THOU

Foto

Immer in Bewegung, immer voran

Die Diskografie von THOU liest sich schon beeindruckend: seit 2007 – also in den letzten drei Jahren – hat die Band aus Baton Rouge, Louisiana drei Alben, sechs EPs und acht Split-Releases veröffentlicht. Auf dem unlängst erschienenen Langspieler „Summit“ haben die Jungs nach dem von ihnen bekannten und gewohnten Prinzip NEUROSIS-Doom, bluesigen Hardcore und verschleppte Black-Metal-Elemente mit zermürbend walzender Zähigkeit zu einer derben und schlammig-fiesen Soundmasse vermengt. Das ist ihnen derart überzeugend gelungen, dass sich nun die Doom-Avantgardisten bei Southern Lord der US-Südstaatler angenommen haben und die Scheibe als Doppelvinyl veröffentlichen werden. Neben der erneut respektabel verwirklichten Verklanglichung ihrer Weltsicht, ist es aber vor allem die beeindruckende Arbeitsethik, welche die Band zu einer positiven Ausnahmeerscheinung in der gegenwärtigen Independent-Klanglandschaft macht. THOU haben eine klare Vorstellung davon, was sie wollen, und beweisen enorm viel Rückgrat bei der Realisierung dessen. In der erfolgreichen Kombination aus harter Arbeit und querstellender Konsequenz zeigt die Band relativ erfolgreich einen möglichen, gangbaren Weg für D.I.Y.-Bands im Post-Label-Zeitalter auf und ist damit so etwas wie ein Musterbeispiel.

Was ist euer genereller Ansatz, eine Rock-Band wie THOU zu betreiben?

Wir haben alle einen D.I.Y.-Punk-Hintergrund und in diesem Sinne betreiben wir auch die Band: wir haben keinen Booking-Agenten, keinen PR-Beauftragten und keinen Manager. Es gibt weder Soundcrew, noch Tourbus oder Business-Plan. Wir schreiben Musik, an der wir alle Spaß haben. Wir spielen nur solche Konzerte, die wir alle spielen möchten, und nur an Orten, die wir alle sehen möchten, und nur für Leute, mit denen wir alle unsere Zeit verbringen möchten. Im Endeffekt läuft es für uns einfach darauf hinaus, unser Begehren zu befriedigen, Musik zu kreieren, auf die wir alle stolz sind, und aus diesem Prozess noch so viel Vergnügen wie nur möglich zu ziehen. Wir fühlen uns nicht wirklich irgendeiner externen Erwartung, wie wir zu klingen oder zu handeln haben, verpflichtet. Sollten wir uns eines Tages dafür entscheiden, lieber eine 311-Coverband zu sein, wäre das für uns kein Problem und in Sekunden getan.

Ihr habt seit 2007 insgesamt drei Alben und ein gutes Dutzend EPs und Splits veröffentlicht. Neben den Arbeiten und Aufnahmen zu diesen Scheiben wart ihr ständig auf Tour. All das verlangt gewisse Ressourcen an Geld, Zeit, Energie und Enthusiasmus. Wie könnt ihr euch das leisten?

Mit Hängen und Würgen! Wir haben alle feste Jobs und diese sind wesentlich dafür verantwortlich, dass wir nicht so ausgiebig touren können, wie wir das gerne würden. Statt also sechs Monate am Stück zu fahren, mussten wir bisher immer enorm erfinderisch sein, um so viele Shows wie möglich in die extrem kurzen möglichen Zeitfenster zu packen. Wir spielen oftmals zwei Gigs pro Tag, wenn sich diese Gelegenheit während unserer Touren oder kürzeren Wochenendtrips ergibt. Wenn wir nicht auf Tour sind, treffen wir uns im Proberaum, um zu üben, neue Songs zu schreiben oder die Platten zusammenzustellen. Wir spielen auch viel hier in der Gegend. Alle Mitglieder von THOU sind in mindestens einer weiteren Band, manche zudem als Konzertveranstalter tätig. Ich arbeite auch noch in einem lokalen Infoladen namens The Iron Rail und habe soeben das Label Howling Mine gegründet. Ich denke, alle diese Aktivitäten außerhalb der Band demonstrieren unseren Willen und Enthusiasmus etwas zu erschaffen. Statt durch das Fokussieren auf nur ein Betätigungsfeld auszubrennen, beschäftigen wir uns mit vielerlei Ideen, Blickwinkeln und Personen und können daraus wiederum Inspiration für THOU ziehen. Das hält uns auf Trab und davon ab, fade und ausgelutschte Musik zu machen.

