TESA

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Lithuania Underground

TESA gründeten sich 2005 in der lettischen Hauptstadt Riga und veröffentlichten kürzlich ihr fünftes Album „Ghost“ auf dem Hamburger Label My Proud Mountain. Nach ihrer Tour als Support von NEUROSIS im August 2016 baten wir Janis Burmeisters, uns über die Szene in Riga und Lettland generell zu berichten.

Vielleicht haben wir nicht den objektivsten Blick auf die lettische Musikszene. Wir haben uns immer als Punkband betrachtet und D.I.Y. bedeutet uns ziemlich viel, da wir aus einem Punk/Hardcore-Hintergrund kommen und immer eine starke Verbindung hatten zu dieser Szene, die sich in den letzten Jahren allerdings stark verändert hat. Zwar waren wir nicht von Anfang an dabei, aber wir hatten trotzdem die Chance, uns aktiv einzubringen.

Lettland ist ein kleines Land und Riga eine kleine Stadt mit nur 700.000 Einwohnern, das merkst du natürlich auch in der Musikszene. Natürlich kommen die meisten lettischen Bands aus Riga, obwohl es auch eine sehr lebendige Untergrundmusikszene in den umliegenden Städten gibt, mit vielen enthusiastischen Menschen. Die kreative Atmosphäre war hier schon immer spürbar und das Feedback bei Konzerten ist meist gut. Man aber darf nicht vergessen, wie sehr das alles von der Initiative und Leidenschaft Einzelner abhängt. Ein tolles Konzert oder Event zu organisieren, das auf ein begeistertes Publikum stößt, ist großartig. Doch wenn es mal nicht so läuft und es an Unterstützung aus dem lokalen Umfeld mangelt, kann das verständlicherweise frustrieren und man schmeißt einfach alles hin. Aus diesem Grund haben sich viele Leute, die vor ein paar Jahren die Szene noch ausgemacht haben, inzwischen umorientiert und sich anderen Interessen zugewandt.

In dem Moment haben wir die Szene ein bisschen aufgemischt. Einige wichtige Punk- und Hardcore-Bands standen kurz vor der Auflösung, allerdings kamen auch neue Leute zu den Konzerten und neue Bands entstanden und hielten die Szene lebendig. Das Ding in der Szene in Riga ist, dass es zwar viele Bands gibt, diese aber zumeist aus den immer gleichen Leuten bestehen. Ich kann mich auch an die Zeit erinnern, als ich in mindestens drei Bands spielte ... Und natürlich kennst du die meisten Leute, die zu den Shows kommen. Und das sind natürlich auch die Leute, die du auch bei jedem Punk-Konzert siehst, was auf der einen Seite zwar cool ist, weil man das Gefühlt hat, etwas Besonderes zu teilen, auf der anderen Seite jedoch auf lange Sicht zu nichts führt.

Es gab einige Läden hier in Riga, die gut für Punk-Konzerte geeignet waren. Ein paar davon haben noch geöffnet, aber viele haben sich auch verändert und machen keine Untergrundshows mehr oder haben ganz geschlossen. Ein spezieller Laden war das Saxophone, da war auch ich auf meiner ersten Punkrock-Show. Der Schuppen war schon über Jahre die erste Adresse für Punkrock in Riga. Es war ein ganz kleiner Laden, wo es gar nicht so leicht war, alle Bandmitglieder auf der „Bühne“ unterzubringen, und mit dem mich jede Menge toller Erinnerungen verbinden. Bis sie 2009 schließen mussten, fanden dort noch Konzerte statt. Es gab verschiedene Versuche, das Ganze wiederzubeleben, aber alles scheiterte.

Einer der ältesten Musikclubs in Riga, das Depo, hat seit 2002 geöffnet, dort gab es seither unzählige Musikveranstaltungen, und das läuft immer noch sehr gut. Die Hingabe des Besitzers Guntis ist unglaublich und er ist definitiv das Herz und die Seele dieses Clubs, in all diesen Jahren hat er Bands aus aller Welt bei sich begrüßt und macht das immer noch. Wir haben dort super oft Konzerte gespielt und mittlerweile treten wir dort immer einmal pro Jahr auf.

Das Jahr 2010 war ein Besonderes für die Underground-Musikszene in Riga, weil da ein Club mit dem Namen Nabaklab eröffnete. Es erschien wie die Antwort auf das Verlangen nach einem etwas größerem Laden. Dort gab es immer zwei Räume, einen großen für Konzerte und einen kleinen für DJ-Sets. Leider kam es jedoch zum Streit zwischen dem Nabaklab und dem Hotel im selben Gebäude, weswegen die Halle dicht gemacht wurde die Konzerte jetzt immer auf der kleinen Bühne stattfinden, die eigentlich gar nicht für Live-Bands gedacht war. Aber gut, es funktioniert trotzdem und so ist es halt ein weiterer Ort, wo man hier in der Stadt Konzerte organisieren kann.

