Es war einer dieser Zufälle, die mich erstmals mit Texas Terri zusammen brachten: Ich hatte mich in Los Angeles mit Reverend Randall vom Angry Thoreauan verabredet - zum Frühstück... Als ich dann um neun bei ihm vor der Tür stand, um ihn abzuholen, lag der noch mit einer nackten Dame im Bett, bat mich aber trotzdem herein, was ich höflich ablehnte, ähem... Wie auch immer, als ich Jahre später zufällig mit Texas Terri in Kontakt kam, nachdem sie mir die "Eat Shit"-CD ihrer Band TEXAS TERRI & THE STIFF ONES, war es diese Anekdote unserer ersten Zusammentreffens unbekannterweise, mit der sie mich aufzog, natürlich nicht, ohne auf die ihr eigene Weise süffisant anzumerken, dass ich seinerzeit gerne auch drinnen hätte warten können... Wie auch immer, im Sommer waren Terri und ihre Jungs erstmals auf Europatour und ich hatte das Glück sie live zu sehen - und mit etwas Verzögerung am Telefon dieses Interview zu führen.

Terri, was machst du gerade?

"Das, was ich am meisten hasse: ich bastele unsere Pressemappe zusammen. Die ganzen Hefte durchschauen, in denen was über uns stand, die Artikel rauskopieren, ausschneiden und dann schön zusammenkleben, damit´s halbwegs nach was aussieht für diese verfickten Business-Typen. Argh! Viel lieber würde ich einfach nur faul im Bett liegen."

Und was machst du sonst so?

"Ich kümmere mich um alles, was die Band anbelangt. Konzerte klarmachen, alles organisieren und so. Ausserdem arbeite ich als Go-Go-Tänzerin, gestern abend erst noch. Irgendwo muss das Geld ja herkommen. Der Club gestern war aber scheisse: wir durften uns selbst und die anderen nicht anfassen und so ein Scheiss. Klar, die zahlen gut, aber die ganzen Regeln sind bescheuert. Erst wenn du´s nicht darfst merkst du, wie oft du an dir selbst rumfummelst. Ansonsten mache ich die unterschiedlichsten Jobs um über die Runden zu kommen. Am Dienstag etwa sind bei uns Wahlen, da arbeite ich für ein paar Dollar im Wahlbüro. Ausserdem jobbe ich gelegentlich als Schauspielerin, Hollywood eben."

Was das Go-Go-Dancing anbelangt muss ich an euer Konzert denken, wo du ja nach kurzer Zeit mit bloßem Obekörper auf der Bühne standest. Machst du das in den USA auch oder ist da die US-Prüderie vor?

"Haha, so lange ich diese schwarzen Klebestreifen über den Brustwarzen habe ist es ok - nur wenn ich die abreisse gibt´s Probleme. In Europa dagegen haben sich die Leute über das Klebeband aufgeregt und ich musste es immer recht schnell entfernen. Mir gefällt das übrigens, das sieht cool aus. Und ich habe den Leuten gesagt, wenn sie wollen, dass es weg ist, sollten sie es eben abreissen... Was Nacktheit anbelangt sind die Amerikaner total kindisch: allein die Sache mit dem Klebeband auf den Brustwarzen. Ist es dran, ist alles ok, nimmst du es ab, gibt´s Ärger. Manchmal ziehe ich auch noch die Hosen aus, da wird´s dann ganz gefährlich, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Da ist alles ein schlechter Witz."

Welche "Funktion" hat deine Nacktkeit auf der Bühne? Ich denke da an TRIBE 8, deren Sängerin auch mit bloßem Oberkörper auftritt und wo das als feministisches Statement gegen Rollenklischees und Macho-Gehabe gedacht ist.

