Nachdem die ersten drei Alben der Band aus Stockholm 2012, 2013 und 2015 auf dem schwedischen Novoton-Label erschienen waren, wechselte man für „Blood“ von 2017 zu Nuclear Blast. Doch das war wohl nichts, der Metal-Riese tat sich schwer mit dem lupenreinen Goth-Rock der Skandinavier, THEN COMES SILENCE verloren in der Folge zwei Mitglieder, doch Frontmann, Bassist und Synthesizerbediener Alex Svenson-Metés stellte die Band wieder neu auf. „Machine“ von 2020 dokumentierte diesen Neuanfang, war ein lupenreines Goth/Post-Punk-Album in der Tradition von THE MISSION, FIELDS OF THE NEPHILIM und KILLING JOKE, aber auch BEASTMILK und die legendären schwedischen Landsleute THE LEATHER NUN sind nicht weit. Mit „Hunger“ steht nun das neue Album, zu dem ich Alex befragte.
Wie lautet der Satz vor „Then comes silence“?
Du kannst schreiben, was du willst, bevor du mit dem Satz „Then comes silence“ abschließt. Aber danach darf nichts mehr kommen. Das ist das Ende. Ich habe den Satz aus einer alten Sammlung von Horrorgeschichten aus dem frühen 20. Jahrhundert übernommen. Ich weiß nicht mehr, welche Geschichte es war, aber ich mochte das Ende. Stell dir ein viktorianisches Schauermärchen vor. Etwas Schreckliches hat sich in der Geschichte ereignet ... ein blutiges Finale ... und dann kam die Stille.
Wie diskutiert und kreiert ihr als Band Musik? Und was ist eine gemeinsame musikalische Basis?
Wir haben ein System, das bis jetzt sehr produktiv war. Im Moment bin ich noch der einzige Songwriter, aber die anderen haben wichtige Aufgaben und viel bei der Musik mitzureden. Ich fange damit an, Demos der neuen Songs aufzunehmen, und wenn ich etwa fünf oder sechs Tracks habe, gebe ich sie an die Jungs weiter. Es gibt immer zwei oder drei Stücke, die früh aus der Produktion fallen. Ich schreibe weiter und nehme weitere Demos auf, bis ein ganzes Album entsteht. Wir arrangieren die Songs, auf die wir uns geeinigt haben, alle gemeinsam. Auch wenn ich derjenige bin, der die Ideen, Harmonien und Texte in die Band einbringt, bauen wir sie alle auf, indem wir viel zusammen spielen. Wir alle haben einen unterschiedlichen musikalischen Background. Hugo wurde mit Punk, Garage und Rock sozialisiert. Großgeworden ist er mit Johnny Thunders und THE CRAMPS. Jonas spielte früher in Black-Metal-Bands und hat ein paar Jahre lang Rockabilly gemacht. In seinen frühen Zwanzigern entdeckte er den Post-Punk. Mattias hat ein Musikstudium absolviert und ist praktisch der Einzige von uns, der Ahnung von Musiktheorie hat. Er hört oft moderne, progressive und technische Musik wie Math-Metal, MARS VOLTA und alle Projekte von Mike Patton. Ich habe als Teenager mit KRAFTWERK und elektronischer New-Wave-Musik angefangen und bin seither zwischen Metal, Punk, Rock, Latin, Afro, Post-Punk, Bowie und Soul hin und her gesprungen. Heute höre ich am liebsten klassische Musik. Wir haben natürlich auch einen gemeinsamen Musikgeschmack. KILLING JOKE und RITUAL HOWLS tauchen immer wieder in unseren Playlists auf. Eine Gemeinsamkeit für uns alle ist die Liebe zu einem schönen Lied mit einer schönen Melodie. Auch wenn wir diese nicht zu unseren Lieblings-Playlists hinzufügen würden, haben wir großen Respekt vor Künstlern wie ABBA, den BEATLES und Elton John. Wir mögen eingängige Melodien. Melodien sind ein wichtiges Fundament.
Ich habe, um euch zu beschreiben, auf THE LEATHER NUN verwiesen. Liege ich damit halbwegs richtig?
