SVALBARD

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Metal is for mental health

METAL IS FOR MENTAL HEALTH. Mit dem Zitat „Sing what you can’t say“ des Finnen Tuomas Holopainen startet Serena Cherrys Infotext zum vierten SVALBARD-Album. Im Studio wurde zu Musik, was sonst nur hinter verschlossener Tür erlebt wird – während man innerlich zerfällt. SVALBARD schenken uns Songs, die dich besser kennen als deine Freunde.

Im letzten Interview hast du bereits betont, wie wichtig Politik in euren Texten ist und es ist ziemlich offensichtlich, dass es bei SVALBARD nicht nur um Musik geht. Was psychische Erkrankungen geht, vor allem in der Musikindustrie, was muss noch getan werden, um Menschen zu helfen, die darunter leiden? Eine Show oder Tour lässt sich ja nicht problemlos und spontan verschieben – sicherlich ist es eine enorme Herausforderung, Probleme mit der psychischen Gesundheit und die Mitgliedschaft in einer Band unter einen Hut zu bringen.

Ich habe neulich ein Meme gesehen: „Musik ist das Einzige, was du liebst und was du machen willst, sie soll jeden Aspekt deines Lebens ausfüllen“, aber in einer Band zu spielen fordert ebenso seinen Tribut an die mentale Gesundheit. Und wie du schon sagst, kann man sich nicht wirklich krank melden und so wird man ziemlich gut darin, sich zu verstellen, um durchzukommen. Es gibt natürlich jede Menge Druck, weil es eine begehrte Branche ist und weil du das Glück hast, in einer Band zu sein, die eine Plattform oder ein Publikum hat, wird irgendwie erwartet, dass du nonstop arbeitest, und dieser Druck kann dich kaputt machen. Ich hatte seit Jahren keinen einzigen freien Tag mehr. Und ja, ich glaube das ständige Bedürfnis nach mehr Inhalt, der ständige Druck, immer mehr zu machen, kann manchmal wirklich erdrückend sein. Schließlich verwechselt man diese ganze Beschäftigung damit, sich um sich selbst zu kümmern und sich zu erholen, auszuruhen und man rennt einfach weiter und und füllt den Kalender mit Presseterminen und und Touren und Shows und den anderen Aspekten des Bandlebens und dann kommt man an einen Punkt, ein Jahr später, und hat sich immer noch keine Zeit für sich selbst genommen hast und hat sich sozusagen unter den Anforderungen des Bandlebens begraben und sich nicht darum gekümmert, was in seinem Kopf vorgeht. Also entweder man arbeitet und funktioniert oder nicht. Es gibt nicht wirklich etwas, was jemand von außen tun kann.

Wir haben bereits früher über die Herausforde­rungen gesprochen, als Frau im Metal oder in der Musikindustrie allgemein unterwegs zu sein. (Siehe FUZE.100) Eine Weile nach unserem Gespräch kam Shelby Lynn mit ihrer RAMMSTEIN-Geschichte he­raus. Glaubst du, dass wir vielleicht noch erleben, dass es Machtmissbrauch und Ungleichbehandlung nicht mehr gibt und dass die Branche ein sicherer Raum für Frauen überall sein kann? Du darfst auch einfach nein sagen.
Das ist eine interessante Frage, denn ich würde liebend gerne ja sagen, wirklich sehr gerne. Ich glaube, wir werden noch zu unseren Lebzeiten die Gleichberechtigung der Frauen in der Musikindustrie erleben. Eines der Dinge, die mir wirklich Hoffnung geben, ist der Gedanke, wie viel sich alleine in den letzten zehn Jahren verändert hat. Vor zehn Jahren, als wir SVALBARD gründeten, war ich bei einem Festival oder einer ganztägigen Show oft die einzige Frau*, die dort auftrat. Und es gab keine weibliche Crew, keine anderen Frauen* auf der Bühne. Ich hatte das Gefühl, ganz allein dazustehen. Und ich habe bei jeder Show so viele miese Kommentare bekommen. Es ist Veränderung zu spüren, die mich recht hoffnungsvoll stimmt. Auf vielen Festivals, auf denen wir gespielt haben, habe ich viele tolle Frauen gesehen, die auf der Bühne standen, das ist großartig! Je mehr wir da draußen sind und uns selbst präsentieren, desto mehr Leute werden hoffentlich aufhören, diese dummen Ansichten zu vertreten, wo es heißt: Oh, sie sind nur dazu da, um das Sexobjekt zu sein! Du weißt, was ich meine, diese ganzen abwertenden Kommentare. Ich hoffe, dass sich das ändert und es als Frau* in einer Band nicht mehr darum geht, wie man aussieht, sondern welche Musik man macht, was fantastisch wäre. Ich meine, es hat sich in den letzten zehn Jahren so viel verändert, dass ich wage zu denken, dass es vielleicht in den nächsten zehn Jahren noch besser wird. Aber dann hört man von den RAMMSTEIN-Vorwürfen und denkt, vielleicht doch nicht, vielleicht ist es einfach eine falsche Hoffnung.

Möchtet du noch irgendetwas zum Album sagen, das dir wichtig ist?
Interessant ist vielleicht noch, dass das Album, jeder Song auf dem Album eine Referenz zu anderer Musik oder anderen Dingen ist, die mich durch meine Depression gebracht haben. „November“ ist eine Anspielung auf einen Song der Neunziger-Jahre-Band ALL ABOUT EVE, in dem es um den Vorabend des Dezembers geht, deshalb heißt er auch so. Der ganze Song handelt davon, dass man das Gefühl hat, dass alle Menschen in der Weihnachtszeit eine heile Familie oder eine liebevolle Beziehung haben und sich wohl fühlen. Man selbst fühlt sich sehr isoliert und als wäre man der einzige Mensch auf der Welt, der das nicht hat. Das stimmt zwar nicht, aber so wird Weihnachten eben vermarktet, damit es sich so anfühlt. November ist sozusagen der Anti-Weihnachtssong, und darum geht es in diesem Lied. „Be my tomb“ ist eine Anspielung auf Gary Moores „Empty rooms“, speziell der Text. Leere Räume, in denen wir lernen, ohne Liebe zu leben. Als jemand, der alleine lebt, ist das etwas, was ich mit diesem Text sehr gut nachvollziehen kann Es war das schwierigste Album für uns, aber wenn ich es mir jetzt anhöre, bin ich stolz. Es fühlt sich fast so an, als ob es einen Sturm repräsentiert, den wir als Band überstanden haben.