"Also grundsätzlich finde ich es einfach sehr angenehm, wenn ich mein T-Shirt ausziehen kann, wenn ich schwitze. Das ist eine ganz natürliche Reaktion, denke ich. Ich habe erst nachdem ich es getan habe und wegen der Reaktionen darauf angefangen darüber nachzudenken, was der gesellschaftliche Aspekt dieses Handelns ist - und fand es höchst erstaunlich und amüsant. Wie das Publikum reagiert, wenn eine Frau ihr Shirt auszieht, das ist echt verblüffend. Aber ich mache das ja nicht, weil unsere Musik so schlecht ist, dass ich eben so Aufmerksamkeit erregen muss. Wenn Männer sich schon beim zweiten Song das Hemd vom Leib reissen, ist das ok, mache ich das, gibt´s komische Gesichter. Abgesehen davon finde ich bloße Oberkörper ziemlich Rock´n´Roll. Nimm Iggy Pop, der kommt gleich halbnackt auf die Bühne, weil er weiss, dass er es sich nach zwei Minuten runterreissen würde. Wenn ich mich im Nachhinein selbst sehe, finde ich, dass das auch was mit Kunst zu tun hat, das sieht einfach sehr leidenschaftlich und rocknrollig aus. Klar, in Pornos ziehen sich die Leute auch aus, aber das hat vor allem eine sexuelle Komponente, aber für mich ist das mit dem nackten Oberkörper vor allem Rock´n´Roll, und mit kindischem Getue à la "Was die Jungs können, kann ich schon lange", will ich nichts zu tun haben. Abgesehen davon denke ich aber schon, dass es eigentlich überhaupt kein Thema sein sollte, wenn eine Frau halbnackt auf der Bühne steht."

Klingt überzeugend.

"Ja, aber jetzt mal ehrlich: wenn wir nochmal nach Europa kommen, wären die Leute dann wohl sauer, wenn ich mich nicht ausziehe?"

Keine Ahnung, aber ich denke, Nacktheit ist nur für ein paar Minuten ein Thema. Anfangs starrt jeder, aber nach fünf Minuten hat man sich an den Anblick gewöhnt, dann ist´s nichts besonderes mehr.

"Eben, genau wie wenn jemand auf der Bühne Feuer spuckt, dann ist das einmal oder zweimal interessant, danach wird´s langweilig."

Terri, du hast eben Iggy Pop erwähnt, und irgendwie war das ja klar. Ich meine, dein Stageacting erinnert schon schwer an Iggy - ein Zufall?

"Ha, das ist seltsam. Nein, ich könnte niemals bewusst versuchen wie jemand anderes zu sein. Die Iggy-Sache ist verdammt seltsam, denn ich habe noch nie darüber nachgedacht was ich mache, wenn ich da oben auf der Bühne stehe. Nie, nie, nie! Ich habe nie Iggys Posen studiert, und als ich ihn das erste Mal live sah, war ich schon eine Weile in der Band. Davor habe ich Iggy jahrelang verpasst, weil ich entweder Schiss hatte oder zu breit war, um das Haus zu verlassen. Als ich dann von Austin nach LA umgezogen war, habe ich es endlich mal zu einem Konzert geschafft, und es war unglaublich. Ich meine, wir haben nicht die gleichen Bewegungen drauf, aber es gibt schon ein paar Ähnlichkeiten zwischen uns, vor allem wohl die Energie auf der Bühne. Und ich habe auch ein paar Fotos von mir gesehen, wo ich ihm sehr ähnele. Ein Freund von mir aus New York meinte mal nach einem Konzert zu mir, ich könnte Iggys Schwester sein. Mit Planung hat das alles nichts zu tun, auch wenn Iggy schon ein grosser Einfluss für mich war - wie James Brown. Und Mick Jagger. Und Marianne Faithful. Und Patti Smith, Chrissi Hynde und Roky Erickson - und Gary Floyd von den DICKS. Das sind meine Role Models."

Apropos Gary Floyd. Der kommt wie du aus Austin, Texas.