Es gibt auch verschiedene andere größere Veranstaltungsorte wie Theater oder öffentliche Kultureinrichtungen und es ist immer großartig zu sehen, wenn Konzerte an unüblichen Orten stattfinden. Wir versuchen auch befreundeten Bands zu helfen, indem wir Konzerte in unserem Proberaum organisieren, der meistens einfach nur nach der Adresse Adminu 4 genannt wird. Es ist ein kleiner Raum auf einem großen Industriegelände etwas außerhalb des Stadtzentrums. Die Shows sind komplett DIY, nicht ganz legal, aber wir versuchen das trotzdem immer mal wieder. Das ist jetzt nur eine Auswahl an Orten für Konzerte, man würde auch noch mehr finden ,wenn man nach aktuellen Events sucht. Wie gesagt, das kreative Potenzial ist sehr groß hier und bisweilen stößt du auch auf ein Punk-Konzert in einem Café, einer alten Garage oder sogar bei jemandem zu Hause ... Manchmal wünschte ich mir, dass es einfacherer wäre eine vollständige Liste aller Veranstaltungen mit einer funktionierenden Plattform zu haben, so muss man eben genau hinschauen, um etwas Interessantes zu finden.

Die meisten Bands in Riga kennen sich untereinander ziemlich gut und es ist leicht, sich abzusprechen, sich zu helfen und gleiche Interessen zu verfolgen. Es ist so gut wie unmöglich, alle Bands zu nennen, die einen Einfluss auf die Szene hatten, besonders aus den Neunzigern. Aber es gibt einige, die es wert sind, hier genannt zu werden. Unseren Proberaum teilen wir uns mit ein paar Bands, die wir fast so lange kennen, wie es uns gibt. Karlis, unser Bassist, hat noch eine super Band mit dem Namen ANNA KIJEVA, sie spielen eine Art Mischung aus Punk, Grunge und vielleicht eine Art „Post“-Irgendwas. Sie sind nicht ständig aktiv, aber so geht es den meisten Bands aufgrund von Job und Familiensituation.

Davis hat auch noch eine andere Band, die, glaube ich, sogar schon länger existiert als wir, allerdings schon etliche personelle und Namensänderungen durchgemacht hat, die aber aber trotzdem als Szenegröße bezeichnen würde. Sie haben zwar nur eine Platte unter dem Namen 9HORIZON rausgebracht, machen aber seit zehn Jahren ihr Ding. Deswegen bewundere ich sie so. Sie sind zwar auch eher unregelmäßig aktiv, und ich muss zugeben, dass ich gar nicht so genau weiß, was für Musik sie überhaupt machen. Als ich sie das letzte Mal hörte, erinnerte das an ELECTRIC WIZARD in viermal langsamerer und mit Mitgliedern von SUNN O)))), haha. Wer weiß, wie sie jetzt klingen, sie haben in den letzten paar Jahren kein Konzert mehr gespielt.

Eine weitere erwähnenswerte Band sind SOUNDARCADE, mit denen wir fast seit unserer Gründung zusammen spielen und eng befreundet sind. Seit einem Jahr teilen wir uns sogar unseren Proberaum. Sie sind eine klasse Live-Band mit großartigen Leute, aber ihre Musik ist schwer zu definieren. Man kann aber auf jeden Fall sagen, dass wir uns gegenseitig sehr beeinflusst haben. Wir waren ein paar Mal miteinander unterwegs und ich hoffe, dass ihre momentane Auszeit bald beendet ist.

Das alles vermittelt den Eindruck, als ob viele Bands nicht regelmäßig auftreten wegen anderer Interessen oder den allgemeinen Umständen. Natürlich war es vor zehn, zwanzig Jahren einfacher, Zeit für eine Band und die Szene zu finden, und heute sagen viele, die Szene sei tot oder so was. Wir haben das alles allerdings immer anders gesehen. Es hat sich einiges verändert in den letzten Jahren, und wir können uns noch gut erinnern, wie wir bei unseren Konzerten so gut wie jeden im Publikum kannten. Bei unseren Konzerten heute kennen wir die meisten Leute im Publikum nicht. Was eigentlich eine super Sache ist. Vielleicht haben sich die Gegebenheiten etwas verändert und die Szene ist keine „geschlossene Gesellschaft“ mehr. Dass inzwischen eine neue Generation zu den Konzerten kommt, ist sicher ein Zeichen einer gesunden Entwicklung.

Wir hatten das Glück, all diese netten Leute vom My Proud Mountain-Label kennen zu lernen, und auch wenn wir erst seit etwa einem Jahr dort sind, ist das eine tolle Sache und wir sind dafür sehr dankbar. Sie haben unsere letzte LP „Ghost“ noch einmal rausgebracht, die zuvor bei unserem Freund Miks vom SKYR-Label hier in Lettland erschienen ist. Er ist definitiv jemand, den man hier erwähnen muss, denn er hat viel für die Szene getan und tut es noch. Er hat durch seinen Enthusiasmus sozusagen lettische Musikgeschichte geschrieben, indem er Bands wie A SILVER MT. ZION, ISIS oder NEUROSIS, um ein paar zu nennen, hierher holte, denn solche Shows in Lettland bergen immer ein ziemliches finanzielles Risiko bergen. Was man ebenfalls erwähnen sollte, ist das Festival Zemlika, das er organisiert. Es findet jedes Jahr in Durbe statt, der kleinsten Stadt Lettlands, und unterschiedlichste experimentelle Bands aus aller Welt spielen in der lokalen Kirche, im Kulturhaus oder in irgendwelchen Räumen, die gerade zur Verfügung stehen. Wir danken ihm wirklich für alles, was er für uns getan hat, und sind sehr stolz darauf, etwas auf seinem Label veröffentlicht zu haben.
Janis