S.S.U.B.

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Hamburg-Punk – von der Pike auf gelernt

Eine Legende ist zurück. Eine Legende in Sachen Deutschpunk. Eine Legende aus Hamburg. SS ULTRABRUTAL alias S.S.U.B., wie sie heute firmieren. Ein Name, der heute noch stutzen lässt. Anfang der 80er Jahre gehörte die Band zur Speerspitze der Szene und erlangte durch ihre Konzerte und ihr erstes und einziges Album sehr schnell Kult-Status. Doch wie das oftmals so ist, trennten sich die Herren bald darauf wieder und zerstreuten sich in alle Winde bzw. alle möglichen Bands. Verschwunden waren die Bandmitglieder die ganze Zeit über nicht. So liefen sie einem bei den PHANTASTIX, NOISE ANNOYS, KGB, STIMPY oder zahlreichen weiteren Kapellen über den Weg. Doch dieses Name-Dropping tut bei SS ULTRABRUTAL gar nicht Not. Im letzten Jahr fand sich die Band um Old Erwin und Votzer wieder zusammen und spielte ein grandioses Konzert im ausverkauften Juz Kaltenkirchen im Norden von Hamburg. Da wurde wieder Blut geleckt und der Band neues Leben eingehaucht.

Am Tag der deutschen Einheit trat die Band, die inzwischen durch Votzers kurzzeitiges Trommeln bei der umstrittenen Band V-PUNK ins Gerede gekommen war, zusammen mit den RAZORS, PUNKLES und PUSH-UPS in der Hamburger Markthalle auf. Dort setzte ich mich vorm Auftritt mit Votzer (voc) und Old Erwin (bs) bei einem Bierchen zusammen und quetschte die beiden aus. Nicht dabei waren Michel (git) und Nagel (dr).

SS ULTRABRUTAL sind wieder da. Warum
?

Erwin: Warum ist die Banane krum? Wenn sie gerade wär, wär sie keine Banane mehr.
Votzer: Ja, warum sind wir wieder da? Weil es an der Zeit ist. Ganz einfach, es ist Zeit, mal wieder was zu sagen.

Und warum gab es eine solch lange Pause?

Votzer:
Weil wir alle was anderes zu tun hatten. Wir haben ja alle in anderen Bands gespielt. Da hatte sich das dann so ergeben. Jetzt geht es aber wieder weiter. Wir haben eine neue Produktion für ein Album gemacht, mit ganz aktuellem Material, was viele Leute begeistern wird. Schön bunt.

Nun aber die unvermeidliche Frage nach dem Namen. Wie kommt man auf SS ULTRABRUTAL?

Votzer:
Die Frage haben wir früher schon nicht so gerne beantwortet, weil wir finden, die Leute sollen sich selber was beim Hören des Namens denken. Das hat natürlich einen provokativen Hintergrund, bei dem sich jeder seinen Schuh selber anziehen kann. Heutzutage hat Provokation aber auch einen anderen Maßstab. Wenn du heute SS ULTRABRUTAL sagst, bist du gleich ein Nazi. Wenn du heute Flyer mit nackten Frauen drauf druckst, was früher im Punk gang und gäbe war, bist du ein Sexist. Wer setzt da Maßstäbe, und wo wohnt Gott?

Apropos Provokation. Ihr habt ja mal eine Rund-Mail verschickt, in denen du, Votzer, eine Stellungnahme zu deinem kurzzeitigen Einsatz bei der Band V-PUNK abgibst. Die haben ja nun einen äußerst zwielichtigen Ruf mit Kontakten zur rechten Szene und dem Rotlicht-Milieu. Erklär doch bitte kurz deine Sichtweise der Dinge.

