Vom 20.05. bis zum 24.05.1998 war in Berlin-Prenzelberg/Mitte wieder einmal ein irrtümlich als 3. bundesweites angekündigte Social-Beat-Literatur-Festival. Es gab Büchertische, Lesungen, Slams und Wort war ihr Hobby... Publikum rückte zu den Lesesessions, die nichts von drögen Lesungen im spießigem Buchhandlungsambiente vermitteln und eher an Poetry-Slams oder Livegigs erinnern, fast massenhaft an und Günther Grass würde ob derlei Zuspruch sicher neidisch werden. Und das, obwohl hier niemand der Anwesenden die Weisheiten des Marcel Reich-Ranicki mit der Löffler gegessen hatte! Aber... der Reihe nach.
"Mehr als gute Worte und schräge Töne" polarisierte die PDS-Anzeige im Programmheft ihre Auffassung zur Veranstaltung und dem eigenen Parteiprogramm. Warum ich das hier erwähne? Nun, Parteiwerbung sei mir egal, eine solche vom Neues Deutschland im Programmheft auch - wenn sich halt keine anderen Unterstützer finden (wie auch die junge Welt mit Ständen auf der Buchmesse u.ä.) soll man halt zugreifen. Trotz allem fanden sich einige Stimmen, die das nicht für gut befanden. Gerade Leute aus Neufünfland hatten hier die eine oder meist andere Meinung dazu. Ich will mich nur darauf beschränken anzumerken (einem logischen Rückblick folgend, daß einige der Social-Beat-Verlage und -Autoren ihren Background in der Punk-Szene haben/hatten), daß man eigentlich immer wider Parteiwerbung eingestellt war, früher... Und die Werbung der Sparkassen haben wir doch auch immer den Schülerzeitungen überlassen! Wer mir nun im Wahljahr Gleichmacherei von Parteien anzudichten gedenkt, hat nichts kapiert. Es sei allerdings hier noch erwähnt, daß die Macher des Festivals von keiner einzigen Kulturbehörde o.ä. Unterstütztung erhielten!
Am 1. Abend schon sollen in der Kastanie 85 200 Interessierte den Vorlesenden und TOMTE (Punk-Band mit BOXHAMSTERS-Stützstrümpfen; sollen live geil gewesen sein - meinte ANDIE Z.) gelauscht haben. Ich lag da noch daheim im Bett und versuchte einzupennen, denn am nächsten Morgen war um halb 5 Morgenappell zwecks Abfahrt.
Der 2. Abend war dann so überfüllt, daß gemunkelt wurde, die Kasse hätte irgendwann dicht gemacht, weil die Menschenschlange draußen die Räumlichkeiten gesprengt hätten, so sie denn noch eingelassen worden wäre. Bestätigen kann ich das nicht, denn es war so voll, daß ich mich nicht mehr nach draußen vorarbeiten wollte und konnte. Das Lychi 60 platzte freilich aus allen Nähten. Der Keller-/Gewölbeschuppen war optisch eine Mischung aus Kunststudentenpinte und besetztes Hausdomizil (nebst intakten, sauberen Toiletten). Die Fülle des Publikums freilich war einer Lesung nicht unbedingt förderlich, was gerade der als vorletztes lesende HENNING CHADDE (als Ersatz für DOBLER und TREZNOK) ein wenig mehr als die anderen zu spüren bekam.
STEFAN BEUSE, aufgefallen mit einer der wenigen guten Stories in der unsagbar schlechten Trash-Piloten-Anthologie bei Reclam Leipzig (und mit eigenen Titeln ebd.), machte den Opener und unterhielt kurz und bündig wie auch schön pointiert. Danach las KATJA HUBER aus München, die mich dann doch sehr wenig bis gar nicht begeistern konnte. Hinter ihr torkelte PETER WAWERZINEK (alleiniger Preisträger für den unaussprechlichen Namen des Abends) als Trasher mit Gitarre, Gesang und Vortrag auf die Bühne. Kann passieren, muß aber nicht! Danach räumte der "tätowierte Ekelbatzen"... (Die taz in einem Knüppel-aus-dem-Sack-Artikel, der über zwei Lesungen richtete - und zwar ohne Unterscheidung, als handele es sich um ein und dieselbe Lesung, also ein journalistisches Meisterwerk! Die letzte der beiden endete übrigens um 24 Uhr; der Artikel freilich erschien am nächsten Tag. Der Redaktionsschluß der taz liegt selbst bei der Regionalausgabe in Berlin vor 24 Uhr! Wegen diese Schmähschrift wurde übrigens gemunkelt, die verdammt emanzipierte Autorin hätte wohl einmal etwas mit JAD, einem der Veranstalter, gehabt und daher zu diesem Pamphlet gegriffen, um es dem Drecksack nochmal so richtig heim zu zahlen. Auch eine Art den Konservatismus ins links-liberale ´rüberzuretten...)
