Vorsicht, Verwechslungsgefahr! Anfang der Siebziger gab es schon einmal eine Band namens SUCK. Das waren Heavy-Metal-Pioniere aus Südafrika. „Ribbit“ ist aber das Debütalbum von SUCK aus Kassel, die erst vor kurzem vom Trio zum Quartett gewachsen und an der Schnittstelle zwischen 77er-Punkrock und Proto-Metal zu Hause sind. Powervolle, giftige Songs, die gleichermaßen an Bands wie DEAD BOYS oder THE VIBRATORS wie auch METALLICA zu „Kill Em All“-Zeiten erinnern. Manövriert von Sängerin und Keyboarderin Isabell Rutz, die uns erzählt, wie alles angefangen hat mit SUCK.
Woher kommt dieser wilde, krachige Sound, der sich gleichzeitig vor 77er-Punkhelden und Proto-Metal-Bands verneigt?
Das hat mit der Musik zu tun, die wir früher gehört haben. Seit unseren Teenager-Tagen haben wir alle neben Punkbands auch METALLICA oder BLACK SABBATH gehört und das spielt natürlich eine riesengroße Rolle für unseren Sound. Für mich ist SUCK die erste Band, alle anderen waren schon in anderen Formationen aktiv. Das waren völlig unterschiedliche Sounds. Sixties-Garage-Projekte mit Punk-Einflüssen, aber auch klassische Metal- oder Hardcore-Bands. Als wir mit SUCK angefangen haben, war es keine bewusste Entscheidung, anders zu klingen. Es ist einfach so passiert.
Gibt es ein zauberhaftes Märchen zur Gründung der Band? Oder lief das ganz klassisch über Zettel in der Szenekneipe?
Weder noch. Unser Schlagzeuger Patrick ist mein fester Freund und unser Gitarrist Jakob ist mein bester Freund. Die beiden haben vorher schon zusammen Musik gemacht. Ihre Band hat sich aufgelöst und die beiden hatten Bock, weiter Musik zu machen. Ich hatte auch Lust auf eine Band und so haben wir das Projekt gestartet.
Am Anfang wart ihr zu dritt, inzwischen seid ihr zu viert. Wie kam das?
Wir haben die Konstellation als Trio immer als sehr stimmig empfunden. Deshalb haben wir uns für die Shows immer wieder wechselnde Live-Bassisten geholt, den Prozess des Songwritings wollten wir aber gerne zu dritt weiterführen. Irgendwann kam Nils als Live-Bassist dazu und das hat so gut funktioniert, dass wir gesagt haben, wir wollen nie wieder ohne ihn auf der Bühne stehen oder Songs schreiben. Damit sind wir sehr glücklich. Allerdings haben wir das Album noch zu dritt im Studio eingespielt, Nils kam erst später.
Die Hälfte der zwölf Songs von „Riddit“ waren schon auf eurer EP „Frog“ enthalten. Warum habt ihr die noch mal aufs Album gepackt?
Die „Frog“-EP haben wir aufgenommen, bevor wir überhaupt zum ersten Mal auf der Bühne standen. Wir hatten also bei unserer ersten Show schon die Tapes dabei. Unser Sound hat sich aber bis zu den Aufnahmen für das Album total verändert. Wir haben in dieser Zeit unglaublich viele Konzerte gespielt und uns weiterentwickelt. Gleichzeitig fanden wir unsere alten Songs immer noch so cool, dass wir die auch gerne in unserem neuen Sound präsentieren wollten. Deshalb haben wir sie noch einmal neu aufgenommen.
Letztes Jahr habt ihr noch eine Single mit zwei Songs rausgebracht. Unter anderem mit dem Song „Heaven and hell“. War das schon als Vorbote fürs Album gedacht?
„Heaven and hell“ ist ziemlich unabhängig von den anderen Songs entstanden. Das Stück haben wir zu Beginn der Pandemie geschrieben. Wir haben uns damals in den Proberaum eingeschlossen und gesagt, wir scheißen auf alles und machen, worauf wir Bock haben. Zu der Zeit haben wir ziemlich viel von dem alten Metal-Zeug gehört. Der Track war eigentlich als Scherz gedacht und am Ende war es aber doch eine ganz geile Nummer. Deshalb ist „Heaven and hell“ in unseren Augen eher ein Ausreißer.
Zu dem Song gibt es ein verstörendes Video mit schwarzem Schleim. Wer hatte die Idee dazu?
Das ist tatsächlich auf unserem Mist gewachsen und eigentlich aus der Not heraus geboren. Wir wollten eigentlich ein anderes Video machen, das hat aber leider nicht funktioniert. Deshalb mussten wir uns spontan etwas überlegen, das trotzdem effektvoll ist. Wir haben das in zwei Tagen relativ simpel mit dem iPhone auf der Toilette in der Kneipe, in der ich arbeite, gefilmt. Für Außenstehende kann das durchaus verstörend wirken, aber wir fanden es echt witzig.
