SVETLANAS trugen eine Weile das absurde Etikett „gefährlichste Band der Welt“, verliehen vom Magazin Dying Scene. Schaut man aber hinter die Kulissen, merkt man schnell, dass Sängerin Olga und Schlagzeuger Diste, die beiden Konstanten der Band, sehr liebenswerte, nette und lustige Menschen sind. Natürlich genau wie der Promi im Line-up: Bassist Nick Olivieri, bekannt von KYUSS, QUEENS OF THE STONE AGE oder DWARVES. Allerdings sind SVETLANAS auch Menschen, die es nicht versäumen, ihre Meinung deutlich und lautstark zu formulieren. Das setzt sich auch auf „Disco Sucks“ fort, ihrem fünften Album, das Mitte März bei Demons Run Amok erschienen ist.
Im Video zu eurem Song „Jump“ trägst du ein Brautkleid. Glückwunsch! Ich wusste gar nicht, dass Diste und du geheiratet haben ...
Das ist auch schon eine Weile her. Wir haben uns schon vor zehn Jahren das Jawort gegeben und das, was ich in dem Video trage, ist wirklich mein Hochzeitskleid von damals. Wir haben eine großartige Party in Mailand geschmissen mit jeder Menge Wodka. Und wir haben ein gemeinsames Konzert mit unseren Freunden RAW POWER und NABAT organisiert. Eine richtig coole Gang aus italienischen Oldschool-Bands. Es war fantastisch. Diste ist nicht nur mein Ehemann, sondern auch mein bester Freund. Ich kann mir gar nicht vorstellen, ohne ihn an meiner Seite zu arbeiten. Wir sind jetzt seit zwölf Jahren zusammen und ich bin immer noch total verliebt in ihn.
Bei dem Videodreh sind ja noch mehr bemerkenswerte Sachen passiert. Zum Beispiel ist da ein echtes Verbrechen dokumentiert. Erzähl mal.
Das sind Bilder von der echten Überwachungskamera von Nicks Haus in Joshua Tree. Jemand hat versucht, dort einzubrechen, und wir haben die Aufnahmen verwendet. In dem Song geht es allerdings um psychische Probleme, um Depressionen und um meine bipolare Störung. Sozusagen ein Sprung von den SVETLANAS in meine echte Welt. Vor allem die letzten zwei Jahre waren ganz schön hart für mich, deshalb habe ich versucht, einen Song darüber zu schreiben und meine Erkrankung in Kunst zu verwandeln. Der Regisseur des Videos ist übrigens unser Bassist Steve. Wir machen fast alles selbst.
Wann warst du eigentlich das letzte Mal in einer Diskothek?
Das ist schon eine ganze Weile her. Ich war nur ein paar Mal in Diskotheken. Das ist nicht unbedingt ein Ort, an dem ich mich sehr wohl fühle.
Aber die Italiener sind doch bekannt für ihre Vorliebe für Discomusik. Und ihr wohnt ja in Mailand.
Das kann schon sein, aber auch Diste, Steve und Dan sind keine großen Disco-Fans.
Habt ihr deshalb euer Album „Disco Sucks“ getauft? Oder das mit dem D.O.A.-Song aus dem Jahr 1992 zu tun?
D.O.A. sind eine großartige Band. Wir lieben sie, ob auf und abseits der Bühne. Für diese Jungs hegen wir jede Menge Respekt und Sympathien. Ihr Song hat aber nichts mit unserem Albumtitel zu tun. Musik ist für uns eine Form von Widerstand, also drücken wir unsere Gegenwehr gegen Faschismus und Rassismus in unseren Liedern aus. Was das Albumcover betrifft, haben wir eine Platte gemacht, die wohl 1979 in der so genannten „Disco Demolition Night“ zerstört worden wäre. Das war eine Baseball-Werbeaktion in Chicago, inspiriert vom Rock-DJ Steve Dahl – einem Disco-Hasser. Bei einem Spiel von den Chicago White Sox gegen die Detroit Tigers sprengte der Veranstalter eine Kiste mit Disco-Alben in die Luft. Viele Besucher waren nur wegen der angekündigten Sprengung gekommen und stürmten nach der Explosion das Spielfeld. Das Spiel musste abgebrochen werden. Die Aktion ist also gründlich danebengegangen. Wir wollen mit dem negativen Slogan auf die vielen Vorurteile aufmerksam machen, die uns umgeben. Auch wenn wir selbst mit Disco nichts anfangen können.
Lass uns mal über ein paar Songs reden. Was ist mit „Pussification“ gemeint?
Vor zwei Jahren haben wir eine US-Tour mit BARB WIRE DOLLS abgebrochen, weil die sich in unseren Augen damals nicht klar gegen Nazis positioniert haben. Daraufhin hat man uns die „Pussification des Punkrock“ vorgeworfen. Dem Tourabbruch ging ein Vorfall in New Hampshire voraus. Dort ist bei einer Show ein Typ mit einem SS-Totenkopf-Aufnäher aufgetaucht. Als der Veranstalter ihn nicht rausschmeißen wollte, haben wir uns entschlossen, das Konzert zu canceln. Weil von BARB WIRE DOLLS keinerlei Unterstützung kam, haben wir schließlich die ganze Tour abgesagt. Da wären noch 18 Konzerte zu spielen gewesen. Wir weichen von unserer Haltung keinen Millimeter ab: SVETLANAS werden immer gegen Nazis, Faschisten und Ignoranten kämpfen.
