STYRENES

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Musik für Außenseiter

Wer sich für die verblüffende Musikszene interessiert, die Cleveland, Ohio in den Siebzigern zu bieten hatte, wird irgendwann auch über die STYRENES stolpern. Gegründet 1975, sind die STYRENES seitdem durch unzählige Besetzungen gegangen und bis heute aktiv. Gegründet wurden sie von Paul Marotta von den ELECTRIC EELS und Jamie Klimek von den MIRRORS, und über die Jahre spielte eigentlich von jeder der anderen Bands aus Cleveland - sei es nun PERE UBU, PAGANS, GOLDEN PALOMINOS oder LOUNGE LIZARDS - mal jemand bei den STYRENES, sei es auch nur für einen Auftritt oder eine Aufnahme, und nur Paul Marotta ist die Konstante im Line-Up. Und auch die Art der Auftritte und die Instrumentierung variiert(e): mal quasi Spoken Word, mal jazziges Geklimper, mal (Punk-)Rock. Unlängst veröffentlichten die STYRENES auf dem Aachener Label Rent-A-Dog, dessen Betreiber Ulli selbst Teil der Band ist, mit "City Of Woman" ein weiteres Album, das auf angenehme Weise zwischen den Stühlen sitzt. Paul beantwortete mir ein paar Fragen.


Wie kam es, dass eine kleinere Stadt wie Cleveland einst zu so einer Keimzelle für Proto-Punk wurde?


Entfremdung, Skepsis und Zynismus - damit reagierte ich auf Korruption, offen praktizierten Rassismus und die schlechte Arbeitssituation. Mitte der Siebziger, als bereits die Hälfte der Einwohner fortgezogen war, entstanden auf den Straßen die Proto-Punk-Eigenschaften Aggression, Satire und Paranoia, die natürlich auch von den Bands aufgegriffen wurden.


Wann und in welchem Kontext hast du zum ersten Mal den Begriff "Punk" gehört und ab wann wurde er im Zusammenhang mit Bands benutzt?

Ich stehe den Begriff "Punk" eher kritisch gegenüber, da nie deutlich wird, was genau gemeint ist. Dieses Wort hat eine so große kulturelle Bedeutung, dass es nicht wirklich als musikalische Beschreibung dienen kann. Leider mussten wir '76 oder '77 bei der "Thursday Night - Punk Night" spielen, weil es der einzige Gig war, den wir kriegen konnten, obwohl wir nur schlicht und ergreifend Rockmusik spielten.


Hast du dich selbst als Teil einer bestimmten Szene gefühlt, als du Mitte der Siebziger bei den ELECTRIC EELS gespielt hast?

Ich bin überzeugter Außenseiter und gehe eher selten aus. Und obwohl ich auf viele Konzerte gegangen bin, war ich nie wirklich Teil der Szene. Ich bin nur wegen der Musik hingegangen.



Meiner Meinung nach war das inzestuöse Verhalten der Bandmitglieder typisch für die Cleveland-Szene.

Ich denke, das könnte man genauso gut über New York, L.A. oder London sagen. Es gab halt eine begrenzte Anzahl junger, motivierter Musiker, die perfekte Kombination, um neue musikalische Ideen auszuprobieren.


Schon vor den SEX PISTOLS nutzen die ELECTRIC EELS das Hakenkreuz, um zu provozieren ...

Ich vermute, dass einige der Bands und der Zuschauer in Cleveland, die Hakenkreuze trugen, tatsächlich Faschisten waren. Man sieht also, mein unreifer Versuch zu provozieren, ist nach hinten losgegangen ...


Was denkst du über die Reunions der PAGANS, PERE UBU und ROCKET FROM THE TOMBS? War das je ein Thema für die Eels?