In welcher Kneipe arbeitest du?
Die Kneipe heißt Mutter und ist direkt in Kassel. Das ist eine alteingesessene Punkrock-Kneipe, die es seit dreißig Jahren gibt. Der Inhaber ist Till Scholze aka Mr. Speedfinger, der Gitarrist von KING KHAN AND THE SHRINES. Aktuell ist Mutter wohl einer der wenigen Szenetreffs in Kassel.
Wie lebendig ist die Punk-Szene in Kassel?
Kassel war früher bekannt für seine Punk-Szene. Die Wolfhager Schule mit Bands wie DOG FOOD FIVE, DIED PRETTY oder SWOONS ist vielen ein Begriff. Auch die BATES kamen aus der Nähe von Kassel. Mittlerweile ist die Szene ein bisschen eingeschlafen. Aber es gibt immer noch einige Läden, in denen Konzerte stattfinden, wie die Goldgrube oder die selbstverwaltete Kulturwerkstatt Karnak.
Lass uns mal über die Songs von „Riddit“ reden. Was sind die Themen, die euch beschäftigen?
Natürlich sind wir als Teil der linken Szene auch schon mit der Polizei in Konflikt geraten und kennen viele Geschichten von Bekannten, die uns selbst nicht passiert sind. Aus diesen Erfahrungen ist zum Beispiel der Song „Copkiller“ entstanden. Natürlich ist der Text überspitzt, fast schon prollig formuliert, aber er transportiert schon unsere Einstellung. Im Song „Decadent life“ geht es mit Augenzwinkern darum, dass man sich auch mal was gönnt. Es geht um einen völlig übertriebenen Lebensstil, den wir von Zeit zu Zeit pflegen. Im Song „Bulletproof“ zum Beispiel geht es darum, dass einem keiner was kann. Wenn mir einer blöd kommt, dann lasse ich ihn einfach links liegen. Das lässt mich völlig kalt.
Wie seid ihr bei La Pochette Surprise gelandet? Eure Labelmates wie SWUTSCHER oder FLUPPE klingen ja völlig anders. Und vor allem kommen sie fast alle aus Hamburg.
Unser Gitarrist und unser Bassist wohnen beide in Hamburg. Kurz nachdem es mit SUCK in Kassel losging, ist Jakob nach Hamburg gezogen. Deshalb sind wir mit Velvet von La Pochette Surprise sehr gut befreundet. Viele Bands vom Label gehören zu unserem Freundeskreis und wir wissen, wie sehr sich Velvet immer bemüht, für die Bands von seinem Label das Optimale herauszuholen. Deshalb hatten wir großen Bock, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Wie funktioniert das Bandleben, wenn die eine Hälfte von SUCK in Kassel lebt und die andere in Hamburg?
Wir verbringen viel Zeit im ICE, aber das funktioniert erstaunlich gut. Im Moment spielen wir so viele Konzerte, dass wir sowieso keine Zeit zum Proben haben. Wir sind fast jedes Wochenende unterwegs. Sonst besuchen wir uns regelmäßig gegenseitig, denn wir haben in beiden Städten Proberäume. Das ist natürlich sehr praktisch.
Womit verdient ihr euer Geld, wenn ihr nicht auf der Bühne steht?
Ich arbeite in der Kneipe und nebenbei noch als Freelancerin beim Musikvertrieb Membran. Da vermittle ich freiberuflich zwischen den Labels und den Presswerken. Patrick arbeitet für drei Arthouse-Kinos in Kassel. Der kümmert sich zum Beispiel um den Social-Media-Auftritt der Kinos, das heißt, er kann auch gut von unterwegs aus arbeiten. Die beiden Hamburger arbeiten beide in Vollzeit. Der eine als Hörgeräte-Akustiker, der andere als Stadtplaner. Die müssen sich natürlich immer frei nehmen und mit unseren Konzertterminen synchronisieren. Ein langer Urlaub für sich selbst ist dann natürlich nicht drin, aber wir spielen alle so gerne Konzerte, dass das kein Problem ist.
Ihr wart ja schon mit AMYL & THE SNIFFERS unterwegs, aber auch mit ZIG ZAGS, einer Proto-Metal-Band aus Los Angeles. Das hat bestimmt ziemlich gut gepasst, oder?
Mit beiden Bands hat es totalen Spaß gemacht, das sind ultra nette Leute. Es war echt ein tolles Erlebnis, diese beiden Bands zu supporten, weil wir deren Mucke natürlich auch abfeiern. Eine Freundin in Hamburg, die das Booking für ZIG ZAGS macht, hat uns vorgeschlagen, weil es einfach stilistisch gut gepasst hat. Mit den SNIFFERS waren es drei Shows und mit ZIG ZAGS zwei. Lange waren wir also nicht gemeinsam unterwegs, aber wir haben die Zeit mit beiden Bands sehr genossen.
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