Also: Danach räumte PHILIPP SCHIEMANN, sowas wie der HENRY ROLLINS aus Düsseldorf (kein Modedepp!), ordentlich Applaus ab. Las Auszüge aus einem Buchmanuskript und gerade "Kai Uwe Kaviar" mit seiner kleinen Kapelle taten es mir an. Leider verpaßte SCHIEMANN den Absprung eines guten Endes und zog die Lesung etwas zu sehr in die Länge, somit wurde es -weilig! HADAYATULLAH HÜBSCH, der Bühnenvulkan schlechthin und Alt-68er, der leider vor kurzem einen schweren Herzinfarkt zu verarbeiten hatte, dann etwas gemäßigter als sonst (wo er 300er-Hallen ohne Mikro beschallt). Er las zuerst zwei für seine Verhältnisse eher stille Texte, und gerade der 2. war völlig überdreht und sehr unterhaltsam: ein besetztes Haus soll geräumt werden und da die Punx nix mehr zu werfen haben, werfen sie mit ihren Piercings und, hossa, ziehen sich ihre Tätowierungen aus, mit denen sie dann auch werfen. Voll geil, höllisch konfus. Lachattacken gab´s. Eine mir völlig neue Seite des Realisten, des ansonsten aggressiv-kritisch vortragenden HÜBSCH. Letzterer folgte dann aber zum Schluß mit dem Klassiker und Langgedicht, daß wir alle nur Arbeiten nennen. In so manchen Momenten, als er da wieder ohne Mikro krakeelte und polterte (ohne wie ein Proll zu wirken), sah ich schon - Herzinfarkt - den Notarztwagen anrollen...
SARA M. aus Braunschweig hatte danach schon so eine schwere Nachfolge anzutreten. Die Schülerin des Meisters OFF (Braunschweiger Schwule) brachte eine Mischung aus Gi(e)rlie und vollgesoffener Olle - letzteres war sie auch wirklich: Konnte ihre Manuskripte manchmal kaum lesen; wenn, so verlor sie die Zeilen oder auch direkt die Seiten bzw. das Buch aus den Augen oder der Hand. That´s Social-Beat in den miserabelsten Momenten. Sogar Feministinnen wollen diese Art der Frauenquote nicht sehen! - Zumindest hoffe ich das! Ansonsten sollte Frau M. lieber weiter ihr Talent im Genre des deutschen Trashmovies (Sommer der Liebe) einbringen, der Authentizität wegen. Dann folgte HENNING CHADDE, der so recht nichts rüberbrachte aber doch hie und da angespannt Zuhörende fand.
Zu dem Zeitpunkt allerdings machte sich schon Unruhe breit im Publikum, das einfach schon zu lange konzentriert zugehört hatte. Den Abschluß machte AHNE aus Berlin, der den Lokalpatriotenbonus besaß und auch treffsicher ausspielte. Dem Publikum, zumindest einem harten Kern, gefiel es. Mein Fall war es nicht, außerdem machte sich bei mir der lange Tag, die Anspannung während der Fahrt und die immer mieser werdende Luft im Laden zu schaffen. Zudem setzte die Wirkung der Unmengen an Club-Cola ein, die mir der Braunschweiger Gelehrte und Autor JAN OFF als Sozialhilfeempänger-Ersatz der neuen Heilsdroge Viagra empfohlen hatte... Später erst fiel mir auf, daß er meinen Verriß seiner Schutzbefohlenen Sonderschülerin geahnt haben mußte und mich schon vorab zu bestrafen gedachte.
