Die Band SPERLING bringt am 23.02.2024 ihr neues Album „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ heraus. Deshalb habe ich mich mit dem Sänger Johannes Gauch zusammengesetzt und mich mit ihm ein wenig über Hoffnung, Weiterentwicklung und das Finden des eigenen Weges unterhalten.
Welche ist deine liebste Songzeile auf dem neuen Album?
Hm, von der Stimmung her ist mein Lieblingssong „November“. Der ist mir aber auch gerade am präsentesten, weil er als Letzter veröffentlicht wurde. Wobei mir die Zeile in einem anderen Song besser gefällt. Tatsächlich ist „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“, meine Lieblingszeile. Deswegen ist es auch der Albumtitel geworden. Das ist einfach der Satz, der vieles zusammenfügt.
Hast du ein altes Songbuch, in dem du deine ganzen Ideen festhältst und wo du dann einfach hineinschauen kannst?
Voll! Es ist leider sauunromantisch, da es meine iPhone-Notizen sind. Aber schreib ruhig „ein Notizbuch“, haha! Ich muss sagen, die iPhone-Notizen sind mittlerweile das, was präsenter bei allen ist, die Songs schreiben.
Was würde denn euer erstes Album über euer zweites sagen?
Unser erstes Album hätte sich gewundert, was mit den Arrangements passiert ist, weil wir damals immer noch viel reingeschrieben haben. Und am Ende waren das coole Songs, aber auch irgendwie Collagen und das ist jetzt auf diesem Album nicht mehr so. Dazu würde sich das erste Album wundern, warum die Songs auf einmal eine andere, einfachere Struktur haben, und was mit dem Cello-Sound passiert ist. Der Sound ist unfassbar schön, aber ich glaube auch, dass viele Leute am Ende das Cello gar nicht als Cello erkennen werden. Wir setzen die Sounds generell auf diesem Album sehr bewusst ein.
Der erste Song des Albums ist „Meer“. Die erste Frage bei dem Zitat „Stolpern umher zwischen Küste und offenem Meer“ ist, welches dein liebster Ort an der Küste ist?
Boah, ich muss dir gestehen, ich habe ganz schön viel Angst vor dem Meer. Ich geh gar nicht ins Meer, um zu schwimmen, weil ich ganz viel Angst vor Meerestieren habe. Ich glaube, ich bin eher der Strandtyp. Im Schatten hinten sitzen und beobachten, wie andere im Wasser planschen. Das Meer hat etwas unfassbar Großes und etwas unfassbar Tiefes, aber zugleich Beängstigendes, weil man so wenig darüber weiß. Deswegen benutze ich das Bild auch. Das Gefühl, in die Weite zu fahren und nicht zu wissen, was auf einen zukommt, was passiert und wo man endet.
Der zweite ist „100 Tonnen Kummer“. Dabei geht es viel um Selbstzweifel und Entwicklung. Gibt es einen Song, bei dem ihr euch am Anfang unsicher wart, der mit der Zeit jedoch immer mehr Potenzial gezeigt hat?
Ja, ich glaube einige sogar. Spontan fällt mir „Luft“ ein, da wir uns unsicher waren, ob wir den überhaupt so machen wollen. Er ist sehr einfach strukturiert und der war vorher mal ein bisschen lauter. Bei diesem Stück war es ähnlich wie bei dem Song „Bleib“ vom letzten Album. Malte hat den, kurz bevor wir ins Studio gingen, noch mitgebracht und war eigentlich selbst gar nicht so begeistert davon. Uns hat der mehr begeistert und ich glaube, bei „Luft“ war es ebenfalls so.
In „November“ gibt es die Zeile: „Und ich wachse, bis ich fast selber glaube, dass es wahr ist“. Wann bist du das letzte Mal über dich hinausgewachsen?
Vielleicht sogar beim Schreiben dieses Albums. Die Texte sind immer mal wieder über die Zeit entstanden. Aber es war auch viel: Okay, hier sind die Demos, das Album geht bald in Vorproduktion, wie soll ich den Rest schaffen? Ich bin schon froh, dass das erste gelungen ist, und jetzt soll ich ein zweites schreiben? Na klar, man hat viel im Kopf und es beschäftigt einen auch viel, aber es ist manchmal schwer, das in diesem Chaos auch so abzurufen, und sich dann hinzusetzen und zu sagen, okay, das und das und das sind die Themen, die mich gerade umtreiben. Und dann hat man drei Themen und drei Songs. So funktioniert es ja nicht. Man hat ganz viel Gewirr und muss es erst mal ein bisschen entwirren. Deswegen würde ich sagen, dass ich hier über mich hinausgewachsen bin.
Der Text von „Dünner als Papier“ fühlte sich für mich beim Hören anders an. Gab es dort ein Erlebnis, das dich dazu inspiriert hat?
Ja, das kam durch eine sehr gute und langjährige Freundin. Wir sind im Hunsrück zusammen aufgewachsen, aber mit der Zeit ist man natürlich immer mehr auseinandergegangen. Ich war einfach immer grauenhaft schlecht im Kontakthalten und es ist so schade, weil mir diese Freundschaft super viel bedeutet. Und trotzdem kriege ich es nicht hin, auf einfachste Fragen zu antworten. Oder wenn es einem mal nicht gut geht und man fragt, ob man telefonieren kann, man aber so im Tunnel ist uns es nicht hinbekommt. Als wir dann in Hamburg gespielt haben, hat sie sich die Show angeschaut und wir uns danach unterhalten. Sie war sehr ehrlich, was zwar hart, aber vollkommen fair war. Und seitdem hat sich auch noch mal was verbessert, so dass wir seitdem auch cool sind.
Bei „Die Welt ist schuld“ ist bei mir die Zeile „Weiß nicht mehr, wohin ich will“, hängengeblieben. Weißt du denn, wo du hinmöchtest?
Langfristig will man natürlich happy werden und irgendwo ankommen. Das Album handelt viel davon, auf der Suche zu sein und auch ein bisschen auf der Flucht. Wo man letztendlich landen will, ist noch gar nicht so definiert und ich glaube, das macht auch die Reise so schwierig. Man ist auf irgendeinem Weg, aber man weiß noch gar nicht so richtig, auf welchen. Und dann fällt es einem leicht zu sagen, dass die Welt daran schuld ist.
Mit welchem Gefühl möchtet ihr die Leute nach dem Album zurücklassen?
Ich glaube, hoffnungsvoller als beim ersten Album auf jeden Fall. Ich will schon viel von mir preisgeben und auch irgendwie auch damit umgehen, was in mir ist. Mir ist aber schon bewusster als beim ersten Album, dass es auch wieder gut werden kann und es irgendwo auch alles halb so schlimm ist.
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