Warum sollten wir unserer Mutter ins Gesicht spucken, wie du es in einem anderen Song empfiehlst?
Weil das einfach Rock’n’Roll ist. Haha. Und übrigens möchte ich auch mit einem Mythos aufräumen: Nicht jeder hatte eine gute Mutter.
Wo ist das Album entstanden?
Wir haben alle Songs in unserem Lieblings-Skatepark in Mailand aufgenommen. Gemischt und produziert von Diste. Diesmal haben wir zum ersten Mal komplett alles auf eigene Faust gemacht. Der Ort heißt Pinbowl und ist ein riesiger Indoor-Skatepark. Dort konnten wir unser eigenes kleines Studio einrichten, weil wir den Besitzer gut kennen und er uns das Angebot gemacht hat. So sind wir völlig unabhängig, was Aufnahmen betrifft. Wir machen alles aus dem DIY-Gedanken heraus oder weil uns die Community wichtig ist. Es geht uns nicht darum, Geld zu sparen, sondern frei zu sein. Aber natürlich, im Vergleich zum Vorgängeralbum „This Is Moscow Not LA“, das wir in Josh Hommes Studio in Los Angeles aufgenommen haben, haben wir natürlich jede Menge Geld gespart. An unserer Freundschaft zu Josh und Nick hat sich dadurch nichts geändert. Dank Fabio, dem Eigentümer vom Pinbowl Skatepark, sind wir jetzt völlig autonom.
Die Gitarrenspuren musstet ihr aber zweimal aufnehmen. Was war der Grund dafür?
Während der Aufnahmen hat sich ein Wechsel im Line-up ergeben. Für uns sind SVETLANAS Familie, da gibt es keinen Platz für Bullshit. Unser Gitarrist Mike hatte schon alle Spuren eingespielt, und nachdem Dan für ihn bei den SVETLANAS eingestiegen ist, musste er alles noch einmal neu einspielen. War aber kein größeres Problem.
Auf „Disco Sucks“ sind auch die Stimmen von einigen jungen Skatern zu hören. Die haben sich wohl zufällig ins Studio verirrt.
Nein, wir wollten dem Skatepark einfach etwas zurückgeben. Ich möchte gerne auch die Kids dort unterstützen, deshalb sind sie im Refrain von „Don’t do it“ zu hören. Zusammen mit Nick übrigens. Nick hat seine Gesangsspur in Melbourne aufgenommen, während unserer gemeinsamen Tour in Australien. Er wird uns demnächst im Studio in Mailand besuchen, wenn er mit MONDO GENERATOR in Europa auf Tour ist.
Wie habt ihr euer neues Label Demons Run Amok gefunden?
Das war ein Vorschlag von unserer Bookerin Ute bei MAD Tourbooking. Wir haben uns auf einen Kaffee verabredet und die Chemie hat gleich auf Anhieb bestens gestimmt. Es war großartig, Leute zu treffen, die daran glauben, was wir tun, und unsere Ansichten von Musik und Politik teilen.
Zu den zehn Songs auf eurem Album wollt ihr zehn Videos drehen. Wie ist denn dieser ehrgeizige Plan entstanden? Klingt nach einer Challenge.
Getreu unserer DIY-Philosophie kümmern wir uns um unsere Promotion selbst. Wir können also alles machen, worauf wir Lust haben. Deshalb also zehn Videos. Extra dafür haben wir auch ein eigenes Kollektiv ins Leben gerufen: Svets Modular Collective. Wir teilen unser Wissen mit all den Jungs bei uns im Skatepark. Da gehören Videodrehs natürlich dazu. Wir stellen dann unser Equipment zur Verfügung und freuen uns über viele tolle, neue Ideen.
Was hältst du von der aktuellen politischen Situation in Italien und dieser neuen Protestgruppe, die sich „Sardinen“ nennt?
Ich finde, die Situation ist ähnlich schlimm wie in den Vereinigten Staaten, in Russland, in Deutschland oder England. Überall gewinnen die Rechtspopulisten immer mehr an Einfluss. Das ist furchtbar. Die Sardinen sind eine Protestbewegung, die sich gegen den Ex-Innenminister Matteo Salvini von der rechtsgerichteten Lega Nord richtet. Eine Bewegung, die ich sehr sympathisch finde. Endlich sind Gehirne die neuen Titten!
SVETLANAS spielen dieses Jahr bei einigen großen Festivals. Was ist noch so geplant?
Wir können es kaum erwarten wieder in Las Vegas beim Punk Rock Bowling und beim Rebellion in Blackpool auf der Bühne zu stehen. Außerdem bereiten wir gerade eine umfangreiche Europatour vor und wir werden dieses Jahr auch das erste Mal in Mexiko unterwegs sein. Das wird wild!
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