Eure düstere, wütende Musik und die Texte legen nahe, dass ihr mit einigen euch umgebenden Dingen nicht so recht einverstanden seid. Wie ist eure Sicht auf moderne westliche Gesellschaften? In welche Richtung bewegt sich die Menschheit?

Ich hoffe, die Menschheit bewegt sich entweder in Richtung ihrer vollständigen und vollkommenen Zerstörung oder in Richtung Transzendenz zu einem anarchistischen Utopia. Zum größten Teil sehe ich die westliche Kultur als eine Kultur des ungebremsten Exzesses, der eigennützigen Habgier und der vollständigen Dekadenz. Aber ich habe noch einen Funken Hoffnung, dass wir etwas daran ändern können, bevor es uns tatsächlich gelingt, die Menschheit und den größten Teil des Lebens auf diesem Planeten auszulöschen.

Siehst du Musik nur als Vehikel, um Gedanken und Gefühle auszudrücken, oder bist du der Meinung, dass sie durchaus einen wirklichen Effekt auf bestimmte Aspekte des Lebens haben kann?

Für die meisten Leute da draußen ist Musik nichts weiter als ein Hintergrundgeräusch in ihrem Alltag. Ich glaube aber, dass Musik das Leistungsvermögen hat, Leute auf einem tiefer greifenden Level zu beeinflussen; sie kann den Wahrnehmungsradius vergrößern oder einem neue Ideen und Methoden für den Umgang mit den Schwierigkeiten des Daseins mit auf den Weg geben. Ich glaube nicht, dass Musik als Anleitung für das Leben taugt, aber sie kann mit Sicherheit ein Katalysator für Veränderung sein.

Obwohl ihr selbst das Internet als Werkzeug zur Verbreitung eurer Ideen nutzt, lehnt ihr Massenphänomene wie Facebook, MySpace und Twitter, die mittlerweile auch auf dem D.I.Y.-Sektor als wichtige Promotion-Tools akzeptiert werden, rigoros ab. Warum?

THOU steht auf Kriegsfuß mit dem Spektakel, mit Leviathan und mit Social Networking. Unser Problem mit dieser Art Websites ist, dass sie eine verwässerte, ungenaue Version von Erfahrung liefern. Anstatt tatsächliche Beziehungen zu Menschen zu pflegen, katalogisieren Benutzer auf den von dir genannten Seiten ihre vermeintlichen Freunde sowie ihre im wesentlichen bedeutungslosen Interessen und treten in eine Art Wettbewerb des Hippen, Coolen und Obskuren. Das ist ganz einfach sinnlos und, was noch viel schlimmer ist, lenkt von echten Erfahrungen und Beziehungen ab. Wir haben zwar auch noch eine MySpace-Seite aus älteren Tagen, diese ist aber nur noch Platzhalter für unsere richtige Website, über die wir komplette, werbefreie Kontrolle haben. Wir haben kein Interesse daran, unsere Band irgendwie großartig zu bewerben. Uns genügt es, aktuelle Informationen und unsere Musik verfügbar zu machen. Wir haben kein Street Team, wir schalten keine Anzeigen, außer um Touren zu promoten, wir wollen nicht tweeten, was wir zum Frühstück gegessen haben. Wir lassen lieber den Inhalt unserer Platten sowie unsere Konzerte sprechen.

Welche Pfade bevorzugt ihr im Internet und warum?

Wir haben eine optisch recht minimalistische Website, auf der wir all unsere Musik, Texte, Informationen über Konzerte, Links zu Reviews und so weiter archivieren. Das Internet sollte unserer Meinung nach nur als Werkzeug dienen zur Generierung von Wissen und zur Beschaffung von Informationen, die im echten Leben nützlich sind. Alles andere ist belangloses Entertainment.

Wer oder was inspiriert euch?

Die Polizei und Politiker überall auf dieser Welt; die massiven Mengen Rohöl, die die Golfküste vor unserer Haustür unkenntlich machen; die Aufrechterhaltung eines körperlich und geistig gesunden Lebensstils; physische und mentale Selbstzerstörung; Freundschaft und Verrat; Missoula, Montana. Außerdem Fiona Apple, Gene Wolfe, THE BODY, FELL VOICES, ASH BORER, KOWLOON WALLED CITY, MOLOCH, Woodsmoke, Feast of Tentacles, Dischord und Vendetta Records.