"Ja, und wir sind auch sowas wie verheiratet, hahaha. Wobei der Unterschied ist, dass er Matrosen fickt und ich nicht. Wir kennen uns schon eine halbe Ewigkeit. Er ist ein großartiger Musiker und Mensch. Die frühe Punkszene in Austin war klasse, und die DICKS waren die beste Band seinerzeit. Es gab eine Menge Punkbands damals, aber sie waren die Underdogs, die schwärzesten der schwarzen Schafe. Ich habe nie einen versiffteren Haufen getroffen, die waren unglaublich - und dabei total nette Jungs. Ich habe bis heute noch mit allen Kontakt, vom Gitarristen mal abgesehen, der vor ein paar Jahren gestorben ist."

Hast du sonst noch Kontakt zu Leuten in Austin?

"Klar, zum Beispiel zu den BULIMICS. Mit denen habe ich "Tie me up" von Johnny Thunders aufgenommen."

Wann und wo ging es mit TEXAS TERRI & THE STIFF ONES los?

"Vor fünf Jahren in Hollywood. Ich und Demon Boy haben uns in der Warteschlange auf dem Sozialamt getroffen. Ich trug meine flauschigen Hausschuhe und mein kurzes Tigerjacket und sah wohl ziemlich trashig aus. Irgendwie kamen wir über Musik ins Gespräch, er erzählte, dass er Gitarre spielt und er zeigte mir seine Titten. Und dann haben wir zusammen die Band gegründet. Das restliche Line-Up hat sich seitdem mehrfach geändert, und das Album haben wir auch nur eingespielt, weil diese Besetzung dann doch ein Jahr lang gehalten hat. Sonst waren wir immer damit beschäftigt, neuen Leuten die alten Songs beizubringen. Mit T-Ray Love und James Miller haben wir jetzt aber eine stabile Besetzung, und die beiden waren auch mit in Europa."

Wie sieht´s mit einer neuer Platte aus? "Eat shit" ist ja jetzt auch schon ´ne Weile raus.

"Wir schreiben schon fleissig neue Songs, und kürzlich waren wir auch schon im Studio und haben ein Demo aufgenommen - mit Jack Douglas! Mit DEM Jack Douglas, der auch schon mit AEROSMITH, CHEAP TRICK, John Lennon - bei "Double fantasy" -, NEW YORK DOLLS, Alice Cooper und noch ein paar anderen gearbeitet hat. Der Kontakt kam über Freunde zustande, die im Musikverlagsgeschäft arbeiten und die ihm Sachen von uns vorspielten, nachdem er sie fragte, ob sie nicht eine neue, aufregende Band für ihn hätten. Als er uns dann das erste Mal live sehen wollte, kam er nicht rein, weil dieser Security-Arsch ihn nicht durchlassen wollte, haha. Jedenfalls gefielen wir ihm, und als er mal wieder in der Stadt war, um mit Slash zu arbeiten, hatte er auch etwas Zeit für uns. Er versucht jetzt uns einen Deal für das neue Album zu verschaffen, weil er mit uns arbeiten will, und es macht echt verdammt viel Spaß mit ihm zu arbeiten. Er ist wie ein großes Kind, er hat einfach Spaß bei der Arbeit, und wir machen einfach nur das, was er uns sagt, ohne nachzudenken. Er kann sich total in die Musik anderer Leute reindenken, das ist unglaublich, und dabei verändert er deine Songs nicht mal, er zündet die Sache einfach! Er ist ein phantastischer Produzent."

Und wann können wir mit der Scheibe rechnen?

"Das liegt nicht an uns. Demon Boy und ich schreiben neue Songs, Jack besorgt uns - auch mit Hilfe dieser blöden Pressemappe, die ich heute fertig machen muss - einen coolen Plattendeal, und das ist´s auch schon."

Wie sieht´s mit Europa aus?

"Im Februar spielen wir in Spanien, aber für den Rest von Europa ist´s mir zu kalt... Aber ich will beim nächsten Mal viel mehr Shows in Deutschland spielen. Übrigens haben wir schon den Titel für die neue Platte: Nach "Eat shit" kommt "Suck it up"."

Dann sind wir mal gespannt. Danke für das Interview, Terri - noch was zum Schluss?

"Denke immer dran: It´s a man´s world, but it´s all about pussy. Und ausserdem: Never shut up, always want more."