SUNNY DAY REAL ESTATE

Um diese Band ranken sich Legenden. Die als eher pressescheu geltenden SUNNY DAY REAL ESTATE haben schon viel seit ihrer Gründung im Jahr 1992 erlebt, u.a. eine Auflösung im Jahr 1995, der zwei Jahre später die Reunion folgte. Das Ox unterhielt sich mit Dan Hoerner, der es sich für dieses Gespräch auf seiner Farm in Washington bequem gemacht hatte. Als Anlass diente das neue Album "The Rising Tide" - ein Album, das nach hohen Erwartungen für gemischte Reaktionen sorgte.

Meine erste Frage: Wie es kommt, dass SUNNY DAY REAL ESTATE nach drei Alben für Sup Pop zu Time Bomb Recordings/BMG gewechselt sind. "Sub Pop waren kein besonders effektives Label", erklärt Dan. "Das hat unsere Entscheidung sicherlich beeinflusst. Wir wollen die Band einfach auf ein höheres Niveau heben, was unserer Meinung nach bei Sup Pop nicht möglich gewesen wäre. Außerdem haben wir unseren Vertrag mit ihnen erfüllt, schließlich haben wir die drei vereinbarten Alben abgeliefert." Gewissensbisse von wegen "böses Major-Label" - wir alle kennen diese Sprüche - hat er wegen dem Wechsel nicht: "Auch Sub Pop ist kein echtes Independent-Label mehr, weil es zu WEA gehört." Über den neuen Partner ist er zum Zeitpunkt dieses Interviews jedenfalls sehr glücklich: "Ich bin froh, dass wir bei Time Bomb untergekommen sind, weil sich die Leute dort echt für uns ins Zeug legen. Time Bomb haben einen Vertrag mit Arista Records, die wiederum mit BMG einen Vertrag haben. Wir wollen die starke Position der BMG in Deutschland ausnützen, um endlich mal nach Deutschland zu kommen. Wir haben noch nie in Deutschland gespielt!" Zeit wird´s, schließlich hat der gute Dan deutsche Vorfahren, wie er ausplaudert: "Mein Vater ist Deutscher, weshalb ich natürlich gerne mal zu euch käme." Gibt es denn schon konkrete Pläne für eine Deutschland-Tournee? "Wir hoffen, dass es im Oktober oder im November endlich klappt."

Was das neue Album anbelangt, so stellt sich zunächst einmal die Frage, ob der Titel "The Rising Tide" irgendeine tiefere Bedeutung hat. Dan: "Ja, das hat er, und zwar auf zwei verschiedenen Ebenen. In gewisser Weise hat der Titel eine bedrohliche Bedeutung, wenn man die ganzen Probleme der Welt betrachtet, was sich z.B. in Songs wie "Snibe" oder "Killed By An Angel" äußert. Eine Welle von Negativität, die auf einen zurollt", kommentiert er nachdenklich. "Auf der anderen Seite hat der Titel aber auch eine hoffnungsvolle Bedeutung, wenn man "The Rising Tide" als Beginn einer Reise betrachtet. Songs wie z.B. "One" oder "The Ocean" beleuchten die hoffnungsvolle Seite von SUNNY DAY REAL ESTATE, die im Gegensatz zu unserer düsteren Seite steht." Die Texte scheinen einen nicht gerade geringen Stellenwert bei den Jungs zu spielen, oder? "Mir persönlich bedeuten sie natürlich sehr viel, weil ich den Großteil der Lyrics schreibe. Aber erst durch Jeremy bekommen sie wirklich Leben eingehaucht, weil er so wahnsinnig ausdrucksvoll singen kann. Er legt sehr viel Energie und Intensität in seine Stimme."

So viel zum inhaltlichen Aspekt der neuen Scheibe, aber was hat sich seiner Meinung nach in musikalischer Hinsicht verändert? "Wir hatten diesmal definitiv mehr Zeit zur Verfügung", erläutert Dan, "aber nicht nur während des eigentlichen Aufnahmeprozesses, sondern auch schon im Vorfeld. Wir waren sehr kreativ - wir haben ungefähr 30 Stücke für das neue Album geschrieben! Außerdem haben wir zum ersten Mal überhaupt eine Platte vorproduziert, was mir persönlich sehr viel Spaß gemacht hat." Ein dickes Lob geht auch an Lou Giordano, der "The Rising Tide" produziert hat. Dan jedenfalls preist ihn in den höchsten Tönen: "Lou hat phantastische Arbeit geleistet, ohne ihn wäre das alles in dieser Form nicht möglich gewesen. Er kam extra nach Seattle, um bereits beim Songwriting dabei zu sein. Als wir dann ins Studio gingen, konnten wir perfekt mit den neuen Songs umgehen, was die Arbeit im Studio natürlich erleichtert hat. Deshalb liebe ich diese Platte auch so!" Aber wie werden die Fans und die Medien mit dem mittlerweile vierten Album umgehen? Welche Reaktionen erwartet Dan? "Ich hoffe, dass wir mehr Leute als früher erreichen. Ich hoffe auch, dass wir viel auf Achse sein werden - ich möchte unbedingt in Europa und Japan spielen! Und außerdem möchte ich so schnell wie möglich die nächste Platte mit Lou Giordano in Angriff nehmen." Doch dann bremst sich Dan selber wieder ein: "Ich neige dazu, völlig unrealistische Erwartungen zu haben, die niemals wahr werden. In der Musikbranche weiß man nie, was als nächstes passiert. Deshalb möchte ich möglichst bescheiden und realistisch bleiben."

Auf eine Sache muss ich ihn zum Schluss aber doch noch ansprechen: Emo! Was hält er von diesem Begriff? Schließlich gelten SUNNY DAY REAL ESTATE als wichtiger Einfluss dieser Musikrichtung. Dan: "Ich muss zugeben, dass ich von solchen Bands wie THE GET UP KIDS oder JIMMY EAT WORLD noch nie ein Stück gehört habe. Aber es würde mich schon interessieren, wie diese Musik so klingt. Ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass mir mal jemand was von denen zuschickt." Und wie kann er damit leben, wenn seine Band als "Emo" bezeichnet wird? "Ich kann es verstehen, wenn die Leute eine musikalische Einordnungshilfe brauchen. Ich respektiere das, aber ich habe dieses Wort noch nie im Zusammenhang mit SUNNY DAY REAL ESTATE verwendet. Im Prinzip sind wir einfach nur eine Rock´n´Roll-Band."