Freitag mittag öffnete dann die Underground-Buchmesse im Sportlertreff. Ein paar Buchtische mit Linker, Social-Beat- und Independent´produzierter-Literatur u.ä. Es stellten sich auch viele Zeitschriftenprojekte vor. Erst Samstags allerdings sprach das Publikum der Messe zu, so daß man erst dann von gut besucht reden konnte. Ge- oder verkauft wurde allerdings wenig, was an der Produktfülle liegen mag, denn die meisten hatten dafür gesorgt, auch Produkte von befreundeten Verlagen oder ZeitSchriften vorzustellen. Trotz allem fehlten zur Komplettierung sicherlich, um wahllos nur einige zu nennen, der Ariel-Verlag, der Robert Richter-Verlag (Kopfzerschmettern Medien) und wohl auch Galrev, aber auch ZS wie z.B. die Vergammelten Schriften aus Leipzig ließen sich entschuldigen. Rückblickend allerdings muß man sagen, war doch ein reichhaltiges Angebot vor Ort.
Aber zur Lesung am Freitag abend: Bei jedem SB-Festival in Berlin gab es eine Lesung im Schokoladen. Eine nette Kneipe in Mitte, die mich einmal in vergangenen Tagen mit einer Höllenmischung Bacardi-Cola zum Ramschpreis niederknüppelte. Das aber nur am Rande. Wie bei jedem Festival war auch diesmal der Schokoladen rappelvoll, will meinen: sold out. MICHAELA SEUL, gerade mit ihrem Roman debütiert (siehe Buchrezi in diesem Ox) machte den Anfang. Kurze, unterhaltsame Prosahappen, schnell und sicher vorgetragen und immer wieder wie Satelliten oder Monde um den Planeten der Beziehungskisten herumschwirrend. Ein guter Start in die Nacht. Dann folgte MARC DEGENS, der aber zumindest bei mir nicht das rüberbrachte, was ich in zwei früheren Lesungen von ihm gerne mitnahm. Hatte ich ihn eher mit lustigen Texten in Erinnerung, kam er mir hier etwas lau vor, wie ich meinen will.
Der erste Hit des Abends war aber das AutorInnenkollektiv des LUKE & TROOKE-Fanzines. Geile Sachen! Selten so gelacht, alleine gekichert wie gemeinsam als Publikum gegackert über diese Satireaktion pur. Vortrefflich vorgetragene Proll-Titanic auf Reisen. Der Tip! Live wie wohl auch in Heftform. (6,- DM, Holm Friebe, Hans-Otto-Str. 16, 10407 Berlin) THOMAS KAPIELSKI (diesmaliger Preisträger für den unaussprechlichen Namen des Abends) folgte dann mit einem unterhaltsamen Zwiegespräch zwischen einem Ich-Erzähler und dessen Tapedeck, dem er im Suff diktierte, wie er sich nach dem ca. 48. Bier in minuziöser Zählweise fühlte. Hatte zwar wenig mit SB zu tun und war auch gar nicht mal eine Lesung an sich (eher Session meets Ein-Mann-Kammerspiel), war aber fit zu lauschen. PATRIK FISCHER sprang dann für den vorläufig abgesagten KERSTEN FLENTER in die Bresche. Nach den vorangegangenen Lachsalven hatte er einen sichtlich schweren Stand mit seinem wirr abgedrehten Science Fiction-Roman und konnte nicht ganz überzeugen.
- Pause. -
Nach der dann der Mitveranstalter des Festivals, JÖRG ANDRÉ DAHLMEYER folgte. Nach kurzer Lesung aus einer Short-Story stellte er mitten im Text das unruhige Publikum zur Rede und forderte Basisdemokratie. "Soll ich noch weiterlesen?" fragte er. "Nein!" kam es postwendend. Er ging, moderierte danach auch nicht mehr richtig... Aus dem Off hingegen kam ein langer Kerl mit komischem Gesicht, vorlauter Schnauze (wie auch Mundgeruch) und flederigen Manuskriptvorlagen. Das Sausackgesicht stellte sich als JAN OFF aus Braunschweig vor und verzauberte schon mit den ersten Silben das Publikum zu FröhlichkeitsjüngerInnen. Drei völlig überdrehte, überspitzte Kurzgeschichten gab er zum besten und avancierte zum absoluten Hit des Abends. Wann erbarmt sich einer unser aller Lachmuskeln und bringt das Gesamtwerk dieses Autors im Schuber auf dem dösigen Buchmarkt? Gott sei uns dann gnädig und der Lachmuskelkater mehr als nur vorprogrammiert. Es sei verwiesen auf drei Einzelheftchen des Herren feinfühliger Prosarabauke (sie dürften über Jens Neumanns D.L.R.-Vertrieb erhältlich sein). Darauf sollte dann der Altanarcho BERND KRAMER folgen. Dahlmeyer schätzte aber, der liege besoffen daheim auf dem Sofa, und deswegen folgte sofort ARNE KRÜGER aus Hamburg, dem wohl schon der Unterricht in einer Hamburger Sonderschule beim Burger King über den Kopf zu wachsen droht. Der wäre a) besser besoffen daheim geblieben und stellte sich b) als Depp heraus. Er nervte unheimlich ganz besonders viel heftig, vor allem aber ungeheuerlich permanent. Was eigentlich wieder eine ganz besondere Art von Leistung ist! - Die ich hiermit gewürdigt habe... Vor dem Schluß des Abends machten dann die Leute vom LUKE & TROOKE noch eine Abschlußsession, die wohl eine Mischung aus Bonus oder Zugabe fürs Publikum war. Wir amüsierten uns nochmal ein wenig sehr vortrefflich!
