Mit „A Sign Of Things To Come“ haben SYLOSIS sich selbst übertroffen. War das Quasi-Comeback nach der Pause, „Cycle Of Suffering“, schon ein riesiger Schritt nach vorne, ist das sechste Werk der Briten noch ein Stück besser. Wir sprechen mit Mastermind Josh Middelton darüber.
Lass uns am Anfang kurz über den Elefanten im Raum sprechen. Vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass du nicht mehr bei ARCHITECTS dabei bist. Magst du etwas dazu sagen? Hat sich das länger angedeutet?
Das ging recht schnell über die Bühne und hat sich nicht lange angebahnt. Ich würde sagen, dass wir zusammen zu der Entscheidung gekommen sind, dass unsere gemeinsame musikalische Reise zu Ende ist. Aber wir sind immer noch ziemlich gute Freunde. Erst gestern habe ich mit Sam gesprochen. Wir möchten in der Angelegenheit eher vage bleiben, da wir immer noch gut befreundet sind. Je mehr wir darüber sprechen, desto mehr wird aus dem Kontext gerissen und verdreht. Aber es gibt keinen Streit oder böses Blut. Bei den letzten beiden Konzerten, die ich mit ihnen gespielt habe, war mir klar, dass es mein Abschied werden würde. Als ich in die Band eingestiegen bin, waren wir Freunde und nun sind wir immer noch Freunde. Alles gut.
Wie fühlt es sich an, nun wieder nur eine aktive Band zu haben?
Es ist auf jeden Fall etwas relaxter, nur noch ein Projekt zu haben. Darüber hinaus verfolge ich noch viele andere Aktivitäten. Aber nur eine Band macht das Leben auf jeden Fall etwas einfacher. Bevor SYLOSIS 2016 eine Pause gemacht haben und ich dann ARCHITECTS beigetreten bin, fühlte ich mich mit SYLOSIS musikalisch etwas in eine Ecke gedrängt, aus der ich nicht ausbrechen konnte. Deshalb legte ich damals die Band auf Eis. Wir haben nur in E-Standard gespielt, unsere Gitarren nicht tiefer gestimmt, hatten keine Breakdowns und haben versucht, uns von dem, was Anfang der Zweitausender als Metalcore bezeichnet wurde, abzugrenzen. Diese Selbstbeschränkung fühlte sich aber irgendwann nicht mehr gut an. Mittlerweile haben wir diese Limitierungen abgestreift, klingen aber dennoch immer noch nach SYLOSIS. Wir gehen viel entspannter mit anderen Einflüssen und Klängen in unserer Musik um.
Den größten Sprung habt ihr meiner Meinung nach in Sachen Klargesang gemacht. Gab es in der Vergangenheit schon einige Ansätze diesbezüglich, ich erinnere mich zum Beispiel an einen Hidden Track auf „Monolith“, was aber auf „A Sign Of Things To Come“ abgeht, ist ein ganz anderes Level. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Ich wollte einfach ein besserer Sänger werden. Zum einen habe ich sehr viel geübt, zum anderen hatte ich auch Gesangsunterricht. Jedoch nur fürs Schreien. Ich denke aber, die Techniken, die ich dabei gelernt habe, waren auch für den Klargesang hilfreich. Ich war nie schlecht, aber habe mich jetzt einfach weiterentwickelt. Vieles hat auch mit unserem Manager zu tun. Nach „Cycle Of Suffering“ kam er zu uns und meinte, dass das zwar ein gutes Album sei, wir aber noch nicht unser volles Potenzial abrufen würden. Es würden die Hymnen fehlen und wir sollten größeres Augenmerk auf den Gesang legen. Im ersten Moment war ich davon etwas irritiert, aber dann habe ich es verstanden. Wir haben diesmal also viel akribischer an den Details gearbeitet. Das Ziel war es, ein klassisches Album zu schreiben. Auch heftigere Alben wie „Iowa“ von SLIPKNOT oder „Far Beyond Driven“ von PANTERA fallen für mich in diese Sparte. Der Vortrag darauf ist unglaublich und jeder Song ist ein Hit.
Wie fühlt es sich nach fünf Alben an, wenn jemand zu dir sagt, dass ihr immer noch nicht euer Potenzial abruft?
Zuerst war es schon komisch. Mittlerweile stimme ich ihm aber zu. Es gehört beim natürlichen Reifeprozess dazu, denke ich. Bevor ich bei ARCHITECTS eingestiegen bin, habe ich bei SYLOSIS immer alles alleine geschrieben. Bei ARCHITECTS habe ich ja auch ziemlich schnell Lieder beigesteuert. Dan hat die Dinge, die ich geschrieben habe, dann umarrangiert. Bei den ersten Songs, die ich ihm geschickt habe, hat er Parts herausgeschnitten oder verschoben. Ich fand es damals richtig scheiße, dass jemand an meinen Lieder herumfummelt. Nach einer Weile habe ich aber gelernt loszulassen, Perspektiven von außen zuzulassen oder andere Meinungen zu akzeptieren. Das hat mir auch sehr bei SYLOSIS geholfen. Ich habe die anderen Jungs in der Band viel öfter um Rat und Feedback gebeten. Außerdem haben wir bei dem aktuellen Album auch mit einem Produzenten zusammengearbeitet, Scott Attkins. Mit ihm habe ich eine große Vorproduktion gemacht. Wir haben zum Beispiel an den Refrains gearbeitet. Mittlerweile weiß ich nicht nur mit Kritik umzugehen, sondern bin sogar aktiv auf der Suche danach. Das ist also einfach ein Reifeprozess gewesen.
Ich würde gerne noch über eine Sache sprechen, die mir beim Durchhören aufgefallen ist. Du benutzt auf dem Album aus meiner Sicht sehr häufig eine religiöse Terminologie. Was hat es damit auf sich?
Der Anteil an religiösen Inhalten in den Texten ist vergleichsweise klein. Aber wie du schon angemerkt hast, gibt es einiges an religiösem Vokabular auf der metaphorischen Ebene. Was ich sehr mag, ist eine Art Gothic-Ästhetik. Alte, religiöse Ideen und Begriffe fühlen sich für mich oft finster und „gothic“ an. Es geht da oft nur um das Gefühl, das den Worten innewohnt, weniger um deren direkten Inhalt.
© by Fuze - Ausgabe #101 August/September 2023 und Manuel Stein
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