen und meinten, unser Vorschlag, den Labelnamen Tim/Kerr Records um den Zusatz "not from Texas" zu erweitern, sei unannehmbar. Seitdem nennen sie sich wieder Tim/Kerr Records, ich bekomme immer noch Briefe, aber die Sache ist letztendlich im Sand verlaufen. Mal sehen, was da noch kommt.