Die SOAPGIRLS aus Kapstadt in Südafrika sind auf Streifzug durch Europa: Die beiden Schwestern Mille und Mie gründeten ihre Band THE SOAPGIRLS schon im Kindesalter und haben in ihren jungen Jahren schon viel Verrücktes, aber auch die Ausbeutung im Musikgeschäft erlebt. Im Interview ergänzen die Schwestern sich immer wieder gegenseitig, als ob sie ihre Gedanken teilen würden, und sprechen über ihren steinigen Weg und ihr neues Album „In My Skin“.
Es ist interessant, eure Bandgeschichte zu recherchieren, denn es ist faszinierend, was ihr bisher gemacht habt. Im Presseinfo stand zum Beispiel, dass ihr früher Models wart und in den ersten Jahren Seife verkauft und einen Teil des Erlöses an Krankenhäuser gespendet habt – daher der Bandname.Was hat es damit auf sich?
Mille: Nun, die Reise als THE SOAPGIRLS begann, als wir noch Kinder waren. Wir waren acht und neun Jahre alt ...
Mie: ... und wir waren Straßenkünstlerinnen.
Mille: Wir haben handgemachte Seife genommen, die unsere Mutter gemacht hat, und wir wollten etwas Gutes tun, etwas Sinnvolles, denn man kann nicht in einem Land wie Südafrika aufwachsen ...
Mie: ... und die eklatante Diskrepanz einfach ignorieren. Also sind wir runter zum Hafen gegangen, der ein Touristenziel ist, und haben uns auf den Pier gestellt. Wir haben uns einfach ein Mikrofon geschnappt und in jeder Sprache gesungen.
Mille: Wenn man versucht, den Leuten Sachen zu verkaufen, sagen sie: „Oh nein, nein, nein.“ Aber wir sind einfach auf sie zugelaufen und haben gesungen. Aber dann sagten sie, sie verstehen unsere Sprache nicht.
Mie: Also fragten wir: Welche Sprache sprecht ihr denn?
Mie: Dann haben wir ein paar Sachen in ihrer Sprache gelernt und sie konnten nicht nein sagen, weil wir ja ihre Sprache sprechen, also ...
Mille: Ich glaube, wir haben acht Jahre 365 Tage lang gearbeitet, und das gab uns ein starkes Gefühl davon ...
Mie: ... wer wir waren, und auch, dass wir ein ziemlich dickes Fell haben. Denn auch wenn wir damals etwas wirklich Gutes taten und anderen Menschen halfen, wurden wir immer noch beschimpft, weil wir anders waren. Wir haben also von kleinauf gelernt, dass es uns scheißegal ist, was andere Leute denken. Und dann haben wir einen Typen getroffen, der ein Studio hatte, und so sind wir danach in verschiedene Studios gegangen, haben einige verrückte, seltsame Erfahrungen gemacht ...
Mille: ... einige gute und einige schlechte. Es gibt eine Menge zwielichtiger Leute, vor allem wenn man minderjährig ist. Aber abgesehen davon haben wir auch gemodelt. Das hat uns sehr viel Spaß gemacht, und wir haben es geliebt, vor der Kamera zu stehen. Aufgrund von Problemen mit der Plattenfirma, bei der wir damals unter Vertrag waren, Universal Music, wurden wir schließlich in der südafrikanischen Musikindustrie auf die schwarze Liste gesetzt. Unser ganzes Equipment wurde gestohlen, alle unsere Gitarren, unser ganzes Zeug, und wir dachten, wir sind so am Arsch. Wir konnten keine Konzerte geben, weil die Leute andere Leute in der Musikindustrie nicht verärgern wollten. Also waren wir wirklich verzweifelt und haben beschissene Songs auf YouTube gepostet, in denen es darum geht, dass wir pleite sind.
Mie: Und dann hat jemand in Großbritannien die Videos gesehen und uns kontaktiert.
Mille: Zuerst gingen wir nach Amerika! Wir kamen also in Amerika an und waren super aufgeregt, es war unser erstes Mal dort.
Mie: Leider hatten sie immer eine bestimmte Vorstellung von uns und dachten nur „EDM-Pop“, was toll ist, aber eben nicht das, was wir machen.
Mille: Deshalb sind wir auch aus dem Plattenvertrag ausgestiegen. Wir haben es gehasst. Man sollte auch kreative Freiheit haben, und die gab es nicht.
Mie: Und dann hat jemand aus Großbritannien die Videos gesehen, die wir auf YouTube hochgeladen hatten. Er sagte: „Würdet ihr jemals nach Großbritannien kommen?“ Aber wir brauchten ein Album, um zu touren. Also haben wir in zwei Tagen etwa 16 Songs aufgenommen. Das war unser erstes unabhängig produziertes Album, „Calls For Rebellion“, und damit sind wir auf Tour gegangen. Das war auch ein Augenöffner für uns.
Mille: Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartete, aber es war wirklich großartig.
Trotz all der schlechten Erfahrungen, die ihr bisher in der Musikindustrie gemacht habt, würdet ihr trotzdem sagen, dass die Band SOAPGIRLS immer noch eure Bestimmung ist?
