Der gute, alte Psychobilly ist in die Jahre gekommen. Legenden wie MAD SIN und NEKROMANTIX werden vielleicht reifer, aber definitiv nicht schöner oder origineller, Flats sieht man eher selten, weil die sich mit Halbglatzenkranz so schlecht stylen lassen. Umso erfreulicher, dass endlich eine frische Band das zerkratzte Parkett betritt. STELLAR CORPSES aus Santa Cruz sind so etwas wie die Boy-Band des Psychobilly. Hungrig, jung, wild – und gut. Auf dem deutschen Label Fiendforce Records haben die vier Kalifornier, die in ihrer Heimat bereits kleine Szene-Stars sind, nun ihr Debütalbum „Welcome To The Nightmare“ veröffentlicht und hoffen auf den großen Durchbruch in Übersee.
Man findet komischerweise nicht wirklich viele Informationen über euch. Also, wer sind STELLAR CORPSES und warum sollte man eure Platten kaufen oder zu euren Shows kommen?
Dan: Wenn du nach etwas Neuem, Frischen in der Psychobilly- und Punk-Szene suchst und Spaß haben willst – komm zu unseren Shows!
Emilio: Wir sind eine relativ junge Band aus Santa Cruz, Kalifornien. Unsere Musik besteht aus vielen verschiedenen Elementen: Psychobilly, Horror-Punk, Punk und Rock’n’Roll. Unsere Shows sind schlichtweg großartig, weil wir Tonnen von Energie reinstecken.
Matt: „Welcome To The Nightmare“, unser erster Longplayer, vereint alle, na ja, die meisten unserer Einflüsse. Unsere EP „Respect The Dead“ war vor allem laut und schnell. Damals wollten wir allen zeigen, was wir draufhaben. Inzwischen wollen wir mehr. Auf dem Album gibt es daher ganz unterschiedliche Songs – ein ziemlicher Knaller, nicht nur auf dem Friedhof, haha.
Warum STELLAR CORPSES?
Dusty: Der Begriff steht für Sterne, die verglüht sind, tote Sterne, wie rote Giganten, Supernovae oder schwarze Löcher. Es ist die Zukunft jedes Sterns im Universum, auch die unserer mehr oder weniger geliebten Sonne. Vor diesem Hintergrund scheinen all unsere Probleme auf einmal bedeutungslos. Diese Perspektive gibt mir neue Hoffnung und ist der Grund dafür, dass ich meine kurze Zeit in dieser Welt genießen will, so gut es geht.
Seit kurzem seid ihr bei Fiendforce Records. Wie kam die Zusammenarbeit zustande und was erhofft ihr euch von diesem Schritt?
Emilio: Wir kennen Thorsten Wilms von Fiendforce schon etwas länger, wir haben zusammen mit seiner Band THE OTHER zwei echte Killer-Shows gespielt. Die Zusammenarbeit hat sich ergeben, als wir mit unseren Freunden von REZUREX, die auch auf Fiendforce sind, die Gelegenheit hatten, durch Europa zu touren. Ich hoffe, dass sich dadurch hier einiges für uns tun wird, dass STELLAR CORPSES irgendwann allen Psychobilly- und Horrorpunk-Fans in Europa und besonders in Deutschland ein Begriff sein werden. Außerdem werden wir auf der neuen Fiendforce-Compilation „This Is Horrorpunk 3“ vertreten sein.
Sind STELLAR CORPSES denn nun eine Psychobilly- oder doch eher eine Horrorpunk-Band? Oder seid ihr einfach nur ein paar Typen, die ein Herz für Zombies und B-Movies haben?
Dan: Momentan würde es mir schwer fallen, uns entweder dem einen, oder dem anderen Genre zuzuordnen, aber wir vereinen definitiv beide Stile in unserer Musik.
Emilio: Ich glaube, wir machen nur das, was sich in unseren Ohren gut anhört. Ich respektiere beide Stile, aber ich liebe vor allem Horrorpunk. Es war das erste Genre, das mir wirklich was gegeben hat. Bands haben mich nie interessiert, bis ich mit 14 „American Psycho“ von den MISFITS in der Plattensammlung meines Bruders entdeckt habe. Als ich zum ersten Mal „Dig up her bones“ gehört habe, war es um mich geschehen.
Ich frage mich oft, ob ein Musikstil wie Psychobilly Musikern genügend Raum lässt, ihr Ding durchzuziehen und kreativ zu sein, da diese ganze Szene ja sehr stereotyp ist. Oder schätzt ihr diese Klischees vielleicht sogar, weil sie euch eine gewisse Sicherheit geben?
