Anfang der Neunzigerjahre war es um den Garagerock nicht gut bestellt. Die meisten Bands waren besessen davon, die Licks und Frisuren ihrer Helden aus den 60s zu imitieren, aber dann kamen SUPERCHARGER auf die Bildfläche. Mit ihrem kruden "Budget Rock" brachten sie wieder Spaß in die Szene, oder sie ruinierten sie, ganz wie man es betrachtet. Rund um die Welt inspirierten sie junge Leute dazu, Musik zu machen, auch wenn die einfach gar nichts konnten. Leider habe ich es nie geschafft, sie zu Lebzeiten auf der Bühne zu erleben (sie lösten sich 1993 auf), aber letztes Jahr spielten sie unverhofft ihr erstes Konzert seit 13 Jahren beim wunderbaren Rotterdamer Rumble-Festival. Gitarrist und Sänger Darrin Raffaeli war so freundlich, mir einige Fragen über ihre Karriere und ihre unerwartete Rückkehr zu beantworten.
Wart ihr etwas nervös vor eurem ersten Auftritt seit 13 Jahren?
Ich war schon ziemlich aufgeregt. Greg wollte, dass ich Karen nichts davon erzähle, denn sie sollte nicht auch noch nervös werden. Greg ist ein alter Profi, ein New Wave-Sinatra, also ist er nie nervös. Nach ein paar Songs war es okay. Weil wir auf der Bühne nichts hören konnten, wussten wir, dass wir es versauen, aber niemand hat es gestört. Ich habe wie ein Wasserbüffel geschwitzt, das hat mein Gitarrespiel-Handicap um 300 Prozent vergrößert. Irgendwie enttäuschend, denn wir haben das letzte halbe Jahr sehr hart gearbeitet, zwei Tage pro Woche! Und trotzdem konnten Greg und ich immer noch nicht alle Texte. Manches ändert sich nie!
Wer hatte die Idee, und warum ausgerechnet Rotterdam-Rumble?
Das war die Idee von Stefan, dem Veranstalter. Er fragte Greg, ob die RIP OFFS spielen würden, und er meinte, es wäre bestimmt einfacher, SUPERCHARGER zu bekommen. Und Stefan sagte "Okay, wie wär's denn dann mit euch?" Dann rief Greg Karen und mich an und wir sagten Ja. Lasst uns die furchtbare Zeit vergessen, die wir 1993 hatten. Und das taten wir auch. Es war ein Knaller! Ich hatte ganz vergessen, wie lustig Karen und Greg sein können. Und wir haben fantastisches Essen bekommen.
Waren die amerikanischen Fans angepisst, dass die Reunion in Europa stattgefunden hat? Wird es weitere Shows geben?
Ich glaube, das kümmert niemanden. Damals, 1991 oder '92, hat sich auch keiner um uns geschert. Ich kann nicht sagen, ob wir weitermachen. Wir waren uns einig, dass wir es nicht bis zum Tod machen wollen, und ganz bestimmt werden wir keine neue SUPERCHARGER-Platte aufnehmen.
Wie stehst du im Allgemeinen zu Reunion-Shows?
Ich bin wirklich kein Fan von Reunions, es sei denn, ich habe die Band in ihrer ersten Phase bereits gesehen. Wie etwa UNTAMED YOUTH, die 1999 in Vegas genau so gut waren wie 1992. Ich sehe sie immer noch gerne, und ich würde gerne auch noch mal die DEVIL DOGS, TEENGENERATE, LOLI & THE CHONES und die RETARDOS sehen, günstigstenfalls alle am gleichen Abend für fünf Dollar im Chameleon. Ich glaube, ich verdiene es nicht, eine Band zu sehen, die ich während ihrer ersten Periode nicht sehen konnte. Die Erfahrung aus erster Hand mit einer Band zu haben, macht sie meistens bei einer Reunion noch besser. Die meisten Bands aber können kaum die Erwartung derjenigen erfüllen, die sie zuvor noch nie gesehen haben. Die Erwartungen kommen aus der Vorstellungskraft, die meisten erwarten etwas Übermenschliches. Oder, weil der Hype unsinnig war, und es dann Enttäuschungen gibt - wie bei SUPERCHARGER. Zudem gibt es noch diese "Fans", die eine Ära wieder erleben wollen, so was finde ich sehr ärgerlich. Ich ziehe mir Hippie-Klamotten an, nächste Woche eine Lederjacke, und übernächste Woche drücke ich Heroin. Ganz toller Typ! Dummerweise habe ich durch diese Eingrenzung einige echt coole Shows verpasst. Das sind allerdings die Ausnahmen. Die TRASHMEN und die WAILERS waren groß. Und die ersten REAL KIDS-Reunion-Shows waren klasse. Auch QUESTION MARK & THE MYSTERIANS und die LYRES werden immer großartig bleiben, doch deren Konzerte kann man kaum "Reunion" nennen. Sylvain Sylvain war einzigartig, aber ich werde mir wahrscheinlich die Dolls nicht ansehen, ich glaube, ich könnte das Publikum nicht ertragen. Roy Loney ist auch noch Wahnsinn. Und die HYPSTERZ werden ewig großartig bleiben. BEAT waren klasse, Little Richard auch, selbst mit seinen zwei Bassisten. Und für ein paar Bands würde ich auch eine Ausnahme von der Regel machen.
