Sound Pollution Records, das ist die rettende Nische für Bands von rockigem Punkrock über Hardcore bis hin zu Thrash, weit entfernt von der staubigen Garagenpunk-Ecke, langatmigem Emocore und stumpfem, verrostetem Metal, und ihre Namen sind EXCLAIM, HELLNATION, KRIGSHOT, MEANWHILE, NINE SHOCKS TERROR oder UNCURBED. Da Phoner nicht mein Ding sind und Ken von Sound Pollution irgendwo in Kentucky seine Plattenschmiede hat, lief dieser Wortwechsel via E-Mail...
Ken, zum Einstieg einige Fakten. Wie und wo bist du aufgewachsen?
Geboren bin ich 1970 in Cincinnati, Ohio und in einer Mittelklassefamilie aufgewachsen. Als ich zehn war, verstarb mein Vater an seiner Krankheit Alkoholismus. Da meine Mutter vier Kinder mit einem kleinen Einkommen alleine großziehen musste, war sie gezwungen, mit uns in eine ziemlich beschissene Gegend zu ziehen, bevölkert von gelangweilten Kids und Dealern und inklusive regelmäßiger Schießereien. Als ich zwölf war, zogen wir nach Kentucky, da meine Mutter einen neuen Typen geheiratet hatte. Mit meinem Stiefvater hatte ich immer wieder heftigen Streit, was wohl der Auslöser für mich war, Punk zu werden. Trotz der angenehmen Nachbarschaft durfte niemand der Jungs im gleichen Alter mit mir abhängen, da sich deren Eltern vor meinen älteren Brüdern fürchteten. Sie dachten, dass sie all die Drogen in Umlauf brachten. Ich ging zur Highschool, auf ein College und schloss dieses 1995 ab.
Wie kamst du letztendlich zum Punk/Hardcore?
Eines Nachts hörte ich eine Radioshow, in der ziemlich verrückter Thrash-Metal gespielt wurde. Ich machte mich auf die Suche, um mir Material von diesen Bands zu besorgen und begann Magazine über diese Musik zu lesen. Mit 16 begann ich verstärkt D.R.I., C.O.C., M.D.C. oder DEAD KENNEDYS zu hören. Die ursprüngliche Anziehungskraft von Punk für mich war, dass es anders, verrückt und abgefuckt war. Zudem ging es in den Texten um all diesen Mist, mit dem ich aufgewachsen bin und so konnte ich mich bald mit dieser ablehnenden Haltung gegen all diesen Scheiß absetzen. Aber ich war wie die vielen anderen Idioten, die meinten, alles besser zu wissen. Heute gibt es nichts, was ich so sehr hasse, wie diese arrogante Einstellung. Kentucky liegt fernab all dieser Trends, deshalb musst du verdammt aufpassen, dass du als Punk nicht den Arsch voll kriegst. Aber vielleicht ist das auch gut so, haha.
Aggressiv, rau, schnell und wütend, auf den Punkt gebrachte Lyrics, gespickt mit Politik, Sozialkritik, Drogen, aber alles andere als positiv...
Das stört mich nicht. Man lebt damit und muss das Beste aus jeder Situation machen. Es stört mich allerdings, wenn zu etwas völlig Sinnlosem aufgerufen wird. Darauf achte ich, aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich den Texten gegenüber gleichgültiger wurde, da vieles überdramatisiert dargestellt und sowieso nichts wesentlich beeinflusst wurde. Fuck – George Bush ist Präsident. Wenn ich an diesen Trottel denke, könnte ich mich vergessen. Entweder lachst du irgendwann darüber oder du wirst wahnsinnig, wenn du dir ständig Gedanken machst, wie beschissen sich doch alles entwickelt. Noch denke ich darüber nach, was und wie man manches verändern könnte, trotzdem lebe ich in keiner Traumwelt.
Die „People Temple“-EP von HELLNATION, deiner eigenen Band, war die erste Veröffentlichung auf Sound Pollution. Hast du mangels Interesse anderer Labels, die Platte zu veröffentlichen, Sound Pollution ins Leben gerufen?
Zugegeben, die ersten HELLNATION-Aufnahmen sind schrecklich und wahrscheinlich hätte die wirklich sonst niemand veröffentlicht. Also dachte ich mir, scheiß drauf, mach ich’s eben selbst. So beschissen diese Platte auch ist, während der letzten fünf Jahre haben sicher hundert Labels angefragt, ob sie diese Aufnahmen nochmals auflegen können. Wir könnten auch in ein Mikro furzen und irgendein Trottel würde sich anbieten, den Kram zu veröffentlichen.
Und was tut sich bei HELLNATION?
HELLNATION besteht derzeit aus Al am Schlagzeug, Mark am Bass und mir an der Gitarre. Voraussichtlich Anfang Juni werden wir Aufnahmen für eine neue LP/CD einspielen. Dieses Mal gehen wir in ein sehr gutes Studio, so dass sich das Resultat hoffentlich hören lassen kann. Im Juli sind wir zwei Wochen mit BRODY’S MILITIA, der neuen Band unseres ex-Bassisten, auf Tour. Ende des Jahres geht’s vielleicht nach Japan.
Stecken hinter Sound Pollution außer dir noch weitere Personen?