Votzer: Von diesen Gerüchten habe ich auch gehört, und das hat mich ziemlich irritiert. Was ich da in der Zeit mitbekommen habe, hat überhaupt nichts mit Faschismus oder irgendwelchem anderen rechtsradikalen Scheiß zu tun. Das habe ich alles schon in dem Statement gesagt. Das sollten diejenigen, die das wirklich noch interessiert, einfach nachlesen. Ich habe gar keine Lust mehr, mich weiter dazu zu äußern. Ich weiß, was ich gemacht habe, und ich weiß auch, warum ich aus der Band wieder raus bin. Wie da ein Song von V-PUNK auf diesen Nazi-Sampler kommen konnte, kann ich mir nicht erklären, und das kann sich auch kein anderer der Band erklären. Ich habe in der, wenn auch kurzen, Zeit keine rechten Tendenzen in dieser Band gespürt. Solche Leute, die mir da E-Mails schreiben und mich darin als Nazi hinstellen, sollen sich erstmal an die eigene Nase fassen. Das spielt da bestimmt auch noch wegen SS ULTRABRUTAL mit rein, um uns jetzt wegen des Namens eins auswischen zu wollen. Daher werden dann solche Gerüchte gestreut. Ich halte V-PUNK immer noch für eine geile Deutschpunk-Band. Wer sich davon überzeugen will, sollte sich mal ‚Voll daneben‘ anhören, ihre zweite Scheibe.

Wie empfand der Rest der Band diese plötzlichen Vorwürfe gegen euren Sänger?

Erwin: Wir haben mit diesem ganzen Rotz ja überhaupt nichts zu tun. Wir sind SS ULTRABRUTAL, wir haben damals die Hafenstraße mit fabriziert, wir haben all das mitgemacht, was sehr links-politisch angehaucht war. Von daher fand ich diese Vorwürfe alle ziemlich komisch und unsinnig. So kleine Punks, die gerade erst hochkommen und heranwachsen, sollten die sich vorher erst mal besser informieren, wem sie da an den Karren fahren wollen.
Votzer: Vor allem sollen sie sich einfach unsere neuen Sachen anhören. Da wird eine Menge drüber gesagt, wenn man mal zwischen den Zeilen liest. Wir sind jedenfalls fest entschlossen weiterzumachen. Das war jetzt keine Eintagsfliege oder irgendein Revival, nur weil es gerade mal wieder schick ist. Wir haben neue Sachen zu sagen, und diese E-Mail-Täter sollen aufpassen, dass sie nicht selber angepisst werden.

Okay, damit haken wir das Thema nun auch ab. Ihr habt ja gerade gesagt, dass ihr hier in Hamburg bereits ganz am Anfang der Punk-Geschichte dabei ward und viel mit aufgebaut habt. Was bedeutet euch das heute noch?

Erwin:
Das Lebensgefühl hat sich nicht geändert. Das ist immer noch genau dasselbe wie früher. Natürlich ist man älter geworden, das ist klar, aber der Geist des Punkrocks lebt immer weiter.
Votzer: Meine Söhne sind heute hier, nicht nur weil ich sie eingeladen, sondern gezwungen habe. Und ich bin auch der Meinung, alles braucht Nachwuchs. Und deshalb kümmere ich mich jetzt darum. Es hat sich ja nichts geändert an der Allgemeinsituation. Im Gegenteil, es wird alles noch viel schlimmer. Und wenn man das nicht mehr spürt, würden wir auch nicht weitermachen.

Interessiert ihr euch denn auch noch für aktuelle Trends und Strömungen in der Szene, auch was den Nachwuchs im Punk anbelangt?

Votzer:
Selbstverständlich. Du weißt, wir haben letztes Jahr in Kaltenkirchen gespielt, da waren auch junge Bands dabei. Allerdings fiel uns da dieses Schubladen-Denken auf, was heute überall vorherrscht. Du brauchst inzwischen für alles eine Schublade. Wir finden, dieser ganze Schrank sollte angezündet werden. Von daher ist es wichtig, sich diese Entwicklungen anzuschauen. Dabei habe ich die eine oder andere Band gesehen, bei denen ich mir sicher bin, in ein, zwei Jahren sagen die, wo es langgeht.
Erwin: Es gibt immer wieder neue, schöne Sachen, wo man auch noch dazulernen kann.

Macht ihr zur Zeit neben SS ULTRABRUTAL noch in anderen Bands Musik?

