Zusammen mit LEATHERFACE sind SNUFF jene Band, die prototypisch für den „neuen“ englischen Punkrock steht, der sich Mitte/Ende der Achtziger entwickelte, ohne den Ballast der Siebziger mit sich herum zu schleppen. Gleichzeitig waren sie auch eine Blaupause für den Pop-Punk der Neunziger und haben es in Person ihres Sängers (und Trommlers!) Duncan Redmonds geschafft, bis heute dabei und relevant zu bleiben. Nach längerer Pause erschien im Januar auf Fat Wreck ihr neues Album „5-4-3-2-1-Perhaps?“.
Duncan, als ihr SNUFF Mitte der Achtziger gegründet habt, war die britische Musikszene recht eigenartig – da gab es einige alte Bands, eine Menge Wave-Pop, Goth-Rock und einige wenige junge, innovative Gruppen. Wie erinnerst du dich an diese Zeit?
Die Szene war damals völlig anders. In der Zeit konntest du die Szene nur mittels Mundpropaganda oder Fanzines erkunden, oder falls mal was in der Mainstream-Presse stand. Der Informationsfluss lief über Festnetztelefone, Briefe oder Tape-Compilations. Heutzutage wirst du auf Knopfdruck mit Informationen und Bands vollgebombt. Wie auch immer, Mundpropaganda ist immer noch wichtig, denn es gibt einfach zu viel Informationen, die du filtern musst, und Labels oder die Presse erfüllen nicht mehr diese Funktion. Ich kann mich erinnern, dass ich mit zwölf Jahren, das war 1976, Punks gesehen und ihre Musik gehört habe. Vorher habe ich Glamrock und Heavy Rock gehört, vorzugsweise BLACK SABBATH oder DEEP PURPLE. Aber der Look der Punks und der Sound dieser schnellen, wütenden Musik haben mich sofort umgehauen. 1977 habe ich dann das erste CLASH-Album in die Finger bekommen. Das war im Plattenladen immer noch hinter den ganzen Rock-Platten einsortiert. Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger standen dann die Punk-Platten vorne und die Rock-Alben dafür hinten, bis einige Jahre später Rock durch SLAYER und METALLICA dann wieder cool wurde. Als wir mit SNUFF angefangen haben, waren wir jugendliche Snobs, die die alten Punkbands für überholt hielten. Die Szene bestand damals aus ganz unterschiedlichen Bands: einige, die von der Originalwelle übrig geblieben waren, wie DAMNED oder 999, einige von der Spätsiebziger/Anfang-Achtziger-Welle, also DISCHARGE, GBH und so weiter, sowie diese hippiemäßigen Bands à la CRASS. Dann gab es noch diese superschnellen Grunzbands mit Metal- und Thrash-Elementen. MOTÖRHEAD fanden die Punks immer gut, aber auch Bands wie VENOM oder SLAYER hatten einen großen Einfluss auf die Leute und es tauchten diese Zwitter aus Punk und Metalhead auf, mit umgeschlagenen Jeans über Doc Martens, langen Haaren und VENOM-Patches neben denen von MINOR THREAT. Wir sind da mitten reingeplatzt, haben Punk, egal, ob alt oder neu, Rock, Mod, Soul, Ska und die aktuellen, jetzt wieder coolen Rockbands gehört, sowie diese amerikanischen Punkbands, bei denen es wieder oder immer noch Melodien gab. Für uns stand die Melodie immer im Vordergrund, man könnte uns vielleicht beschreiben als eine Mischung aus GBH und THE WHO mit einem Schuss Northern Soul und Indie. Wir hörten THE SMITHS, SLAYER, Melba Moore, THE CLASH, MINOR THREAT und die SKATALITES. Unser Sound war nicht „typisch“ für die damalige Zeit. Wir selbst mochten ihn natürlich, haben aber nicht erwartet, dass er sonst noch jemand ebenfalls gefallen würde, und falls doch, war das eine nette Überraschung.
