SONS

Foto© by Daniil Lavrovski

Den inneren Hooligan herauslassen

Belgien ist ein immer wieder interessanter Quell neuer Bands: einerseits ist das Land für Menschen in Nordrhein-Westfalen quasi um die Ecke, andererseits der kulturelle Austausch weniger intensiv als gedacht. Gut, dass wir SONS nicht übersehen haben, die auf „Sweet Boy“, ihrem nach „Family Dinner“ (2019) zweiten Album, massiv kickenden Turbojugend-Garage-Rock’n’Roll spielen. Gitarrist Arno de Ruyte beantwortete meine Fragen.

Die Basics bitte.

Wir sind zu viert, und wir sind schon so lange befreundet, wie wir denken können. Unser Bassist Jens ist sogar mein Cousin. In der Schule hatten Jens und ich eine Band und unser Sänger Robin hatte eine zusammen mit Thomas, jetzt unser Schlagzeuger. Aber wir haben nie alle vier zusammen gespielt, bis Robin und ich eines Sommerabends einen Pakt schlossen uns zusammenzutun und etwas Neues zu beginnen. Wir haben uns fast zwei Jahre lang ausschließlich in unserem Proberaum eingeschlossen, bis unsere Freunde uns dazu drängten, eine EP aufzunehmen. Wir wurden im belgischen Radio gespielt. Seitdem ist es eine einzige Achterbahnfahrt.

Bist du mit dem klassischen „Elevator Pitch“ vertraut? Du hast etwa zwanzig oder dreißig Sekunden Zeit, um dein Produkt zu verkaufen. Oder in eurem Fall: jemanden für deine Band zu interessieren, ohne etwas von deiner Musik spielen zu können ... Los geht’s!
Unser Verkaufsargument ist, dass wir es wirklich lieben, live zu spielen. Erwarte ein lautes und intensives Erlebnis, das dich dazu bringen wird, deinen inneren Hooligan herauszulassen und den Laden komplett zu zerlegen. Oder ihr tanzt euch einfach den Arsch ab ...

Erst gestern habe ich wieder „Homophobia“ von CHUMBAWAMBA gehört. „Homophobia, the worst disease“, heißt es da. Ihr habt den Song „L.O.V.E“ geschrieben, der sich mit dem Thema Homophobie beschäftigt. Was ist der Hintergrund?
„L.O.V.E.“ hatte noch keinen Text, als wir anfingen, unser zweites Album aufzunehmen. Eines Morgens wachten wir im Studio auf und hatten eine Menge Textnachrichten und News-Meldungen auf dem Handy über einen Vorfall von Schwulen-Bashing. Zwei Jugendliche hatten in der Stadt, in der wir aufgewachsen waren, einen Mann mittleren Alters getötet. Wir waren völlig fertig, wegen der Brutalität, aber auch wegen der Tatsache, dass so was in unserem eigenen Umfeld geschehen konnte. Wir alle kannten den Tatort, wir haben da gespielt, als wir Kinder waren. Spät in der Nacht begannen wir zu schreiben und die Worte sprudelten nur so aus uns heraus.

Das Vereinigte Königreich ist großartig in seiner Fähigkeit, den Punk/Post-Punk alle paar Jahre neu zu erfinden. Welche Musik und/oder Bands und Alben haben euch zu dem Sound inspiriert, den ihr auf eurem neuen Album „Sweet Boy“ spielt?
Ich würde sagen, unsere Einflüsse kommen eher aus den USA. Wir bewundern die gesamte Westküsten-Szene, etwa Ty Segall. Klassiker wie Iggy Pop, BLACK FLAG und DEAD KENNEDYS oder PIXIES, SHELLAC und viele mehr. Was UK angeht, sind es JOY DIVISION, GRINDERMAN und natürlich neue Bands wie IDLES und SHAME, die auf unserer gemeinsamen Playlist stehen.

Bei den Aufnahmen des Albums hattet ihr so was wie eine Fernbeziehung mit dem Australier Michael Badger-Taweel. Warum er und wie ist es gelaufen?
Vor ein paar Jahren sind wir über Noisesome, unser Management, in Kontakt gekommen. Michael hat uns dann in Belgien besucht und bei ein paar Shows begleitet. Es hat sofort alles gepasst. Er wurde zu einem Freund und unserer ersten Adresse, sobald wir ins Studio gingen. Leider konnte er dieses Mal wegen der Corona-Situation nicht zu uns rüberkommen. Wir haben live über Online-Videochat gearbeitet und das hat zusammen mit der Unterstützung durch unseren Produzenten Damien Vanderhasselt super geklappt.

Wie erlebst du aktuell die Live-Szene in Belgien? In Deutschland scheinen alle noch recht zögerlich zu sein und die Shows sind noch lange nicht wieder ausverkauft.
Wir beobachten das Gleiche in Belgien. Die Leute haben offenbar immer noch Angst, lange vorauszuplanen und vorab Karten für ein Konzert zu kaufen. Diejenigen, die dennoch kommen, sind dann aber begeistert und die Shows gipfeln fast immer in einer großen Party. Wir hoffen, dass alle wieder den Weg zurückfinden, sobald die Festivalsaison beginnt. Musik live zu erleben, ist einfach unschlagbar.