STAGE BOTTLES

Foto© by Boris Schöppner

Über MOSCOW DEATH BRIGADE

Olaf von der Frankfurter Oi!-Band STAGE BOTTLES ist schon lange mit MOSCOW DEATH BRIGADE befreundet. Hier erzählt er uns, wie es dazu kam.

Wie hast du MDB kennen gelernt?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Soweit ich weiß, gehörten Teile der Band, bevor es sie gab, bereits zu der schlagkräftigen russischen Begleitung, die wir auf unseren ersten Russland-Konzerten 2008 hatten. Ich bin mir aber nicht sicher. Wir hatten da ja viele Konzerte und viel Kontakt mit WHAT WE FEEL. An MDB kann ich mich eigentlich erst im Zusammenhang mit WHAT WE FEEL erinnern. WWF begleiteten ja auf diversen Konzerten MDB mit richtigen Instrumenten. Es könnte sogar sein, dass MDB zunächst nur im Rahmen von WWF als „Extra“ auftraten, bis sie sich zu einem selbständigen Projekt entwickelten. Fakt ist, dass STAGE BOTTLES als so ziemlich erste sich offensiv zum Antifaschismus bekennende westliche Band quasi unter Lebensgefahr in Russland auftraten. Die Mitglieder von MDB sind – wie scheinbar so viele in Russland – von den STAGE BOTTLES subkulturell und politisch geprägt worden. Als wir dann gemeinsame Auftritte hatten, kam irgendwann, wahrscheinlich durch mich, die Idee auf, dass das Saxofon ja in den einen oder anderen Song gut reinpassen würde, weil musikalischer Raum vorhanden war. Wir setzten das um. Insbesondere MDB nahmen immer wieder Kontakt mit uns auf. Jetzt kennen wir uns so gut, dass wir entspannt miteinander umgehen können. Das meine ich dahingehend, dass es ja allgemein schwer ist, mit MDB in Kontakt zu treten, da sie sich nicht unmaskiert zu erkennen geben, man also auch nicht einfach locker mit ihnen ins Gespräch kommt. Wir haben uns jetzt aber gut kennen gelernt.

Was schätzt du an MDB und wie passen die eigentlich mit diesem doch sehr eigenwilligen Sound in den linken Punk-Kontext?
Ich schätze die Energie, und ich schätze auch den Musikstil. Eine Mischung aus Elektro-Punk und HipHop. Super, ich mag das. MDB erreichen so noch einmal andere Leute als STAGE BOTTLES zum Beispiel. Macht alles Sinn und ist geil umgesetzt.

Im Sommer 2023 gab es den Versuch, die Band zu verleumden, zu diskreditieren. Wie und wo ordnest du so was ein? War das der „übliche“ Szene-Kleinkrieg oder doch eine staatlich inszenierte Kampagne?
Das weiß ich nicht. Kann sein. Es gibt aber auch innerhalb der linken Szene immer wieder Leute, die sich gerne dadurch profilieren, dass sie anerkannte Antifaschist:innen als eben nicht antifaschistisch zu entlarven versuchen. Wir haben entschieden, dass das alles Quatsch ist. Denn das hieße, dass die Band, die so eine große Bedeutung in der antifaschistischen Szene hat, eine Band, die sich gegen Homophobie und Sexismus äußert, ein einziger Fake wäre, um Geld für Russland und den Krieg zu sammeln. Das ist nicht vorstellbar. Das wäre eine astreine Verschwörungstheorie. Mit so was haben wir nichts am Hut.

Mit den STAGE BOTTLES habt ihr schon seit vielen Jahren Kontakt zur russischen Punk-Szene. Mit welchen Bands seid/wart ihr gemeinsam auf der Bühne?
Außer MOSCOW DEATH BRIGADE waren das WHAT WE FEEL, SIBERIAN MEAT GRINDER, DISTEMPER, MISTER X – die zähle ich mal dazu, Belarus ist ja nur eine „Provinz“ von Russland – und bestimmt noch die eine oder andere Band, an die ich mich jetzt nicht mehr erinnere.