Wie ging es mit SUPERCHARGER eigentlich los?
Die Band hat eben einfach losgelegt. Wir hatten keine anderen Freunde. Wir haben ein paar Songs geschrieben und sie aufgenommen, denn wir dachten, es wäre toll, eine eigene Platte zu haben. Wir hätten nie gedacht, dass wir davon was verkaufen könnten, oder gar ein Konzert spielen würden. Ehe man uns fragte, im Chameleon zu spielen, haben wir nie gesagt "Wir müssten mal auftreten". Wir hätten auch gar nicht gewusst, wie man an Shows kommt. Ernsthaft, wir hatten überhaupt keine Ahnung. Ich weiß es noch genau, Tom Guido schickte uns eine Postkarte und fragte, ob wir Lust hätten, mal zu spielen. Karen und ich sahen uns an und wurden blass. Wir sagten: "Was, wir sollen wirklich vor Publikum spielen?". Greg hat uns dann überredet, so wie es ein Boss eben macht. Er und ich gingen dann eine Woche vor dem Gig zum Chameleon. Tom war dort, und sie sagten, wir sollen da nächste Woche spielen. Greg hat alles geregelt, ich hatte Schiss. Er fragte, was wir mitbringen sollen. Und Tom sagte: "Bringt einfach euren Kram mit". Und wir meinten: "Müssen wir auch Mikros mitbringen? Wir haben doch gar keine PA". Tom sagte dann: "Nein, Mann! Wir haben so was hier". Kannst du dir vorstellen, dass eine Band ihre eigene PA mit in den Club bringen muss? Wir waren Trottel. Und deshalb ist die erste SUPERCHARGER-LP, so schrecklich sie auch ist, die einzige ehrliche Platte, die ich jemals gemacht habe. Alles, was ich danach veröffentlicht habe ist Eselscheiße, und alles passierte aus genau den falschen Gründen. Und es ist nicht ein Millionstel Prozent so inspiriert wie dieses erste Album.
DONNY DENIM, war das ein Soloprojekt? Wenn nicht, wer war dabei, und seid ihr auf Tour gewesen?
DONNY DENIM war eine Comedy-Platte, aufgenommen zusammen mit Brian und Rockin' Kathy Walker von den RETARDOS. Wir haben so dreist versucht, lustig zu sein, dass ich mich immer noch vor Verlegenheit am Kopf kratzen muss, wenn mich Leute darauf ansprechen. Auf dem Cover wollte ich so aussehen wie Big Ragu, doch es sah aus wie ... was weiß ich. Meine Freundin Nici, die das Cover gestaltet hat, musste meine Glatze retuschieren. Glücklicherweise hat mich Mike Lucas dann gebeten, "Necro Sue" mit den PHANTOM SURFERS aufzunehmen, das war dann wirklich das, worum es bei DONNY DENIMBECILE gehen sollte. Keine Tour. Keine Shows. Keine weiblichen Fans. Er kam auf der PHANTOM SURFERS-"Rated X"-LP raus.
Sind Aufnahmen mit den HAMBOOGERS geplant? Und wer ist dabei?