Erwin:
Nein, ich nicht. Das reicht mir vollkommen.
Votzer: Ich mach noch die SHITTING ELVISES, die beste Cover-Band von Welt. Unser Trommler spielt noch bei einer METALLICA-Cover-Band und bei den TOTEN ÄRZTEN, die Songs von den ÄRZTEN und TOTEN HOSEN nachspielen. Dann spielt der auch noch bei GANG LOCO, der hat viel zu tun. Aber für mich ist SS ULTRABRUTAL das Größte. SS ULTRABRUTAL ist heilig.

Wie sieht das Privatleben von SS ULTRABRUTAL abseits der Band aus?

Erwin:
Arm. (allgemeine Zustimmung und lautes Gelächter)

Votzer, du bist ja wie erwähnt Familienpapa. Wie weit nimmst du Einfluss auf die Entwicklung deiner Söhne. Sollen das auch bald kleine Punker werden?

Votzer: Wie gesagt, die beiden sind heute hier, um sich das mal anzugucken. Allerdings haben die heutzutage ganz andere Werte, als wir damals. Von der Power her fehlt da was. Es ist ja alles kommerzialisiert.

Kommen wir noch einmal auf die Anfangsjahre der Band zu sprechen. Damals gab es gerade mal ein Album von euch. Wieso reichte das aus, um SS ULTRABRUTAL zur Kult-Band werden zu lassen?

Erwin: Ich glaube, man hat ganz einfach gemerkt, dass uns das Spaß gemacht hat, obwohl die Produktion damals völlig daneben war.“
Votzer: „Und was diese Kult-Sache angeht, muss man eher dich fragen. Du als Schreiber gehörst zu denen, die so etwas schaffen. Du machst das. Was ist Kult? Was ist heilig?

Wie kam damals die Idee zustande, dass die Hälfte der LP live aufgenommen wurde? Ein eher unkonventionelles Konzept.

Erwin: Weil das vorher noch keine Punkrock-Band gemacht hatte.

Jetzt ist die Platte bei Weird System neu aufgelegt worden. Wie ist die Resonanz?

Votzer:
Die ist auf jeden Fall da. Wir finden es auch gut, dass die Platte wieder als Vinyl erschienen ist. Wir sind alles Vinylisten. Unsere neue Platte wird auch eine Vinyl-Auflage haben. Und ansonsten sind wir froh, dass die Platte wieder aufgelegt wurde und sind etwas überrascht, dass die Leute das so geil finden.

Bereits damals ward ihr ja alles andere als unpolitisch, sondern habt immer ein klares politisches Statement vertreten.

Erwin:
Das kam nur scheinbar bei einigen Leuten nicht ganz rüber. Sonst hätte es diese vorhin angesprochenen Vorwürfe nie gegeben. Wir haben halt für die Hafenstraße gespielt und auch bei den Sachen mitgemacht, die uns richtig und gut erschienen. Das waren dann meistens eher linke Geschichten.

Wie ist das jetzt heute für euch. Du hast am Anfang gemeint, es sei an der Zeit, mal wieder das Maul aufzureißen.

Votzer:
Hör dir einfach unser Programm an, dann weißt du, wo es langgeht.

Das kann ich natürlich gerne tun, der gemeine Ox-Leser allerdings nicht.
Erwin:
Der kann sich dann ja unsere Scheibe kaufen. (wieder lautes Gelächter)

Votzer: Okay, dann zähl ich mal auf, um was es uns geht. Intoleranz, Oberflächlichkeit, totalitäres Verhalten, Schweine-Bullen, all diese Klischees, die immer noch stimmen. Vor allem die Oberflächlichkeit der Leute ist im Laufe der Jahre immer schlimmer geworden. Dabei geht es uns natürlich nicht um Hauereien mit den Bullen, sondern darum, mal den Kopf aufzumachen und reinzugucken, ob noch alles richtig tickt. Mensch sein, darum geht es.

Wie geht es für euch weiter?

Erwin:
Die neue Platte wird noch abmischt und kommt dann im Winter, spätestens Frühjahr raus. Konzerte werden wir auch wieder verstärkt spielen.
Votzer: Geplant ist da eine Menge. Wenn die richtigen Leute kommen, werden wir das weitermachen. Totgesagte leben länger, müssen aber nicht so aussehen.

Foto: Thorsten Wenzke