Mit WHAT WE FEEL hattet ihr ja eine Split-EP veröffentlicht und mit MOSCOW DEATH BRIGADE gibt es auch ein offizielles Video. Was hat sich seit dem 24.02.2022 im Umgang mit den Bands verändert?
WHAT WE FEEL gab es ja offiziell schon vor dem Krieg nicht mehr. MDB spielen nach wie vor. Der größte Unterschied ist, dass wir vermutlich nie mehr in Russland auftreten können. Ich weiß aber auch, dass sich einige Akteure von früher notgedrungen ins Private zurückziehen mussten.

Wie hast du die politische Situation bei euren Aufenthalten in all den Jahren in Russland wahrgenommen? Hattet ihr damals schon den Eindruck, hier verändert sich etwas Grundlegendes, zum Beispiel 2014 nach der Annexion ostukrainischer Gebiete durch Russland?
Ich glaube, der politische Druck auf die alternative Szene als nicht staatshöriges Element nahm ab dem Zeitpunkt kontinuierlich zu. Im Dezember 2014 war ich noch einmal zu einem Gastauftritt mit WHAT WE FEEL in Moskau. Da war dann schon der FSB, der Geheimdienst, mit im Spiel. Die haben dort Leute kontaktiert und ihnen klargemacht, dass sie beobachtet werden. Danach war ich nicht mehr in Russland. Das kommt bestimmt nicht von ungefähr. Letztes Jahr war in St. Petersburg noch ein großes Festival geplant, auf dem wir hätten spielen sollen, das wäre im Juni 2022 gewesen und fand natürlich nicht statt. Der Sänger von THE DEAD PRESIDENT teilte mir mit, dass sie letztes Jahr noch ein Konzert spielen durften, ihnen vor Ort aber mitgeteilt wurde, das sei jetzt das letzte Punk-Konzert generell in Russland gewesen.

Was hast du durch deine russischen Kontakte über den Krieg in der Ukraine erfahren und wie äußern sich diese zu dieser Thematik?
Ich rede mit ihnen tatsächlich bewusst nicht darüber. Ich gehe davon aus, dass Russ:innen genug darauf angesprochen werden, und dass das kein angenehmes Thema ist. Aber alle meine Kontakte ließen, wenn auch manchmal verklausuliert, erkennen, dass sie mit dem Krieg nicht einverstanden sind.

Du standest 2023 in Wiesbaden wieder mit MOSCOW DEATH BRIGADE auf der Bühne. In welcher Form musstest du dich mit den Diffamierungsversuchen gegen die Band auseinandersetzen und inwiefern beeinflusst das deine Arbeit mit deiner eigenen Band, den STAGE BOTTLES?
Wir wurden noch nicht aufgefordert, nicht mit MDB zu spielen. Unseren Umgang mit den Vorwürfen gegenüber MDB habe ich vorhin beschrieben. Dennoch löst so eine Kampagne gegen Bands, mit denen man eng kooperiert, Unbehagen aus, da man, auch wenn man überzeugt ist, dass es sich um nichts mit Substanz handelt, selbst in die Mühlen der Diffamierung geraten kann. Aber was soll man anderes machen, als zu seiner Überzeugung zu stehen?

Jetzt sollte man meinen, dass man die Musikszene der Ukraine, da sich das Land in den letzten Jahren eher dem westlichen Kulturkreis zugewandt hat, wahrnehmen müsste. Ich für mich muss gestehen, dass ich bislang kaum etwas davon mitbekommen habe. Wie ist das bei dir?
Als wir in Moskau gespielt haben, kamen immer sehr viele Ukrainer:innen zu unseren Konzerten. Teilweise Busse mit fünfzig Leuten. Da bestanden enge und selbstverständliche Kontakte zwischen Russ:innen und Ukrainer:innen. Wie es jetzt in der Ukraine aussieht, weiß ich nicht. Ich glaube, die haben jetzt andere Sorgen als subkulturelle Aktivitäten. Und Grundüberzeugungen muss man ja als Antifaschist:in bei der Bekämpfung einer Aggression durch einen faschistoiden Despoten eigentlich nicht haben. Aber vielleicht müssen jetzt dieselben Leute, die vorher zusammen auf unseren Konzerten gefeiert haben, aufeinander schießen? Das kann und will man sich nicht vorstellen.