Sergie Loobkoff ist ein bescheidener Mensch, und das ist eine Eigenschaft, die man sich im Musikgeschäft bei mehr Menschen wünschen würde. In der Tat sind SAMIAM, TEXAS IS THE REASON und SENSEFIELD zwar Hausnummern, bei denen jeder, der in den Neunzigern US-Indie-Rock hörte, die Ohren spitzt, aber die Zeiten ändern sich, it‘s 2-0-0-4 und man trifft mittlerweile sogar Menschen, denen – oh jugendliche Unschuld – SAMIAM etwa nur vom Namen her bekannt sind. Da müssen SOLEA, die sich aus Ex- bzw. Noch-Mitgliedern genannter Bands zusammensetzen, zwar nicht ganz von Los aus ins Spiel starten mit ihrem Debüt-Album auf Defiance Records, aber viel Alters-Vorsprung haben sie eben nicht – und brauchen sie auch nicht! Denn ihr Longplayer, dem zwei EPs vorangingen, ist einfach von ergreifender Schönheit, eine Gute Laune-Sommerplatte par excellence. Und so mailte ich mit Sergie etwas hin und her.
Unser letztes Interview fand im Sommer 2002 statt, ihr hattet gerade erst eine Demo-EP veröffentlicht. Was ist seitdem passiert?
„Ich muss leider zugeben, dass sich SOLEA eher langsam bewegen, was ganz schön frustrierend ist. Ich nehme an, das hat eine Menge mit der momentanen Situation der Musikindustrie zu tun. Es ist eine Tatsache, dass Labels vor allem hinter jungen Bands her sind. Also hatten SOLEA Probleme, ein adäquates Label für eine Veröffentlichung in den Staaten zu finden. Garrett und Joe sind in den Zwanzigern, Scott und ich in den Dreißigern, das macht uns für die Firmen auch nicht interessanter, aber das ist schon in Ordnung. Als ich selbst noch jünger war, dachte ich auch, dass 23 alt ist. Und ich wollte lieber sterben, als noch älter zu werden, haha. Auf jeden Fall wurde das Album von unserem japanischen Label Bad News finanziert. Sie haben auch unsere zweite EP veröffentlicht, und bringen ansonsten Bands wie CIBO MATTO, DISMEMBERMENT PLAN, BRIGHT EYES, MARITIME und PALE raus. Aber zu deiner Frage: Wir haben in den USA mehrmals an Ost- und Westküste gespielt, waren zweimal in Japan und haben unser Album dort im März veröffentlicht. Und im September wird es in Europa und Südamerika rauskommen.“
Apropos Japan. Wie war es da?
„Wir waren ja schon das zweite Mal in Japan und es war großartig. Letztes Jahr haben wir dort als Support für die DONOTS gespielt, das war cool. Wir sind befreundet, seit wir damals mit SAMIAM ein paar Shows in Deutschland zusammen gespielt haben. Japan ist der einzige Ort, wo wir auch einiges an Presse bekommen und halbwegs intensiv getourt haben. Wir sind mit unserem dortigen Stand recht zufrieden.“
Euer Album wird unter anderem in Brasilien veröffentlicht. Wer ist da für euch verantwortlich und wie kam der Kontakt zustande?
„Das Label heißt Highlight Sounds, sie haben auch SAMIAM veröffentlicht und uns eine unglaubliche Tour gebucht. Cesar, der Besitzer, ist ein großartiger Typ.“
Stört es dich, dass es der Presse, äh..., scheinbar nicht möglich ist, über SOLEA zu schreiben, ohne diverse Ex-Bands in Klammern aufzulisten?
„Nein, aber wir kriegen ja eh nicht besonders viel Presse. Ich denke nicht, dass die Erwähnung von SAMIAM bzw. TEXAS IS THE REASON da wirklich weiterhilft. Aber wenn es das tut, und wir so mehr Aufmerksamkeit bekommen, ist das auch gut.“
Mit Scott McPherson von SENSEFIELD seid ihr für Fans von 90er-Indie/Punkrock wie mich eine noch größere „Supergroup“ geworden. Wie habt ihr ihn gefunden? Oder hat er euch gefunden?
„Diese Band ist keine ‚Supergroup‘, VELVET REVOLVER sind so etwas. SOLEA sind einfach eine Gruppe von Freunden, die sich verstehen und sich musikalisch gegenseitig respektieren. Ich habe nie versucht, Garrett davon zu überzeugen, mit mir in einer erfolgreichen Band zu spielen. Es geht darum, dass er seit acht Jahren mein Freund ist und ich seine Stimme liebe. Genauso ist es bei Scott, mit ihm bin ich sogar noch länger befreundet. Er ist meiner Meinung nach einer der besten Schlagzeuger, mal ganz abgesehen davon, dass er jetzt bei uns spielt, was eine gute Sache ist. Es stört mich aber schon, dass die Leute denken könnten, wir hätten einfach ein paar Namen mit einander verbunden, die sich verkaufen. Den Scheiß brauchen wir nicht ... Und im Jahr 2004 braucht man dafür jemanden von THRICE, von THURSDAY oder von COHEED AND CAMBRIA, nicht irgendwelche alten Säcke aus den 90ern wie uns.“
„Apotheke“ hört sich für mich nach einer Erinnerung an Deutschland an. Welchen Hintergrund hat das Stück?