Sound Pollution bin ich. Leider besitzen nicht alle Leute einen so guten Musikgeschmack wie ich, so dass es schwierig ist, nur vom Label alleine zu leben. Bei finanziellen Engpässen halte ich mich mit Modellbau über Wasser. Ein College bot mir an, Kurse über das Musik-Business zu geben, haha...
Wie kam es zu deinen beiden Label-Logos?
Es gibt nur ein Logo, das ‘Face It Up’-Cover von HERESY. Das Bild zeigt einen Typen von der NASA während eines Geschwindigkeitstests. Was wäre für Sound Pollution geeigneter?! Auf dem ‘Kings Of Thrash’-Sticker ist Tsuyoshi von FUCK ON THE BEACH abgebildet, da war er allerdings jünger und schlanker. Da er jedoch so ein verdammt lustiger Kerl ist und zudem eine großartige Frisur trug, musste ich dieses Motiv einfach verwenden.
Deine Bands stammen aus den Staaten, Skandinavien, Japan und sogar aus Deutschland wie z.B. Y, aber sie scheinen nicht oft auf Tour zu sein?
ALLERGIC TO WHORES touren fast ständig in den Staaten, Y scheinen oft unterwegs zu sein, HELLNATION waren mehrmals auf Tour. Ich denke, dass für diese Art von Bands, in dieser Szene, bei einer Tour unterm Strich, gerade mal die Kosten gedeckt werden, während andere Bands Geld damit verdienen. Aufgrund dessen ist es nicht möglich, über einen längeren Zeitraum zu touren.
Auf deiner Homepage verweist du auf Slap A Ham Records, MCR, Laja Records und F.W.G. Wie kamen diese Kontakte zustande?
Chris von Slap A Ham Records spielte bei STIKKY und SPAZZ und begleitete HELLNATION vor einigen Jahren als Bassist durch Europa. Als ich 1988 begann Sound Pollution zu gründen, sprach ich mit Tim Yohannan vom Maximumrocknroll, der mir empfahl mit Chris von STIKKY zu sprechen, der gerade mit seinem Label anfing. Tim gab mir die Telefonnummer von Chris und ein Telefonat später entwickelte sich eine bis heute anhaltende Freundschaft. Seit ich mich für Punk interessiere, habe ich Kontakt mit Yumikes von MCR aus Japan. 1994 hatte er mit seinem Vertrieb in den Staaten Probleme, so dass ich ihm damals aushalf. Seitdem ermöglichte er HELLNATION zwei Tourneen in Japan. Was für ein cooler Typ, wenn man bedenkt, dass er eine Familie hat, seit 1983 eine Sechs-Tage-Woche und trotzdem noch Zeit findet, für unbekannte Bands, Tourneen in Japan zu organisieren. Hinter Laja Records steckt Mozine von MUKEKA DI RATO aus Brasilien. Er veröffentlichte HELLNATIONs ‘Fucked Up Mess’ und verhalf uns zu einer Tour in Brasilien. Fumio aus Japan steckt hinter F.W.G.. Auf der Website stellt sie Cover-Artwork vor. Ich traf sie 1995, wir spielten gemeinsam mit ihrer Band SINK und nahmen eine Split-EP auf. Fumio gestaltet jede Menge Cover für japanische Hardcore-Bands und ist für das Artwork von ‘Thrash Wave’ verantwortlich, HELLNATIONs kommendes Album.
Du hast STIKKYs „Where Is My Lunchpail“, im Original auf Lookout erschienen, wiederveröffentlicht. Hast du nie mit dem Gedanken gespielt, die stilistische Ausrichtung von Sound Pollution zu ändern, denn eine Band wie STIKKY wird man auf Lookout sicher nicht mehr finden?
Ich mag zwar auch andere Musik, aber ich bevorzuge den Sound, den ich veröffentliche. Zugegeben, ich treffe auch nur Punks, die mir Demos dieser Art schicken. Ich wünschte, ich würde Demos von PIZZICATO FIVE oder PUFFY bekommen, aber nein... Lookout wollten STIKKY nicht mehr nachpressen. Umso mehr freuten sie sich, dass ich daran interessiert war. Sie wollten nicht mal was dafür. Ein echt cooler Deal.
SPAZZ und ASSÜCK scheinen demnach die Klassiker auf Sound Pollution zu sein.
Richtig. Nachdem ich die erste ASSÜCK-Platte rausgebracht habe, bekam ich eine Flutwelle an Demos von grottenschlechten Death Metal-Bands mit übelstem Hundegebell-Gesang. Ganz zu schweigen von den ulkigen Bandphotos... Danke Schweden, haha.
NINE SHOCKS TERROR schreiben auf ihrem Album „Paying Ohmage“: „Screw any retarded trends or pseudo-musical ‘movements’ like ‘screamo’, ‘tough-guy mosh metal’, ‘power violence’...“ Wie siehst du diese Aussage und die Entwicklung von Punk/Hardcore?
Ist dir so was wichtig oder reden wir beide immer noch von sehr schneller und aggressiver Musik? Irgendwie dreht sich alles im Kreis. Ich mag die Annäherung an das Ursprüngliche. Mit Emo oder Chugga Chugga-Metal im Hardcore kann ich nichts anfangen. Gab es davon in den letzten fünf Jahren viel zu viel, versuchen jetzt 99% der neuen Bands wie MINOR THREAT zu klingen. Wie langweilig!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #47 Juni/Juli/August 2002 und Simon Brunner