Mie: Verdammt, ja!
Mille: Wir sind zu 100% leidenschaftlich dabei und glauben an das, was wir tun. Schon als wir noch Kinder waren und Seife verkauften, ging es uns darum, die Freiheit zu fördern und zu zeigen, dass alles möglich ist, solange man nur fest genug daran glaubt und entschlossen ist.
Es passiert auch viel DIY bei eurer Band, ihr postet unter anderem viele YouTube-Videos. DIY ist heute offensichtlich anders als in den Achtziger/Neunziger Jahren. Glaubt ihr, dass soziale Medien und das Internet im Allgemeinen eine Hilfe sein können, um die DIY-Szene wieder voranzutreiben, so dass mehr Leute wieder unabhängig arbeiten und weniger von Majorlabels abhängig sind?
Mille: Auf jeden Fall! Noch vor zehn Jahren hätte ich mir gewünscht, dass die Dinge so wären, wie sie jetzt sind, was die Musik angeht ...
Mie: ... weil es so vielen unabhängigen Künstlern geholfen hätte.
Mille: Wir hätten nicht so viel durchleiden müssen, denke ich, wie die Scheiße mit der Plattenfirma, wenn wir dieses Sprachrohr gehabt hätten.
Mie: Ich finde es großartig, dass es jetzt nicht mehr nur die großen Konzerne sind, die unsere Industrie monopolisieren, alles besitzen und die Leute bescheißen. Man kann sich jetzt die Macht zurückholen und alles selbst machen.
Mille: Ich meine, versteh mich nicht falsch, ihnen gehört immer noch ein großer Teil der Musikindustrie.
Mie: Was scheiße ist!
Mille: Und deshalb ist es sogar für Bands schwierig, ins Fernsehen zu kommen. Sie haben definitiv ein Monopol darauf, und nur Geld und Verbindungen werden dir all diese Türen öffnen. Aber gleichzeitig, wenn du konsequent bist in dem, was du tust, und etwas aufbaust, das wahr ist, und die Leute es akzeptieren ...
Mie: ... dann kann niemand kommen und es kaputtmachen oder kaufen.
Aber die sozialen Medien haben auch ihre Nachteile. Zum Beispiel schreckt ihr nicht davor zurück, Haut zu zeigen, wie zum Beispiel auf Instagram. Instagram ist eher dafür bekannt, dass es vor allem Beiträge von Frauen löscht, die „zu viel Haut“ zeigen. Ist euch das auch schon passiert? Wurde schon mal ein Beitrag wegen Nacktheit gelöscht?
Mille: Andauernd! Unser ganzer Instagram-Account wurde sogar schon gelöscht. Wir hatten ihn acht Jahre oder so und dann war alles einfach weg.
Mie: Das Gleiche gilt auch für unsere Facebook-Seite, unsere ursprüngliche Seite, die einfach gelöscht wurde.
Mille: Wenn man in Südafrika versucht, unseren Bandnamen auf Facebook und so zu suchen, findet man ihn kaum. Man findet die Merch-Seite und alles andere, aber nicht unsere eigentliche Seite.
Mie: Ich finde es sehr unfair, dass ihre „moralischen Werte“ oder was auch immer für Männer und Frauen nicht gleichermaßen gelten. Das ist so frustrierend.
Mille: Für mich ist Haut einfach nur Haut. Wenn wir das Gefühl hätten, dass wir radikal provokativ sind, würde ich das verstehen und unser Profil auf „privat“ stellen, damit Kinder es nicht sehen. Aber wenn es nichts Extremes ist, das ein Kind nicht sehen sollte, dann ist es am Ende des Tages einfach nur Haut. Am Strand sieht man genauso viel Haut, und wenn die Leute Angst vor den Brustwarzen von Frauen haben ...
Mie: ... dann sollten sie ihren verdammten Kopf untersuchen lassen!
Mille: Ja, aber wieso haben sie dann keine Angst vor Waffen? Das ist doch verrückt. Die Leute haben mehr Angst vor den Brüsten einer Frau als vor einer Waffe.
Mie: Als wir das Musikvideo für unsere Single „Breathe“ drehten, lief ich die Straße lang – ich war bedeckt durch Farbe und Klebeband, man konnte nichts sehen, es sah aus wie ein Bikini. Innerhalb von zehn Minuten hielt ein Polizeiwagen an und wollte uns wegen öffentlicher Unsittlichkeit mitnehmen. Ich sagte: „Machst du Witze? Ich bin nicht nackt! Was ist das Problem?“
Mille: Das zeigt die Mentalität der Leute.
Mie: Sie brauchen einen Kontext, in den sie eine Frau stecken können, die nicht viel anhat, damit es okay ist. Wenn man mit einem Mann in einem Musikvideo zu sehen ist und im Tanga mit dem Arsch wackelt – das ist in Ordnung, go girl! Aber wenn du in einer Band bist oder einfach nur so, dann bist du plötzlich eine verdammte Schlampe.