Wie gesagt, mir geht es nur um die Musik und es ist immer aufregend, eine gute Live-Show zu sehen. Sag niemals nie, aber ich kann mir momentan keine ELECTRIC EELS-Reunion vorstellen. Übrigens spielen wir mit den STYRENES auch immer zwei oder drei ELECTRIC EELS- oder MIRRORS-Cover. Es macht Spaß, sie zu spielen, und die Zuschauer scheinen es auch zu mögen. Aber sollte ich jemals bei einer dieser lahmen, nostalgischen und kommerziellen Shows spielen, hast du die offizielle Erlaubnis, mir eine Abreibung zu verpassen.


Nach den Eels hast du die STYRENES gegründet. Was war der Unterschied, was "das Konzept"?

Bei den Eels habe ich Gitarre gespielt, bei den STYRENES Keyboard. Allerdings war ich weder bei den Eels noch bei den MIRRORS am Songwriting beteiligt. Bei den MIRRORS hatten wir dank drei Schreibern ständig neues Material. Außerdem spielten wir an manchen Abenden bis zu vier Sets, die alle unterschiedlich sein mussten. Wir probten oft, coverten viele Songs und hatten trotz des Mangels an Aufmerksamkeit einen Riesenspaß. Bei den Eels war das eher anders. Bis auf die gute Musik und das künstlerische Konzept war es todlangweilig. Zu der Zeit wusste ich noch nicht, wie es ist, Bandleader zu sein, und es hat viele Jahre gedauert, bis ich es konnte. In den ersten fünf Jahren der STYRENES gab es deshalb viele Streitigkeiten. Ich habe versucht, mit den STYRENES eine Band zu schaffen, die das Beste aus der Energie und Attitüde des Rock mit musikalischer Erfahrung kombiniert.


Kannst du mir einen kurzen Überblick über die Karriere der STYRENES geben?

Die erste Single kam 1975 raus, seitdem haben wir gute und ein paar weniger gute Platten herausgebracht. Wir haben überall gespielt, in den USA und Großbritannien, vor ausverkauften Häusern und in leeren Clubs. Sehr zum Missfallen der anderen Bandmitglieder und der Labels, die unsere Platten herausgebracht haben, hat mich eine "Karriere" mit der Band jedoch nie interessiert.


Mit "City Of Women" habt ihr gerade ein neues Album releaset. Was war die Idee dahinter?

Viele der alten STYRENES-Alben sind Zusammenstellungen von Aufnahmen mit unterschiedlichen Line-ups, die nicht unsere Live-Shows repräsentierten. Die Labels fragen immer nach unveröffentlichten- und Live-Aufnahmen, Outtakes und ähnlichem Crap. Mit "City Of Women" wollten wir von Anfang an eine "Band-Platte" machen. Die Leute, die live spielen, sollen auch an der Platte beteiligt sein. So ist natürlich die Arbeit im Studio etwas komplizierter, aber ich finde, es hat sich gelohnt. Ich habe zwar wenig selbst geschrieben, aber ich habe kein Problem damit, Songs anderer Leute zu spielen.


Wie kam der Kontakt mit Ulli von Rent A Dog zustande, der ja nicht nur eure Platte herausgebracht hat, sondern auch selbst seit einiger Zeit in der Band spielt?

Ich traf Ulli Mitte der Neunziger bei der Midem, einer großen Musikmesse in Cannes. Wir haben uns sofort gut verstanden. Wir haben den gleichen Musikgeschmack, Sinn für Humor und ähnliche politische Ansichten. Das Timing war gut, denn Jamie Klimek, mit dem ich seit 18 Jahren in der Band gespielt hatte, machte gerade einen auf Syd Barret und verließ uns. Es gibt dieses Klischee, dass amerikanische Musik in Europa besser ankommt, und tatsächlich haben wir dort auch immer mehr verkauft. Glücklicherweise gehört Ulli Rent A Dog, und als wir quasi von jedem US-Label abgelehnt wurden, bot Ulli uns an, die CD in Deutschland rauszubringen. Wie hätte ich da ablehnen können?