Multimediale Erinnerungen

Piti, Carlos, Elias, Enric und Ricky konnten mich schon mit ihrem letzten Werk „The Ionic Spell„ begeistern. Was den Spaniern aber jetzt mit „Memories Collector„ auf Defiance Records gelungen ist, toppt alles, was mir in diesem Jahr zu Ohren gekommen ist. STANDSTILL haben ihren bisherigen Weg irgendwo zwischen FRODUS und AT THE DRIVE-IN verlassen und befinden sich jetzt auf völlig neuem, eigenständigem Terrain. Die zehn neuen Stücke sind mal ruhig, mal aggressiv, hier und da etwas vertrackt, manchmal aber auch nur straight rockend. Mit den vielen Gastmusikern, dem gelungenen Multimedia-Bonustrack und der tollen Aufmachung entstand ein Gesamtkunstwerk, das ich ohne mit der Wimper zu zucken auf eine Stufe mit „Relationship of Command„ und „The Shape of Punk to come„ stelle. Während ihrer Tour hatte ich Gelegenheit, Drummer Ricky einige Fragen zum Werdegang von STANDSTILL und dem neuen Werk zu stellen.

Ricky, es wird zunehmend schwieriger, euren Sound zu beschreiben.

Es ist auch für uns eine ziemlich schwierige Aufgabe unsere Musik zu charakterisieren und ich denke, das ist auch gut so. Wir haben kein Interesse daran, einen bestimmten Stil zu spielen. Von daher denke ich, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn eine Einordnung immer schwieriger wird. Abgesehen davon, versuchen wir gar nicht erst unseren Sound zu beschreiben, sondern konzentrieren uns darauf Musik zu spielen und unseren eigenen Weg zu finden. Auch unsere Einflüsse sind völlig unterschiedlich, da wir vier verschiedene Menschen in der Band mit ganz verschiedenen Geschmäckern sind, und genau deswegen klingen unsere Songs auch so. Wir hören alle viel Musik und sind interessiert an Literatur, Kino und Malerei. Es gibt drei Maler in STANDSTILL. Aus all diesen Ecken kommen auch unsere Einflüsse: gute Bücher, Filme, die wir mögen, und hunderte verschiedene Bands.

Gibt es ein Konzept hinter „Memories Collector„? Die meisten Stücke drehen sich ja um Bewegung in jedweder Form...

Ja, es gibt ein Gesamtkonzept hinter dem Album. Alle Songs sind miteinander verbunden und handeln von der gleichen Sache. Allerdings immer aus verschiedenen Blickwinkeln. Das Konzept wird in dem Video, das sich am Ende der CD befindet, ziemlich gut erklärt. Die Hauptidee hinter der Scheibe ist, diesen Moment unseres Lebens zu dokumentieren und zwar von jedem in der Band. Was wir tun, was wir fühlen und wie sich unser Leben im letzten Jahr, dank der Band, verändert hat. Das Leben ist zu wertvoll, um es mit miesen Jobs und unwichtigen Dingen zu vergeuden. Die Botschaft ist ganz einfach: Jeder sollte das tun, was er wirklich tun will. Sich um unwichtige Dinge zu kümmern, heißt ‚Überleben’ oder ‚Existieren’, aber man kann dann nicht von ‚Leben’ sprechen.

Kannst du das Plattencover in Bezug zur Musik bringen?

Hmm, eigentlich ist es einfach ein Bild, das wir mögen. Es gibt keine wirkliche Beziehung zur Platte oder ihrem Konzept. Piti und sein Cousin haben sich um das ganze Artwork gekümmert. Gemeinsam mit Freunden machten sie die ganzen Bilder. Als wir das Cover sahen, wussten wir, dass es perfekt zu der Atmosphäre auf ‚Memories Collector’ passen würde. Es ging dabei aber nicht um den Inhalt, sondern um visuelle Elemente, wie beispielsweise die Farben. Man könnte das Bild auch als eine Kindheitserinnerung sehen.

Du hast vorhin diesen Videoclip angesprochen, mit dem ihr ein wunderschönes Gedicht unterlegt. Kannst du mir etwas über den Verfasser dieses Gedichtes sagen und warum ihr es gewählt habt?

In diesem Text sind alle Lyrics des Albums in irgendeiner Form enthalten. Der Grund, warum wir es auf die CD gepackt haben, ist, damit jeder, der das Album kauft, auch das vollständige Werk und die komplette Message mitbekommt. Unser Sänger Enric hat das Gedicht verfasst und seine Vorstellung war es, einen Text zu verfassen, bei dem jeder, der ihn liest, unsere persönlichen Erfahrungen nachvollziehen kann. Die Videoausschnitte dazu wurden alle während unserer Tour im letzten Dezember mitgeschnitten. Die zwei Freunde, die uns begleiteten, haben durch ihre Arbeit Erfahrung in diesen Dingen. Sie filmten praktisch alles, was während der Tour passierte und das Resultat passte einfach perfekt, um das Gedicht visuell umzusetzen. Wir sind sehr stolz auf das Ergebnis und die beiden haben hervorragende Arbeit geleistet. Es war eine ganz besondere Kollaboration.

Obwohl es auf eurem Album keine direkten politischen Texte gibt, habe ich den Eindruck, dass Politik ein wichtiges Thema für euch ist.

Keiner von uns ist in irgendeiner Organisation oder einem Kollektiv aktiv. Das ist eine schwierige Frage, denn natürlich ist Politik wichtig für uns, genau wie sie es für jeden sein sollte. Schließlich betrifft es das Leben von jedem Einzelnen und man muss aufpassen, was um einen herum passiert. Wir sind aber nicht daran interessiert, Teil irgendeiner Organisation zu sein. Abgesehen davon unterscheiden sich unsere politischen Ansichten auch sehr stark. Wir sind keine politische Band und werden es auch niemals sein. Und zwar deshalb, weil wir nicht denken, dass wir das Recht haben, mit unserer Musik irgendetwas zu predigen. Unser Interesse liegt mehr bei den menschlichen Aspekten von Konflikten. Wir behandeln in unseren Texten Themen wie die persönliche Freiheit, und so etwas hat natürlich auch einen politischen Hintergrund...

Seid ihr zufrieden, wie sich STANDSTILL musikalisch und hinsichtlich der Verkaufszahlen entwickelt haben?

Wir sind hundertprozentig zufrieden. Es macht uns glücklich, das tun zu können, was wir wollen, so viele Erfahrungen zu machen und davon auch noch leben zu können. Es gibt kein bestimmtes Ziel, das wir erreichen wollen. Wir möchten einfach überall spielen und immer mehr Menschen kennen lernen. Wir sind jetzt in dieser unglaublich guten Position, nicht mehr arbeiten gehen zu müssen und können unsere ganze Energie in die Musik stecken. Eine perfekte Situation, von der wir bisher nur geträumt haben.

Euer Sound änderte sich bisher mit jeder Platte. Wie werdet ihr auf dem nächsten Album klingen? Noch mehr elektronische Elemente könnten perfekt zu eurem Sound passen...

Es ist unmöglich, das zu sagen. Wir werden weiter versuchen, intensive Musik in der persönlichsten Form zu kreieren. Ich bin mir sicher, dass wir weiter mit elektronischen Sounds arbeiten werden, genauso wie mit purem Rock und akustischen Parts. Wir sind nicht daran interessiert, einen bestimmten Sound oder ein Album von uns zu wiederholen. Die nächste Scheibe wird vollkommen anders werden, hoffe ich...