SYMBOLISM

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Deathrock 3.0

Irgendwann 2021 wurde bekannt, dass sich Rikk Agnew (Gitarre, ex-ADOLESCENTS, ex-D.I.) und James McGearty (Bass), die beide auf den ganz frühen Werken der Deathrock-Vorreiter CHRISTIAN DEATH zu hören sind, mit Schlagzeuger London May (SAMHAIN, SONS OF SAM) zusammengetan haben. Gemeinsam mit dem bis dato unbekannten Sänger Devix hatte man bereits in Eigenregie eine 7“ produziert und veröffentlicht, die nicht nur ziemlich nahtlos an alte CHRISTIAN DEATH-Glanztaten anknüpft, sondern den Sound der Band in die 2020er katapultiert. Wir stellen der Band ein paar Fragen, wobei Rikk Agnew wegen aktueller privater Probleme nur eine Antwort beisteuern konnte. Fragen zu den späteren CHRISTIAN DEATH, deren Geschichte mit turbulent ja durchaus untertrieben dargestellt wäre, wollte man lieber nicht beantworten.

Als ich las, dass sich Mitglieder von CHRISTIAN DEATH und SAMHAIN für eine neue Band zusammengetan haben, war ich begeistert wie schon lange nicht mehr. Ich schätze, das habt ihr schon von anderen Leuten gehört.

London: Es scheint ein offensichtlicher Grund zum Feiern zu sein, aber ich habe es zuerst gar nicht richtig realisiert. Unser Zusammenschluss passierte ganz natürlich und war nicht darauf ausgelegt, eine Gothic-Supergroup zu gründen. Und eigentlich war ich ja schon immer eher ein Fan der ADOLESCENTS. Aber vor kurzem sah ich eine Anzeige irgendeines Musikers – er suchte speziell nach Leuten, die von SAMHAIN und CHRISTIAN DEATH beeinflusst sind – und da wurde mir klar, wie genial das alles ist. Unsere Band entpuppt sich als Selbstläufer – aber sie wurde nicht dafür erfunden.
James: Als Rikk und ich uns zum ersten Mal an London wandten, wollten wir nichts anderes, als einen Schlagzeuger zu finden, der in Los Angeles lebt, der daran interessiert ist, mit uns zu arbeiten und die Möglichkeit hat, wöchentlich zu proben. Die Idee, eine Supergruppe zu sein, kam mir erst in den Sinn, als wir im August 2021 im Whisky spielten. Der Ansager stellte die Band als „Goth-Supergroup“ vor, und in dem Moment wurde mir klar, was für eine Art von Band wir da geschaffen hatten.

Rikk und James haben SYMBOLISM bereits 2014 gegründet. Warum hat es fast sieben Jahre gedauert, bis die erste 7“ veröffentlicht werden konnte?
James: Rikk und ich haben 2014 wieder angefangen, zusammen zu spielen, mit einem komplett anderen Line-up und noch ohne Bandnamen. Damals war die ursprüngliche Absicht, sich mit der „Only Theatre Of Pain“-CHRISTIAN DEATH-Besetzung sowie früheren Mitgliedern zu reformieren, um die Gruppe innerhalb der Familie zu halten. Leider klappt das manchmal nicht so, wie man es sich vorstellt, und so gab es in den nächsten Jahren eine Reihe von wechselnden Mitgliedern. In dieser Zeit schrieb die Band Songs und machte Fortschritte bei der Entwicklung neuer Songideen und der Wiederverwendung von Riffs aus unserem Backkatalog mit bisher unveröffentlichter Musik. Die daraus resultierenden Bemühungen ermöglichten es uns, diese Songs schnell zu überarbeiten, neu zu arrangieren und mit dem kreativen Input des aktuellen Line-ups neu zu schreiben.

Ihr habt auch versucht, mit dem ursprünglichen CHRISTIAN DEATH-Schlagzeuger George Belanger zu arbeiten?
James: Um als Band im gesetzteren Alter zu funktionieren, dürfen wir nicht zu weit voneinander entfernt wohnen. Jeder hat sein eigenes Leben, seine Familie und konkurrierende Prioritäten, die es erfordern, dass man nahe genug beieinander wohnt, um bequem zusammen jammen zu können. George lebt in einem anderen Bundesstaat und das war einfach zu weit weg, um mit uns in einer Band zu spielen. Das war organisatorisch einfach unmöglich.