Wer hat dir das denn erzählt? Egal ... Die HAMBOOGERS gab es ja nur, weil die DONNAS uns baten, auf ihrer allerersten Fanclub-Show den Support zu machen. Das war draußen in der Wüste, und wir spielten Standard-Oldies wie "Little latin loope lu", "Good golly Miss Molly" und "King Tut". Ich war ziemlich betrunken und stoned, und ich kann mich kaum noch daran erinnern, aber ich bin mit einem Lächeln aufgewacht, also muss es wohl spaßig gewesen sein. Die Band war ein "Who is who" der Gay-Area-Musiker, Benji Day, Brett Stillo, Doran Shelley oder Russel Luigi. Karen hat nicht mitgespielt. Wir haben jedenfalls nur vier weitere Shows gespielt, davon waren drei scheiße. Die letzte Party, auf der wir gespielt hatten, hat aber alle geworfenen faulen Eier wettgemacht. Ein Mädchen hat mir ins Gesicht gespuckt, mich geohrfeigt, und ich habe Russel und Brett in einer Toga gesehen.
Jemand hat mir mal erzählt, dass ihr mal eine dreistündige Show gespielt habt. Ist das wahr?
Ich war niemals körperlich in der Lage, irgendetwas über drei Stunden zu tun. Manche frühen SUPERCHARGER-Gigs waren allerdings so schmerzhaft, dass es mir wie Tage vorkam. Wer erzählt dir eigentlich immer diesen Bullshit?
Wie hast du eigentlich die DONNAS entdeckt? Und wie viel älter als sie bist du?
Ich bin etwa 15 oder 16 Jahre älter als sie, aber die sind alle viel reifer als ich. Die Geschichte habe ich mittlerweile so oft erzählt, dass ich mir etwas ausdenken muss. Die wahre Geschichte ist nämlich gar nicht so spannend. Wir haben uns beim Kaffeebohnenpflücken auf einer kolumbianischen Plantage kennen gelernt. Aus den abgeernteten Kaffeebüschen haben wir einen Helikopter gebaut und sind damit nach Simbabwe geflogen, um Käse und Salami einzukaufen. Dann flogen wir wieder zurück nach Kolumbien, gerade rechtzeitig zur Kaffeepause. Und wir aßen dort Käse, Salami und tranken etwas Kaffee. Der Rest ist Geschichte. Ihre Eltern sind wirklich cool, sie haben mich nicht verprügeln lassen dafür, dass ich drei Jahre im Leben ihrer Töchter ruiniert habe. Sie sind aber auch echt nett, es macht Spaß, mit ihnen abzuhängen.
Was denkst du heute von den DONNAS? Bist du ein stolzer Vater?
Ich liebe die DONNAS. Sie haben sich kein bisschen verändert, seit ich sie zum ersten Mal traf. Sie haben drei Jahre lang mein Generve ertragen müssen. Und ich habe sie um drei Jahre ihres Lebens gebracht, das war einfach verlorene Zeit. Aber die meiste Zeit war es großer Spaß. Aber ich bin nicht stolz, denn ich habe ja nichts geschaffen. Ich höre sie immer noch gerne, und wenn sie in der Stadt sind, mache ich Shows für sie klar. Leute, die denken, alles über Musik zu wissen, hassen ihre neuen Platten, aber ich höre genau raus, was sie rüberbringen wollen, und das ist gar nicht so offensichtlich, wie es scheint. Die Leute hören aber nur "Metal". Wie auch immer, ich wünschte, ich könnte mehr Zeit mit ihnen und ihren Eltern verbringen, aber wir führen eben alle unser eigenes Leben.
Bringst du über Radio X und Superteem immer noch Platten heraus?
Im Moment habe ich nicht so den Drang, wieder Platten zu machen. Wenn ich es täte, würde ich wohl auch nicht mehr diese Labelnamen benutzen. Und dann würde ich wohl auch wieder etwas mit Karen und Greg machen, aber nicht SUPERCHARGER. Sie sind die Einzigen, mit denen ich es verdiene, Musik zu machen, weil wir alle auf dem gleichen Qualitätslevel spielen. Ich bin aber nicht sicher, ob Greg mitmachen würde. Er hat sich mittlerweile daran gewöhnt, mit Leuten zusammen zu spielen, die wirklich ihre Instrumente beherrschen. So muss er sich nicht so sehr auf das "Musikertum" konzentrieren und kann mehr Sinatra sein. Ernsthaft, er ist besser geworden. Es ist witzig, wir sind die letzten Jahre alle unsere eigenen Wege gegangen, aber als wir uns dann wieder trafen, wusste ich sofort wieder, warum wir es miteinander ausgehalten haben.
Übersetzung: Gereon Helmer
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