Ich stimme zu, dass sie wichtig sind. Sie waren einer der führenden Acts in der frühen schwedischen, auf Rock basierenden Post-Punk-Szene. Am Anfang war der schwedische Post-Punk mehr Rock und Punk als Industrial. Synthie-basierte Musik kam erst etwas später mit Acts wie COVENANT und THE MOBILE HOMES. Damals gab es in Schweden viele interessante Gruppen. CORTEX, CAMOUFLAGE, THE NOMADS, BLUE FOR TWO, REEPERBAHN, TT REUTER und Freddie Wadling. Freddie war eines der Gründungsmitglieder von THE LEATHER NUN und gilt immer noch als einer der Paten der schwedischen Post-Punk-Gemeinde. Ein wahrer Künstler mit großem Einfluss und meiner Meinung nach ein Genie.
Du hast schon vor THEN COMES SILENCE in Bands gespielt, da gab es RADIO LXMBRG, SAD DAY FOR PUPPETS ...
RADIO LXMBRG waren ein experimentelles Projekt und haben sich leider nicht wirklich durchgesetzt. Es war nicht wirklich eine Band. Es war eher ein Kollektiv, aber dennoch zugleich der Traum eines einzelnen Mannes, mein Traum. Wir veröffentlichten zwei Alben, 2005 und 2007. Zu dieser Zeit gab es dramatische Veränderungen in der Musikindustrie. Streaming war das neue Ding und viele Labels machten dicht oder wurden aufgrund der Dominanz des Internets von größeren Unternehmen übernommen. Der Rückgang an physischen Releases machte es schwieriger, einen guten Plattenvertrag zu finden, also veröffentlichte ich die Alben auf eigene Faust. Ich gründete das kleine Label HaHa Fonogram. Das war eine gute Möglichkeit, etwas über die Branche zu lernen. Ich habe immer wieder kleine Acts auf meinem Indielabel veröffentlicht. Zum Glück hatte ich einen guten Vertrieb in Ländern wie Japan, Großbritannien, Spanien oder Deutschland. Eine der Bands, SAD DAY FOR PUPPETS, waren Freunde von mir und wollten zunächst eine EP veröffentlichen. Sie wurden in der Shoegaze-, Nu-Gaze- und Noiserock-Community auf MySpace ziemlich populär. Sie suchten noch einen Bassisten für ihre Tour. Ich bin eigentlich Gitarrist und Keyboarder, aber ich hatte Lust, zur Abwechslung mal etwas anderes auszuprobieren, und nahm die Bassgitarre in die Hand. Bis heute bin ich dabei geblieben und spiele ihn, als wäre es eine Gitarre. Ich wurde ein ständiges Mitglied der Band, abgesehen davon, dass ich ihr Labelmanager und ihr Produzent bin. Ich glaube, dass sie eine Menge Potenzial hatten. Wir tourten viel in Europa, vor allem in Großbritannien. Von 2009 bis 2011 sind wir zwischen London und Stockholm gependelt. Wir spielten mit größeren Bands wie MGMT, A PLACE TO BURY STRANGERS, EDITORS und THE TWILIGHT SAD. Wir wurden die Protegés der legendären TELEVISION PERSONALITIES, weil Dan Treacy von SAD DAY FOR PUPPETS besessen war. Ende 2011 waren wir in Japan auf Tour. Ich bin mir sicher, die Band hätte es noch weit bringen können, aber die Show in Tokio im November 2011 war trotz allem die letzte. Es kam 2013 noch ein Album, aber der Mangel an Energie und Engagement tötete die Band. Jetzt ist sie in Vergessenheit geraten. Ich hatte damals bereits mit THEN COMES SILENCE angefangen, also war ich natürlich mit meinen eigenen Sachen beschäftigt.
Ich schätze eure „klassische“ Herangehensweise an das Wave/Goth-Rock-Genre sehr. Es war dieser Sound, der mich 1984 zu dieser Musik hingezogen hat. Später in den Achtziger Jahren wurden einige Bands metallischer, tanzbarer, elektronischer, poppiger ...
Wir haben uns nicht bewusst dafür entschieden. Es ist einfach so, wie es ist. Wahrscheinlich weil wir eine klassische Besetzung haben: Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren. Wir würden uns wohl eher als Rock-Band bezeichnen. Rock ist das, was unsere Musik ausmacht.
Wie habt ihr es durch die Pandemie geschafft und auch noch ein Album aufgenommen?