Der Samstag abend war dann so etwas wie ein kleiner Höhepunkt, wohl nicht nur für mich, sondern auch für das Publikum, welches im Roten Salon der Volksbühne reichlich erschien, ich schätze einmal ca. 300 Leute wollten belesen werden. Derlei würden sich anerkannte Autoren manchmal wünschen, wenn sie ein neues Buch vorstellen und durch ein paar Städte touren. Selbst alle Zuhörer aller Lesungsorte zusammengezählt kommt man kaum auf eine solche Massen. Der Rote Salon, stellte ein befreundeter Autor aus Dortmund fest, sei wohl der Nobelschuppen gewesen, wo die Stasibonzen früher einmal gefeiert haben. Ich stellte mir die Bühne vor wie in Showgirls und eine russische Landpomeranze machte Elisabeth Berkley an der Stange nach... Zu trinken gab es statt Club-Cola Afri-Cola, die, wie auch das Bier, schweineteuer war und wohl sowas wie´s Viagra der etwas adeligen Sozialschmarotzer sein wird.
Schließlich riß ENNO STAHL, Kölner wie auch Wahlberliner, mich aus der Träumerei und machte den Warm up: Las aus seinem reichhaltigen kölsche Trash-Heimatroman-Werk mit einmal wörtlicher Rede im Kölner Plattdeutsch. Für die Übersetzung ins astreine Hochdeutsch bedankte sich das Publikum lachend. Dann folgte TOCO LEZZONE (Programm) der bürgerlich als KLAUS WEGENER (Bühne) vorgestellt wurde und das Kozmik Blues herausgibt - was eine der letzten noch existierenden Literaturzeitschrift ist, die sich an der ´68er Aufbruchstimmung und den davon inspirierten Literaturzeitschriften orientiert. Mit seinen Gedichten aus Wortspielen und verhaltenen Cut ups lehnte er sich an BURROUGHS an. Das Publikum aber war noch nicht ganz warm, und derlei Texte sind auch im Vortrag nicht immer ein Liverenner, so blieb man eher zurückhaltend. KERSTEN FLENTER, der dann doch mal den Weg nach Berlin gefunden hatte und als ganz großer Mann aus Hannover gilt, sprang dann selber für die leider ausgefallenen BETTINA STERNBERG ein und las seine Gedichte oder Shorties zwischen Blues, Poesie sowie aggressiver neuer deutscher Weinerlichkeit. Der 1. kleine Höhepunkt des Abends, die Viagra für den (die) Social-Beat-Liebhaber(in), will ich meinen.
JAN SCHLENDRIAN, der im echten Leben auch ganz anders heißt, las dann intellektuell-proletenhafte Stories von seinem Leben auf dem Bau oder beim Fußballhooliganismus. Sehr unterhaltsam und der Beweis dafür, daß Hooligans und Prolls durchaus zur ordnungsgemäßen Selbstreflexion fähig sind. Kauft das Frösi für die Frau und lest dort (nicht nur) seine Texte! NADINE BARTH aus Hamburg, auch bekannt aus einem kurzen Bericht in den Tagesthemen über Poetry Slams (aber nicht nur daher!), erklomm dann die Bühne und las erstmal eine Story vom Blatt ab: die Selbstreflexion einer Verkäuferin, die zwischen sowas wie Prostitution (ohne Sex) von sich oder den zu verdealenden Klamotten und Kapitalschelte ohne Marx-Ton pendelte. Schließlich gab sie noch zwei auswendig vorgetragene Poems zum besten, die allerdings nach den Lachsalven bei SCHLENDRIAN schon fast zu kopflastig und virtuose erschienen und deswegen beim Publikum (wie auch mir) eher dröge ankamen. Was sich dann bei JAROMIR KONECNY schnell änderte. (Immer wieder mein persönlicher Tip! Kauft seine Bücher, ihr Säcke! Romanbesprechung hier im Ox.)