Die Neunziger waren dann euer Jahrzehnt, SNUFF eroberten Europa, jeder liebte melodischen Punk. Doch dann kam die Jahrtausendwende und Emo und Metalcore. Wie hast du das erlebt?
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Familie und das änderte alles. Ich habe fast nur noch Kinderlieder gehört und hatte immer weniger Zeit für Erwachsenenmusik. Die Musik der Nuller-Jahre ist eigentlich völlig an mir vorbeigegangen. Da gibt es sicher Ausnahmen, aber im Moment fällt mir nichts ein. Die Musik klang immer besser produziert und verlor dabei viel von ihrem Feeling. Ich kann mit diesem Zeug nicht wirklich etwas anfangen. Ich will etwas mit Seele hören, aufgenommen in Echtzeit und mit einer Aussage, die mich berührt und kein Emo-Geschrei. Trotzdem höre ich mir ab und zu mal wieder auch bisschen was anderes an, generell ist immer Platz für jede Art von Musik.
Mit „5-4-3-2-1-Perhaps?“ sind SNUFF jetzt, nach dem Ende ihrer Auszeit im Jahr 2009, zu Fat Wreck zurückgekehrt. Warum das „Comeback“, warum Fat Wreck – eventuell, weil euer „Labelboss“ selbst in einer Band spielt, die schier endlos weiterzumachen scheint?
Wir haben sogar 2008 schon wieder angefangen. Wir haben das Album erst mal für uns aufgenommen und weil es uns Spaß gemacht hat. Angesichts der gegenwärtigen Situation im Musikgeschäft waren wir völlig überrascht und überaus glücklich, dass es überhaupt Labels gab, die es veröffentlichen wollen. Heutzutage kannst du schon froh sein, wenn du jemanden kennst, der über einen Raum verfügt, in dem du deinen Krach spielen kannst, mit irgendeiner primitiven Audio-Software, um dein Zeug aufzunehmen. In verschiedener Hinsicht führt uns das dahin zurück, wo wir angefangen haben. Wir haben dabei weder früher an Geld gedacht, noch hat es für uns heute Priorität.
Wann bist du BILLY NO MATES, wann bist du SNUFF und wann POT KETTLE BLACK? Diese Bands existieren ja sogar mit verschiedenen Line-ups.
BILLY NO MATES ist mein Solokram, zwar SNUFF sehr ähnlich, aber Touren und Aufnehmen mache ich allein oder mit unterschiedlichen Begleitbands, je nachdem, wo ich bin. SNUFF sind momentan auch nur noch eine Teilzeit-Band, also fülle ich die restliche Zeit mit anderen Sachen. Bei BILLY NO MATES ging es aber eigentlich gar nicht so sehr ums Touren, es ist eher ein Studioprojekt. Es gibt und gab britische, japanische, amerikanische und jetzt auch australische Line-ups, und ich werde damit weitermachen, egal wann oder wo – „global Billy“, haha. Dann ist auch noch ein Album in der Mache, das ich vor einer Weile mit Joey Cape, Sergie von SAMIAM und Chicken von DEAD TO ME in San Francisco aufgenommen habe, ich muss nur noch Zeit und Geld dafür finden, um es fertig zu kriegen. Bei POT KETTLE BLACK war Simon von SNUFF dabei, aber da ist seit Jahren nichts mehr passiert.
Was ist, deiner Meinung nach, das Markenzeichen von SNUFF? Ich würde behaupten, dass der Einsatz der Orgel einen großen Anteil an eurem einzigartigen Sound hat.
Ich dachte immer, SNUFFs Markenzeichen sei gewesen, extrem durchschnittliche Musik zu machen und den Leuten das Gegenteil vorzugaukeln, hahaha ... Aber ehrlich gesagt sollte das vielleicht jemand anders beantworten. Wir haben immer gemacht, was wir wollten, einfach weil es uns gefällt, wir haben niemals einem Modetrend nachgegeben und es hat uns nie gekratzt, was andere Leute wollen. Ich habe die Hammondorgel schon bei DEEP PURPLE gemocht, bei SMALL FACES und PRISONERS.
