Irgendwie scheint jeder Tiger Lou aka Rasmus Kellermann zu lieben. Egal, ob ihn die Leute liebevoll als „halbes Hähnchen“ (WOM Journal) betiteln, meinen, dass seine Platte Leben rettet (Ox), oder ob sie seine Ex-Freundin zur Rede stellen wollen, da sie ihn als Sell-out beschimpft hat (Intro), jeder scheint eine tiefe persönliche Zuneigung zu Tiger Lou zu empfinden.
Genauso wie in den Print-Medien merkt man dies, wenn man ihn live sieht. Man sieht aus Mädchen bestehende Grüppchen herumstehen, die hinter vorgehaltener Hand tuscheln, und dann wie Schulmädchen kichern. All dies ist zwar ein ziemlich peinliches Szenario, doch kann auch ich nicht umhin, Tiger Lou bedingungslos zu mögen. All dies kommt wohl durch seine ruhige und zurückhaltende Art, durch seinen wundervollen schwedischen Akzent, wenn er Englisch singt, und last but not least seine herzzerreißenden Songs über Jungs, die man an Tankstellen trifft und über Abende, an denen man so viel trinkt, dass man nach Hause getragen werden muss.
Und da ja Schweden schon immer eine Reise wert war, habe ich beschlossen, Mr. Lou dazu zu nötigen, uns etwas über Stockholm zu erzählen, seine Heimatstadt. So eine Art Stadtführer mit Tiger Lou eben. Seine Antwort darauf war: „Oh Scheiße, ich bin der schlechteste Touri-Führer aller Zeiten!“ Aber auf mein Bitten und Betteln hin ließ er sich doch erweichen, meinte aber, es wäre nichtsdestotrotz am besten, wenn wir einfach nach Södermalm kommen würden, dem Stadtteil von Stockholm, in dem er wohnt, dann würde er mit uns rumhängen und etwas mit uns durch die Stadt laufen. Seiner Meinung nach ist dies sowieso die beste Möglichkeit, eine Stadt kennen zu lernen, einfach herum zu laufen. Ansonsten meint er, es gäbe sehr viele coole Dinge in Stockholm, aber natürlich würde das alles darauf ankommen, wer man ist und aus welchen Gründen man dorthin fährt, was man sehen will und von dem ganzen Urlaub erwartet. Besser als auf ihn zu hören, wäre natürlich auf jeden Fall, sich einen Touri-Führer zu kaufen. Aber wir versuchen es trotzdem, denn meiner Meinung nach lernt man eine Stadt immer am besten kennen, wenn man auf Einheimische hört.
MUSEEN
Hm, ich stehe nicht wirklich auf Museen. Aber ich denke das Naturhistoriska Museet ist ziemlich cool. Dort gibt es ganz viele Tiere und so Zeugs. Wenn man Kinder hat, ist dies der ideale Platz zum Hingehen. Ansonsten ist auch das Museum Moderner Kunst gut, denn sie haben es gerade erst renoviert und nun gibt es dort auch keinen Schimmel mehr.
ESSEN
Bis vor ein paar Jahren gab es dieses Veggie-Restaurant namens „Bagare Henning.“ Es war das beste Restaurant, in dem ich jemals war. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat es nach ungefähr einem Jahr zugemacht. Also würde ich heute jedes Restaurant mit gutem asiatischen Essen empfehlen. All die vegetarischen Restaurants sind in Stockholm echt Scheiße. Ich weiß nicht genau wieso, aber in den ganzen Veggie-Restaurants schmeckt das Essen total gleich, und außerdem sieht es auch noch unappetitlich aus. Das ist wohl das neue „Stockholm Syndrom“. Also geht lieber zu einem guten Asiaten! Ansonsten ist das beste Essen, das ihr in Schweden bekommen könnt, immer noch „Husman“, Hausmannskost. Aber das ist wohl überall auf der Welt so, also lasst euch einfach von ein paar lokalen Freunden zum Essen einladen. Oder kommt wieder bei mir vorbei und ich koche uns etwas.
GOING OUT
Ich denke, meine Lieblingsbar ist „August.“ Dort bin ich so ungefähr jede Nacht. Ansonsten noch „Kvarnen.“ Beide sind die Sorte Bar, in denen es nur ein paar Tische, ein paar Stühle und nicht sehr viel mehr gibt. Beide sind an der Tunnelbana (Stockholms U-Bahn) Station Medborgarplatsen und ein Bier kostet zirka 34 Kronor. Ich trinke beim Weggehen entweder Bier oder Rotwein. Anders als in meinen Songs hat mich aber blöderweise noch niemals irgendjemand heimgetragen. Allerdings wünschte ich einmal nach einer Nacht bzw. an einem Morgen nach einem ziemlich schlimmen Tequila-Wetttrinken, jemand würde mich Heim tragen. Hat aber niemand getan.