Warum habt ihr euch entschieden, jemand anderen in die Band zu holen und nicht den einfachen Weg einer weiteren Version von CHRISTIAN DEATH zu gehen?
James: Es gibt keine Möglichkeit, irgendetwas von CHRISTIAN DEATH einfach zu machen. Die Band war von Anfang an verflucht, wie das Schicksal des „Only Theatre Of Pain“-Line-ups zeigt.

Wie seid ihr in Kontakt mit London May gekommen?
Rikk: Das lief über Gitane [Die Ex-CHRISTIAN DEATH-Sängerin Gitane DeMone und Rikk sind seit einigen Jahren ein Paar], die vor einiger Zeit ein Radiointerview mit London gemacht hatte. James und ich waren da an einem kritischen Punkt mit der Band und wir brauchten dringend einen Schlagzeuger, der in Los Angeles lebt und die Möglichkeit hat, mehr als einmal pro Woche zu proben.
James: Rikk und ich trafen uns mit London zum ersten Mal im berühmten Astro Burger in Silver Lake. Wir hatten ein tolles erstes Treffen, aber es führte nicht dazu, dass er sofort einstieg. London war so sehr mit anderen Bands und Projekten beschäftigt, dass er unsere Band erst komplett haben wollte, bevor er dabei war. Er erstellte eine Liste von Bedingungen, die Rikk und ich erst einmal erfüllen mussten, bevor er in Betracht zog, der Band beizutreten.

Und wie habt ihr euren Sänger Devix gefunden?
James: Vince von BODY COUNT ist ein enger Freund der Band. Er war es, der den Namen Devix ins Spiel gebracht hat und uns ein Video von ihm zeigte. London sprach als Erster mit Devix. Wir baten ihn, uns seinen Gesang zu ein paar Tracks von uns zu demonstrieren. Ein paar Wochen später sprach er persönlich bei uns vor und wurde Mitglied der Band.

Wann wusstet ihr alle, dass diese Besetzung funktionieren würde?
London: Als wir anfingen, haben Rikk, James und ich ein paar Monate lang mit einem anderen Sänger einen Song nach dem anderen aufgenommen, aber ich war mir nie sicher, wohin das Ganze führen würde – irgendetwas fehlte, fühlte sich nicht richtig an, aber ich hatte Vertrauen in das Projekt, also blieb ich ein weiteres Jahr dabei, während wir nach einem anderen Sänger Ausschau hielten und weiterhin jede Woche zusammen Songs schrieben und probten. Es entstand neue und interessante Musik, und die Stimmung war ermutigend. Dann fanden wir durch einen Zufall Devix und er fing sofort an, die Musik, die wir geschrieben hatten, gesanglich umzusetzen, und ich wusste sofort, dass wir endlich etwas Besonderes hatten!
Devix: Ich wusste in dem Augenblick, als ich ihre Demos hörte, sofort, dass das funktionieren könnte. Als wir zusammen probten, war da sofort diese Magie im Raum. Jeder, der in einer Band spielt und neue Leute dazu holt, kennt das sicherlich auch.

Rikk, James und London – ihr habt alle bereits in Bands gespielt beziehungsweise Platten aufgenommen, die definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Kanntet ihr die Arbeit der anderen, bevor ihr euch getroffen habt?
London: Natürlich hatte ich von CHRISTIAN DEATH gehört – das war Gothic/Deathrock #101! „Only Theatre Of Pain“ habe ich zum ersten Mal 1982 oder 1983 gehört und fand es verdammt gruselig – wie ich schon sagte, stand ich mehr auf die ADOLESCENTS. Ich hörte das „blaue Album“ sogar, während ich mich auf die SAMHAIN-Shows vorbereitete! An der Ostküste, wo ich aufgewachsen bin, gab es eine ganze Reihe von CHRISTIAN DEATH-Fans, aber ich erlebte ihre volle Wirkung erst, als ich nach Los Angeles zog. Hier draußen war jeder ein Fan.
James: Ich wusste definitiv von Londons Arbeit mit SAMHAIN, aber ich war nicht so vertraut mit all den anderen musikalischen Beiträgen, die er im Laufe der Jahre geleistet hatte. Erst als wir zusammen in einer Band waren, erfuhr ich von seiner umfangreichen Diskografie. Sie ist absolut beeindruckend, ich war wie weggeblasen, als ich das realisierte.