Wir haben erst im August 2021 mit den Aufnahmen begonnen. Als es mit der Pandemie losging, haben wir das vorherige Album „Machine“ genau an dem Tag veröffentlicht, an dem der Lockdown begann. Das, was uns passiert ist, ist auch allen anderen Künstlern passiert. Unsere ganze Planung und die Tourtermine konnten wir in die Tonne kloppen. Wir haben aber beschlossen, das neue Album nicht aufzugeben, egal was passiert. Tourneen und Albumveröffentlichungen sind voneinander abhängig. Der Vertrieb scheiterte natürlich. Leider hat sich „Machine“ nicht besonders gut verkauft. Wir wussten natürlich, dass das höchstwahrscheinlich so laufen würde. Keine Gigs und geschlossene Läden. Wenigstens hatten wir eine gute Resonanz auf Bandcamp. Es gab echte Unterstützung, nur so konnten wir überleben. Wir sind dankbar und stolz auf unsere Follower und Fans. Die Labels investierten dafür mehr in Musikvideos. Wir organisierten vier eigene Livestreams und schlossen uns vielen anderen Online-Live-Events an. Sie waren alle ziemlich erfolgreich in der Dark-Wave- und Gothic-Community. Im Sommer 2020 hatten wir die Möglichkeit, südlich von Stockholm unser eigenes Studio einzurichten. Dort haben wir jetzt unser Hauptquartier. Letztes Jahr haben wir das Cover-Projekt „Horsemen“ veröffentlicht. Eine Sammlung von 17 Songs, aufgeteilt auf vier digitale EPs. Wir haben Künstler wie Grace Jones, THE SISTERS OF MERCY, THE KINKS, DEAD KENNEDYS und BUZZ KULL gecovert. Das war eine Art Vorstudie für das kommende Album. Ich glaube nicht, dass wir das Coverprojekt gemacht hätten, wenn die Pandemie nicht gewesen wäre. „Hunger“ war der perfekte Abschluss der Pandemiejahre. Davon abgesehen ist uns natürlich klar, dass Corona Teil unseres Alltags bleiben wird. Mal mehr, mal weniger.
Ihr hattet im Laufe der Jahre schon einige Freunde als Gastmusiker:innen oder -sänger:innen eingeladen. Wer ist bei „Hunger“ dabei?
Karolina Engdahl von TRUE MOON, die auf „Machine“ das Duett in „Ritual“ gesungen hat, ist wieder mit dabei. Mikkel von THE FOREIGN RESORT hat Backing Vocals bei „Rise to the bait“ gesungen. Gözde von AUX ANIMAUX unterstützt mich bei einem Song. Niklas Rundquist, der auch bei THE LEATHER NUN war, spielt auf dem Album Geige. Und William Faith von FAITH AND THE MUSE, CHRISTIAN DEATH und THE BELLWETHER SYNDICATE hat bei einem Song Backing Vocals beigesteuert.
„Hunger“ ist ein starker Titel in diesen Tagen, in denen die Welt vom Dritten Weltkrieg bedroht ist und die Menschen hungern, weil die Ukraine keinen Weizen mehr exportieren kann und der Marktpreis für Weizen unglaublich in die Höhe schießt. Welchen „Hunger“ hattest du also im Sinn und wie hat die Realität die beabsichtigte Bedeutung beeinflusst?
Ich weiß nicht, ob es ein Zufall ist oder ob wir das Glück haben, ein gewisses Fingerspitzengefühl für den Zeitgeist zu besitzen. Eine ähnliche Erfahrung haben wir mit „Machine“ gemacht. Das Gasmasken-Video „Apocalypse flare“ kam „passend“ zur Pandemie heraus. Der Titel hat natürlich nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Es geht um den Hunger, den wir nach mehr als zwei Jahren der Isolation und der Verluste verspüren.
Was sind die Ideen und Werte, die ihr teilt? Punk hatte immer den Anspruch „It’s more than Music!“, es geht darum, politisch Haltung zu zeigen, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen usw.
Die alten patriarchalen Strukturen sind nicht mehr akzeptabel. Alte autoritäre, konservative Männer, die total rückwärtsgewandt sind. Ich glaube, dass die Menschheit in ihrem Kern fortschrittlich ist, ja sie muss progressiv, kreativ und aufgeschlossen sein. An die nächste Generation zu denken, ist eine heilige Pflicht und steht für Hoffnung. Vertraut ihnen, sie werden es besser machen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #162 Juni/Juli 2022 und Joachim Hiller
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