Wenn ihr nicht viel Geld habt, geht einfach zum Systembolaget, das sind die staatlichen Alkohol-Läden in Schweden, und kauft euch dort was zu Trinken, und setzt euch an einen der Stockholmer Seen. „August“ ist für Stockholmer Verhältnisse auch sehr billig. Eigentlich sind alle Bars in Södermalm, der Gegend wo ich, wie gesagt, wohne, für schwedische Verhältnisse sehr billig.
Mein Lieblingsclub war immer „Guidelines,“ wenn ein guter DJ aufgelegt hat. Das gibt es aber leider nicht mehr. Ich tanze gern zu House, Drum & Bass und Trance-Musik, bin ein richtiger Raver. Wenn ich eine gute Band sehen will, gehe ich ins „Debaser.“ Es liegt am Karl Johans Torg in Gamla Stan. Dort spiele ich auch gerne Shows.
SHOPPING
Der beste Laden, um Kleidung einzukaufen, ist definitiv Tjallamalla. Er ist in Bondegatan, gleich beim Meborgarplatsen. Es handelt sich dabei um ein kleines Indie-Bekleidungsgeschäft und dort gibt es alle möglichen Styles und Klamotten. Das letzte Kleidungsstück, das ich gekauft habe, war mein zweites Paar Acne Hex Cash Jeans, das sind die allerbesten Hosen, die jemals designed wurden. Ich finde alles an ihnen total toll, vom Design, über den Stoff, bis hin zur Farbe. Es ist fast, als wären sie speziell für mich angefertigt. Ich mag auch Second Hand-Klamotten, allerdings sind alle Second Hand-Läden in Stockholm ziemlich langweilig. Deshalb ist es eher schwer hier, gute Vintage-Sachen zu finden. Ansonsten ist Stockholm ein guter Ort, um sich neue Inspiration für seinen Style zu holen. Die Leute fangen hier zum Glück langsam an aufzuhören, sich die Hosenbeine in ihre Socken zu stopfen, und das ist eine große Erleichterung. Man muss auch inzwischen keine Matte mehr haben, um cool zu sein, und auch das ist eine sehr gute Entwicklung. Heutzutage stehen sehr viele Leute auf den 80er-Jahre-Style. Das bedeutet Puffärmel an übergroßen Pullovern, gefakete College-Sweater etc. Bei manchen Leuten sieht das auch gut aus, aber ich persönlich stehe eher auf schwarze Acne-Jeans, schwarze Acne-Shirts und schwarze Leder-Boots.
Mein Lieblingsplattenladen ist Pet Sounds. Und wieder kann man vom Medborgarplatsen aus hinlaufen. Dort gibt es alle Arten von Musik. Die letzte Platte, die ich gekauft habe, ist „Pink Flag“ von WIRE, eine GANG OF FOUR-Compilation und von NED‘S ATOMIC DUSTBIN „God Fodder“. In letzter Zeit höre ich sehr viel 80er und 90er Jahre Musik. Am meisten bin ich von Bands aus dieser Zeit beeinflusst worden, wie zum Beispiel THE CURE, DEPECHE MODE, AFGHAN WHIGS, SLOWDIVE, SWERVEDRIVER, HOUSE OF LOVE, THE SMITHS etc. An aktuellen Bands mag ich Sachen wie THE WALKMEN, THE CHURCH, INTERPOL, BLOC PARTY, CURSIVE, DJ SHADOW, OPIATE, DUB TAYLOR, etc. Und ich höre auch öfters die Soundtracks von Filmen wie zum Beispiel „Donnie Darko“, „Amelie“, „Das Piano“ oder „Solaris“.
JAHRESZEITEN
Im Sommer hänge ich am liebsten am Nytorget ab, wegen der Leute und der Atmosphäre. Das ist ein sehr kleiner, aber sehr gemütlicher Park. Und er ist nur eine Minute von meiner Wohnung entfernt. Dieser Park ist einer der besten Plätze, an denen man im Sommer rumhängen kann, um Bücher zu lesen, Eis zu essen etc. Nytorget erreicht man am Besten zu Fuß von Medborgarplatsen aus. Wenn ich schwimmen gehen will, dann ist der Astraviken der beste Platz, einer der Millionen Seen in Stockholm. Und wenn ich mal nicht unter Leuten sein will, dann bleibe ich einfach zu Hause.
Im Winter bleibt man in Schweden am besten zu Hause oder geht ins Kino. August ist der beste Monat, um hierher zu kommen, da das Wetter gut ist, die Farben sind zu dieser Jahreszeit wunderschön und alles andere ist im August auch super. Also, packt eure Koffer und kommt im August vorbei!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #56 September/Oktober/November 2004 und Randy Flame
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #128 Oktober/November 2016 und Julia Brummert