„Wir haben das Stück beim Soundcheck in Hannover fertig gestellt und es die folgenden Nächte in Deutschland gespielt. Durch die vorherigen Bands waren Garrett und ich schon häufiger bei euch und verbinden einige schöne Erinnerungen mit Deutschland. Auch wenn die Bedeutung für die meisten Menschen wohl unverständlich bleibt, wird es einige geben, die sich denken: ‚Cool, eine Referenz an Deutschland.‘ Keiner weiß warum, aber besser als all die anderen amerikanischen Deppen, haha.“
Und „Frankie machine“? Gibt es eine Verbindung zu SUICIDEs „Frankie teardrop“?
„Nein, eigentlich ist es ein Charakter in einem Film namens ‚The Man With The Golden Arm‘. Ein Junkie und wirklich arme Seele, die von Frank Sinatra dargestellt wird.“
Wie würdet ihr eure Entwicklung in den letzten zwei Jahren sehen?
„Ich denke, wir haben uns zu einer richtigen Band entwickelt. Die Demos haben uns und unsere Vorstellungen nicht wirklich repräsentiert. Sie wurden schnell und ohne ein wirkliches Budget aufgenommen. Manchmal denke ich mir, es wäre schade, wenn die Leute sie sich anhören und deswegen nicht mögen. Hoffentlich werden wir sie mit unserem Album überzeugen. Auch wenn ich nicht wirklich objektiv sein kann, denke ich, es ist sehr gut. Wir haben hart daran gearbeitet.“
So sehr ich das Album mag, ist es mit elf Songs, von denen einige schon auf den EPs zu finden waren, recht kurz ausgefallen. Wieso?
„Ursprünglich sind es dreizehn Stücke, aber das Label hat zwei für die Japan-Version zurückgehalten. Man kann uns auch bei den überarbeiteten Songs keinen Vorwurf machen, da wir mit den Versionen der EPs nicht zufrieden waren. Wir hatten auch sieben oder acht Stücke, die nicht aufgenommen wurden, und die es aufs Album geschafft haben, waren letztendlich die besten. Wir wollten ein großartiges Debüt-Album, und das haben wir. Es ist mit gut vierzig Minuten auch nicht zu kurz. Es gibt viele Aufnahmen und Bands, die die Aufmerksamkeitsspanne ihres Publikums überfordern. Qualität ist wichtiger als Quantität – man muss die Zuhörer hungrig lassen. Zumindest sehe ich das so.“
In eurem Presse-Info steht etwas von „melodic power rock“. Klingt beängstigend und mehr nach SAGA oder ASIA als nach SOLEA ...
„Hmm, das habe ich nicht so gesehen. Ich gebe dir aber Recht, es klingt lahm. Wahrscheinlich wollte, wer auch immer es geschrieben hat, einfach nur klarstellen, dass wir nicht nach Hardcore/Punk à la SOIA oder GOOD RIDDANCE klingen. Allerdings wird jeder, der uns hört und kennt, unsere Verbindung in diese Richtung nachvollziehen können. Wir sind definitiv nicht ASIA oder SAGA.“
Gibt es Platten, sagen wir mal drei Stück, bei denen niemand vermuten würde, dass sie eure Aufnahmen beeinflusst haben?
„Ich würde sagen, ‚Music for Airports‘ von Brian Eno, ‚Isn‘t anything‘ von MY BLOODY VALENTINE und ‚Rock‘n‘Roll Singer‘ von Mark Kozelek ...“
Wo und mit wem habt ihr aufgenommen?
„Wir haben mit meinem Freund Ariel aufgenommen, der in LA nur sechs Blocks von mir wohnt. Es ist eine sehr zeitgemäße Aufnahme mit einer Menge moderner Technik. Das Schlagzeug wurde in einem vernünftigen Studio aufgenommen, der Rest nach und nach in Heimarbeit. Es ist unglaublich, wie wenig man sich heutzutage dabei einschränken muss. Wir haben nicht auf die Uhr geguckt, hatten Zeit zum Experimentieren und mussten nicht ans Geld denken.“
Wann können wir SOLEA wieder in Europa sehen?
„Wir arbeiten an einer Tour im Oktober. Wünscht uns Glück und behaltet die Tourdaten im Auge.“
Letzte Frage: Was geht mit SAMIAM? Irgendwelche Pläne oder Aktivitäten?
„Ich bin mit fast jedem, der jemals in der Band war, befreundet. Es ist auch nicht so, dass die Band wirklich aufgelöst ist oder wir uns nicht mehr mögen. Momentan hat SAMIAM halt bei keinem von uns Priorität. Ich hoffe, wir werden irgendwann noch mal eine Platte machen. Aber ich kann nichts dazu sagen, und bin genauso gespannt wie jeder, der das hier vielleicht liest.“
Foto: Piper Ferguson
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