Der geborene Tscheche überzeugte wieder einmal das Publikum auf ganzer Linie und wir lachten uns alle schlapp und leer. Hie und da floß gar eine Träne! Ganz klar der Abräumer des Abends, gegen den die später folgende JENNY HEINRICH einen sauschweren Stand hatte - das aber nicht nur, weil sie nach KONECNY (fast vergessen: alleiniger Preisträger für den unaussprechlichen Namen des Abends) kam. Ich feierte JENNY HEINRICH noch in einem nur Insidern bekannten Artikel über das 2. Berliner SB-Festival als den Geheimtip oder die Geheimtippse. Ich war sehr begeistert von ihr, allerdings: ich war auch besoffen, als sie las. Denn schon bei dem 2. Buchfrust-Festival in Hannover, wo sie fast das identische Programm wie in Berlin vortrug, fühlte ich mir an der Hirse und dachte: Okay, sie ist wohl die schönste Frau des Social-Beat - irgendwer hatte mir diese Einschätzung souffliert -, was auch an ihrem Alter liegen wird; aber was soll an den Texten gut sein? Ihr merkt es sicherlich, ich war ein wenig weniger betrunken, damals.
Fast dasselbe Programm kam nun auch schon wieder in Berlin - ich war dabei gänzlich nüchtern und hatte auch keine Club-Cola im Blut. Hat diese Frau also nur mal eben ein paar Glanzlichter geschrieben, die sie immer wieder vorträgt? Das Problem liegt zu allem Überfluß auch noch da, wo ihre Texte sich schon nach kurzen Wiederholungen als Betroffenheitslyrik mit (prä)pubertären Momenten lesen, wie wir sie alle in jungen Jahren getippt haben. Nun gut, Frau HEINRICH hat eine exklusivere Wortwahl und das zeichnet die Texte aus. Aber z.B. KERSTEN FLENTER, ROBSIE RICHTER oder BETTINA STERNBERG, die vom Thema her in eine verwandte Kerbe der Reflexion kloppen, sind mir nach dem 15fachen Hören derselben Texte (ihr seht schon, ich komme viel ´rum im SB-Land) meist immer noch ein Lichtblick. HEINRICH bleibt da dröge auf allen bedenklichen Strecken, um nicht zu sagen, landet im Graben. Einen Text sagte sie dann auch an: "Dieser Text ist sehr persönlich. Ich bitte um Betroffenheit!" Als einer im Publikum lachte, sah sie böse in dasselbe und meinte: "Das war nicht lustig gemeint!" Frau HEINRICH, dieser Verriß von mir Großkotzgeboren auch nicht! Seien der Worte genug gehexelt...
So blieb das sich leergelachte Publikum (wg. KONECNY) und eher verordnet betroffene Auditorium auch verhalten, als THEO KÖPPEN folgte, der wohl den schwersten Stand des Abends hatte. Das Publikum wurde langsam müde und überspannt, er konnte es kaum mehr mitreißen. Die Reaktionen glichen eher einem Anstandsapplaus, der sogar bei HEINRICH freiwilliger kam. Der Dichter mit der ´68er-Vergangenheit (oder so) kam nicht ´rüber oder vermochte es nicht, das rüberzubringen, was er sich so vorstellte. Schade! Den Abschluß als nicht angekündigter Überraschungsgast machte dann DANIEL KÜHN aus der Münchener Slam-Schule mit einem kurzen Prosahappen, der vom Krimi in die Satire umschlug. Ein letztes Mal kicherten wir, ein letztes Mal für jenes Wochenende SB in Berlin (zumindest für mich).
Der Slam am nächsten Abend im Sportlertreff fiel meiner Rückreise zum Opfer. Ich habe gehört, JAN OFF hat in Frauenkleidern als Maren Gilzer die Wertung zusammenaddiert...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #32 III 1998 und Tuberkel Knuppertz