London, wenn man mit einem legendären Gitarristen wie Rikk spielt – woher weiß man, welche Art von Schlagzeugsound dazu passt? Arbeitet ihr es vorher aus oder entwickelt es sich beim gemeinsamen Jammen?
London: Mein eigentlicher Stil passt nicht von allein zu Rikks Spiel – und das war ein frustrierender Teil unserer Entwicklung. Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns beide angepasst haben. Sie haben mir Demos von Songs mit verschiedenen Schlagzeugern vorgespielt, und nichts davon fühlte sich für mich richtig an, also bat ich sie, mir die Chance zu geben, sie zu überarbeiten. Die meisten von Rikks klassischen Stücken haben eine Art hektisches Surf-Garage-Feeling, und genau das ist es auch, was er von einem Schlagzeuger erwartet – aber ich weigerte mich, das zu spielen. Ich wollte etwas Schwereres – offener, primitiver und böser! Ich denke, wir haben einen guten Kompromiss gefunden.

Auf eurer ersten Single findet sich eine neue Version des CHRISTIAN DEATH-Songs „Figurative theatre“. Warum das? Um eine Kontinuität zu zeigen?
London: Dahinter steckte kein Kalkül. Wir hatten unsere erste Show vor uns und hatten einfach noch nicht genug eigene Stücke für ein komplettes Set fertig. Ich dachte mir auch, dass wir das Publikum nicht die ganze Zeit mit unbekanntem Material bestrafen sollten, also schlug ich vor, einen CHRISTIAN DEATH-Song einzubauen. Ich hätte auch liebend gerne einen von SAMHAIN gespielt, muss ich zugeben. James schlug ein paar Titel vor und „Figurative theatre“ hat es mir sofort angetan. Es war allerdings schwierig, Devix dazu zu bewegen mitzumachen, weil natürlich sofort Vergleiche mit dem ursprünglichen Gesang von Rozz Williams gezogen werden können, aber ich denke, er hat es am Ende gut hinbekommen. Während unsere Aufnahme Rozz und der klassischen Version des Songs Ehre erweist, denke ich, dass wir eine respektvolle Aktualisierung – oder „Symbolisierung“ – hinbekommen haben.
Devix: Als ich zur Band stieß, lief sie unter dem Namen PERU RESH. Nachdem wir ein paar Mal geprobt hatten, wussten wir einfach, dass unsere Arbeit einen völlig neuen Namen brauchte. SYMBOLISM wurde vorgeschlagen und stand auch zur Verfügung. Rikk und James entschieden sich dann dafür, „Figurative theatre“ spielen zu wollen, glaube ich. Definitiv, um Rozz zu ehren. Ich wurde nicht wirklich von Rozz’ Arbeit beeinflusst, aber es macht riesigen Spaß, ihn jetzt irgendwie in der Nähe zu haben.
James: „Figurative theatre“ war einer der wenigen Songs, die noch nicht so oft von Tribute-Bands gecovert wurden. Er hat für Rikk und mich einen besonderen Stellenwert – abgesehen davon, dass wir ihn live immer gerne gespielt haben. Londons Herangehensweise an den Song hat wirklich dazu beigetragen, dass er sich deutlich von der Originalversion unterscheidet. Indem er einen anderen Schlagzeugbeat unter die Strophen legte, eröffnete er die Möglichkeit, den Song mit neuen Gitarren- und Bassparts sowie Hintergrundgesang zu überarbeiten und den Weg für Devix’ Interpretation freizumachen. Devix hat es geschafft, den Song zu seinem eigenen zu machen, was nach Rozz nicht einfach war. All diese großartigen Beiträge führten zu dem, was wir bei SYMBOLISM gerne als „symbolisierte“ Version des Songs bezeichnen.