Du bist auch auf der aktuellen TOY DOLLS-Platte zu hören – bist du da mittlerweile festes Bandmitglied?
Ich bin schon seit Anfang 2006 bei den TOY DOLLS und das sehr gerne. Ich habe für das letzte Album einen der Songs geschrieben und dabei gesungen. Ich bin also stolzes Mitglied des aktuellen Besetzung der „Nellie Men“. Aber Olga hält die Zügel fest in der Hand und das zu Recht, denn die TOY DOLLS sind Olga und waren schon immer Olga, weshalb es auch viele Besetzungswechsel im Laufe der Zeit gab.
Die TOY DOLLS waren im Grunde immer mit sehr ähnlichen Songs unterwegs, wie etwa auch die RAMONES oder MOTÖRHEAD. Was fasziniert dich an Olgas Werk?
Zum dem Thema schweige ich lieber, schließlich habe ich selbst dreißig Jahre lang die gleichen vier oder fünf Songs wiedergekäut! Olga ist definitiv ein sehr cleverer Songwriter und ein virtuoser Musiker. Dass er immer alles 100% richtig hinbekommt, glaube ich zwar nicht, aber wenn er es hinbekommt, dann sind es großartige Songs und Texte, mit denen ich mich voll identifizieren kann.
Du hast in all den Jahren viele Platten gemacht. Wie schwierig ist es, diese verfügbar zu halten, wenigstens digital? Mir ist nämlich gerade aufgefallen, dass etwa „Bubble And Squeak“ nur in den USA erhältlich ist.
„Bubble And Squeak“ war eine Kollaborationsprojekt mit sehr vielen Musikern. Ich bin sehr stolz auf diese Platte, auch weil es für mich so was wie das Tagebuch meines Lebens ist. Es hat aber auch so viele Mühe gekostet, es aufzunehmen, dass ich nicht glaube, dass ich es noch mal tun würde. Auch wenn es „guerillamäßig“ aufgenommen wurde, über vier Jahre verteilt, war es immer noch relativ teuer. Zu der Zeit haben eben noch genug Menschen für Musik bezahlt, damit du wenigstens gerade so die Kosten decken konntest. Im Moment habe ich da leider nicht viel Spielraum, von daher bin ich froh, dass ich wenigstens das SNUFF-Album rechtzeitig fertigmachen konnte. Ich glaube, die Leute verstehen so langsam, dass das rein mathematisch nicht mehr funktionieren kann – wenn du nichts beisteuern willst zum Spritgeld der Bands, dann kommen sie höchstwahrscheinlich auch nicht mehr in deine Stadt. Ich bin ganz schlecht darin, mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten, und habe nichts ins Internet gestellt, was man sich runterladen könnte. Bei Labels wie Fat Wreck oder CR Japan läuft das via iTunes, aber ich habe das noch nicht gemacht. Teilweise bin ich mit iTunes auch nicht ganz einverstanden, schließlich streichen sie den Profit ein und geben wenig bis nichts an die Musiker weiter. Aber so läuft das eben heutzutage und ich werde früher oder später wahrscheinlich etwas hochladen müssen, also passe ich wohl besser auf, was ich sage. Langsam kommen mp3s auch wieder aus der Mode, denn die Leute gehen jetzt direkt zu YouTube oder Spotify, also wenn das komplett hinüber ist, mache ich was Frisches für die Sammler. Ich werde eine Website zusammenbauen, wenn ich ein bisschen Geld über habe oder sobald ich anfange zu verstehen, wie das geht. Außerdem besagen Statistiken, dass 95% der Downloads illegal, sind, also könnte ich bei der Anzahl meiner Fans damit vielleicht 1,50 Pfund verdienen, haha!
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