Mille: Unser Ding ist die Freiheit. Macht, was ihr wollt, aber schreibt uns nicht vor, was wir tun dürfen.
Während des Lockdowns konntet ihr natürlich nicht auftreten. Ihr habt dafür viele Livestreams auf YouTube gemacht, aber nicht irgendwelche, sondern immer in verrückten Kostümen, die zu einem bestimmten Thema passten, zum Beispiel „Star Wars“ oder „Pokémon“. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Mie: Eigentlich war es unsere Managerin. An dem Tag, an dem bekannt gegeben wurde, dass es eine Pandemie gibt, die zwei Wochen andauern könnte, sagte sie: „Das wird keine zwei Wochen dauern! Wir müssen eine Bühne bauen und sofort etwas machen.“ Und wir haben diese kleine Welt in der Garage gebaut und uns gedacht: Lasst uns jeden Tag ein Thema umsetzen oder so. Jeder Abend war anders, weil wir natürlich nicht wollten, dass es die ganze Zeit dasselbe ist. Es ist also wie eine kleine, abgefuckte Mini-Show.
Mille: Wir wollten etwas machen, das wir selbst gerne sehen würden. Und dann haben wir angefangen, Humor und Musik einzubauen ...
Mie: Und viele der Fans haben sich verkleidet, weil es für sie eine lustige Sache war, weil sie auch zu Hause waren. Sie verkleideten sich entsprechend dem Thema der Show, um das Gefühl zu haben, dass sie bei uns sind.
Mille: Es ist verrückt, 103 oder 104 Wochen am Stück ohne Unterbrechung. Ich glaube, heute feiern wir das zweijährige Bestehen unserer Livestreams.
Lasst uns über euer neues Album sprechen, das bald erscheint. Es heißt „In My Skin“, und der Titel klingt sehr persönlich. Was könnt ihr mir darüber erzählen?
Mille: Es ist nicht so, dass die anderen nicht persönlich gewesen wären – ich meine, man kann nur über das schreiben, was man erlebt, und über die Welt, die man um sich herum sieht.
Mie: Ich denke, dass wir durch den Lockdown und die ganze Situation Zeit dazu hatten, uns selbst zu reflektieren.
Mille: Ja. Es war sehr tiefgründig. Thematisch ist von Selbstmord bis zu der Art und Weise, wie die Welt ist, alles dabei ...
Mie: Und auch das Leben, das sich verändert hat.
Mille: Es gibt Dinge, die man verliert, und es gibt Menschen, die anders sind. Es gibt eine Menge Dinge, mit denen sich die Leute identifizieren können. Aber als wir es geschrieben haben, ging es mehr darum, den Mist rauszulassen, den wir selbst gefühlt haben.
Mie: Wir waren auch einfach Zeugen der Verrücktheit der Welt und der Ungerechtigkeit, die vor sich geht, mit Corona und allem.
Mille: Und „Breathe“ ist wahrscheinlich der fröhlichste Track darauf, einfach eine Erinnerung daran, all den Scheiß loszuwerden, den du auf deinen Schultern trägst. Aber ansonsten ist es ein sehr seltsames Album. Es gibt eine Menge eher düsterer Themen, würde ich sagen.
Ich fand auch den Song „Kill breed“ sehr faszinierend, weil er eine Menge Growling enthält und beweist, dass ihr musikalisch ziemlich experimentell seid. Was hat euch dazu bewogen, einen so harten Song auf das Album zu nehmen?
Mille: Weißt du, was das Verrückte daran ist? Live wird er noch viel extremer sein! Die Studioversion ist noch sehr hübsch. Ich glaube, die meisten Toningenieure drehen bei unseren Aufnahmen ein bisschen durch und versuchen, das Album irgendwie hübscher zu machen. Sie lassen nicht das ganze Biest raus. Das erste Mal, als wir im Studio waren und ich so gegrowlt habe, meinte der Typ: „Was zum Teufel!“ Das war aber nicht negativ gemeint, er hatte es nur nicht erwartet.
Mie: Meine Schwester liebt Metal und Hardcore, was cool ist, das ist sie und ich schätze das. Aber ich bin mehr so ...
Mille: Sie ist die Melodienliebhaberin, eher entspannt. Also mischen wir es. Eigentlich sind wir mit diesem Album experimenteller geworden.
Mie: Der Text und die Botschaft hinter diesem Song – er muss einen mitten ins Gesicht treffen, weil die Leute aufwachen müssen. Wenn wir es anders gemacht hätten, wäre die Botschaft nicht richtig rübergekommen. Wir werden dir ein Geheimnis verraten, das sonst niemand kennt. „Kill breed“ haben wir auch auf Deutsch aufgenommen. Und Deutsch ist so eine harte Sprache.
Mille: Selbst, wenn ich es auf Deutsch singe, fühlt es sich an, als ginge die Welt unter. Sogar ich habe Angst! Aber wir wussten, dass es auf Deutsch sein musste.
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #162 Juni/Juli 2022 und Isabel Ferreira de Castro
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