Euer Produzent war Bill Metoyer, ein Name, der bei allen eine Gänsehaut erzeugt, die wissen, für wie viele kultige Bands er gearbeitet hat. Warum habt ihr ihn ausgewählt, wie seid ihr in Kontakt gekommen und wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
James: Wir hatten mit Bill schon bei früheren Demos in verschiedenen Besetzungen zusammengearbeitet. Bill ist einfach unglaublich, er ist so ruhig, cool, schnell und geschickt hinter dem Mischpult. Er sorgt dafür, dass sich jeder bei seiner Arbeit wohl fühlt, und gibt bei Bedarf wichtige Hinweise. Es ergab einfach nur Sinn, wieder mit Bill zu arbeiten, außerdem ist es toll, mit ihm abzuhängen.

SYMBOLISM spielen – so wie CHRISTIAN DEATH – Deathrock, ein Musikgenre, das in Europa einst nicht wirklich bekannt war. Wir sprachen hier eher von Goth und Wave. Aber vielleicht sind das auch nur verschiedene Namen für die gleiche Sache. Was, würdet ihr sagen, ist typisch für dieses Genre?
James: Deathrock war unsere Version von Punk, die ihre Wurzeln in den dunkleren Visionen von Rozz hatte. Klanglich war es die Kombination von Punk mit unseren musikalischen Einflüssen und Persönlichkeiten. Der Sound von SYMBOLISM basiert auf denselben Gefühlen, weshalb die Musik einen vertrauten Klang hat.

Gibt es irgendwelche unveröffentlichten oder bislang unaufgenommenen CHRISTIAN DEATH-Songs, die in einer SYMBOLISM-Version das Licht der Welt erblicken könnten?
James: Auf jeden Fall! Rikk und ich sitzen auf einer wahren Fundgrube von Riffs, die wir in neue Songs einflechten können. Mit London und Devix als aktive Songschreiber, Mitwirkende und Arrangeure werden wir in der Lage sein, diesen zeitlosen Riffs endlich Leben einzuhauchen. Ich für meinen Teil freue mich riesig darauf, mit dem Schreiben der Musik für das zweite Album zu beginnen.

Als ihr CHRISTIAN DEATH damals gegründet habt, kanntet ihr euch da schon?
James: Ich wusste, dass Rikk bei den ADOLESCENTS war, wegen des blauen Albums, aber ich hatte ihn nie getroffen, bevor ich der Band beitrat.

James, 1984 hast du eine Platte mit DARK AGE veröffentlicht, deren Stil völlig anders war als der von CHRISTIAN DEATH. Danach wird es schwer, etwas über dich zu finden. Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?
James: DARK AGE waren die Band, die ich nach „Only Theatre Of Pain“ gründete, um meine Liebe zum Metal auszuleben, der von meiner dunklen CHRISTIAN DEATH-Vergangenheit beeinflusst war. Nach dem Ende von DARK AGE war ich bei DAUCUS KAROTA, mit Rozz, George, Eddie Sedano von CATHEDRAL OF TEARS und LJ Isaacs von DARK AGE. In dieser Besetzung haben wir einige Songs geschrieben, aber das war nur von kurzer Dauer, und ich habe noch ein paar Jahre mit anderen Goth- und Metal-Bands gearbeitet. Im Jahr 2006 haben wir uns als CD 1334 anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von „Only Theatre Of Pain“ neu formiert. Die Band spielte eine Reihe lokaler Shows, gefolgt von einer Europatournee im Winter 2007. Nach meiner Rückkehr hängte ich den Bass wieder an den Nagel, bis wir 2014 wieder neu begannen. Die aktuelle Inkarnation der Band ist außerordentlich erfreulich. Die Zusammenarbeit mit Rikk, das Songwriting und das gemeinsame Abhängen waren in den letzten Jahren großartig. Mit London und Devix haben wir jetzt eine voll funktionierende Band, die gemeinsam neue Musik machen kann.

Wann wird das Album veröffentlicht?
James: Die Musik ist fertig, gemastert und bereit für die Vinylpressung. Wegen Corona sind die Presswerke stark im Rückstand, was das Erscheinen unseres Albums noch weiter verzögert.