Dan: Du hast Recht, vieles in dieser Szene beruht auf Klischees und wird darum schnell langweilig. Deshalb versuchen wir, vielseitig und innovativ zu sein. Wir hören alle ganz verschiedene Arten von Musik, einige von uns hören nicht mal Psychobilly. Was ich gut finde, weil es uns ermöglicht, über die Grenzen des Genres hinauszugehen und verschiedene Ideen einzubringen, damit es eben nicht nach dem typischen Zombie-Blabla klingt. Das wäre mir viel zu wenig.
Dusty: Uns allen geht es darum, sich als Künstler weiterzuentwickeln und die eigenen Visionen von Musik zu realisieren. Das ist uns tausendmal wichtiger, als den Vorstellungen und Vorgaben einer Szene zu entsprechen. Ich denke, das kann man ganz gut auf dem neuen Album hören.
Europa war immer das Zentrum des kleinen Psychobilly-Universums. Wie sieht die Szene in den USA aus?
Dan: Die US-Szene war nicht wirklich der Knaller, bis TIGER ARMY kamen. Klar, es gab auch vorher Bands wie THE QUAKES und CALAVERA, aber richtig los ging es erst mit TIGER ARMY.
Dusty: Santa Cruz war immer ein Hot Spot, seit Psychobilly in den USA aufkam. Ich habe damals aber nur von Freunden gehört, dass es Bands wie DEMENTED ARE GO!, MAD SIN, GORILLA, NEKROMANTIX, die METEORS und MAD HEADS gibt. Und heute haben wir das Privileg, mit einigen dieser Bands zu spielen.
Matt: Schon in den Achtzigern gab es einige Bands, aber Dan hat Recht: Bevor TIGER ARMY kamen, kannte diese alten Bands eigentlich keine Sau. Inzwischen gewinnt die US-Szene aber mehr und mehr an Eigendynamik.
Ihr wart gemeinsam mit BLITZKID, REZUREX und MAD SIN auf Tour. Ich stelle mir das so vor: endlose Orgien, in Blut getauchte Nächte ... so ungefähr jedenfalls. Wie war’s wirklich?
Dan: Mit REZUREX zu touren war sehr wild, jede Nacht war eine Party. Vor allem in Europa. Wenn du so weit weg von Zuhause bist, ist es manchmal, als käme plötzlich eine zweite Seite deiner Persönlichkeit zum Vorschein. Als würde man sich selbst manchmal gar nicht mehr spüren. Es war großartig!
Emilio: Die Zeit mit REZUREX war eine der besten Erfahrungen meines Lebens und sie hat einiges für unsere Band bewirkt. Diese Typen sind einfach nur geil und dazu wunderbare Musiker. Wir sind so was wie Brüder geworden auf dieser Tour, mit all diesen Unmengen Alkohol und den wilden Nächten.
Wie schreibt ihr eure Songs? Was inspiriert euch – außer Zombies und Kunstblut?
Dan: Ich habe oft Ideen, zum Beispiel für kleine Riffs, in meinem Kopf, die ich später auf den Bass übertrage. Normalerweise jammen Dusty und ich erst mal eine Runde, wenn wir eine Idee haben. Die Feinarbeit kommt später.
Dusty: Meine Inspiration hole ich mir aus der Psychologie, aus Begriffen wie Tod und Sterben, Liebe, Leben, aus Büchern, Filmen, Gedichten. Ich liebe Kunst, die vielschichtig ist, die viel mehr in sich birgt, wenn man tiefer gräbt.
Emilio: Das variiert. Aber meistens hat einer von uns eine Idee, die wir dann bearbeiten, bis sich aus diesem Skelett irgendwann ein Monster formt. Wenn ich Songs schreibe, brauche ich sehr lange, bis alles passt oder bis ich es den Jungs zeigen kann. Manchmal existieren diese Songs monatelang in meinem Kopf. Ich bin sehr pingelig, was Texte angeht. Ich hasse es, wenn Bands schlechte Texte schreiben.
Wie würdet ihr eure musikalische Entwicklung von eurer Debüt-EP „Respect The Dead“ bis heute beschreiben?
Dan: Ich glaube, wir sind alle als Musiker und als Menschen insgesamt gewachsen. Es hat eine Weile gedauert, bis wir unseren eigenen Sound entwickelt haben. Wir klingen heute viel dynamischer, die Produktion ist fetter, aber das sind immer noch wir. Als wir die EP veröffentlicht haben, haben wir das gemacht, was nach unserer Meinung in unseren Möglichkeiten lag. Diesmal haben wir uns wesentlich mehr Zeit gelassen.
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