SKATALITES

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Die Offbeat-Erfinder


In diesem Jahr feiert das jamaikanische Ska-Urgestein THE SKATALITES fünfzigjähriges Bühnenjubiläum. Diese Band hat den Offbeat erfunden und weiterentwickelt. Ohne sie wären die Karrieren von Künstlern wie Bob Marley, Peter Tosh oder Jimmy Cliff, um nur einige wenige zu nennen, ganz anders verlaufen. Schließlich waren es die SKATALITES, die ihnen in den Sechziger Jahren musikalisch im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken freihielten. Bis heute beeinflussen sie junge Musiker und Bands, die teilweise kommerziell viel erfolgreicher sind, als die SKATALITES jemals waren. Ihre Konzerte sind immer noch ein musikalischer Höhepunkt und Publikumsmagnet für jedes Festival, auch wenn mittlerweile von der Urbesetzung nur noch Sängerin Doreen Shaffer und Saxophonist und Trompeter Lester „Ska“ Sterling aktiv sind. Und wer kennt sie nicht, die Hits, Hymnen und Neubearbeitungen von Songs der Band wie „Guns of Naverone“, „James Bond theme“, „Dick Tracy“, „Latin goes ska“ oder „Freedom sounds“, die oft auch von den besten neueren Ska-Bands kopiert wurden, aber nie den Charme der Jamaikaner erreichten. Mein erster Kontakt mit den SKATALITES ergab sich 1988 durch den BUSTERS-Song „Tribute to the Skatalites“. Im gleichen Jahr ersetzte Ken Stuart Jackie Mittoo am Keyboard. Ken hält auch im Management der Band die Zügel in der Hand. Er gab mir einen ganz persönlichen Rückblick und offenbarte einige interessante Infos zum Jubeljahr und wie es mit dem Ska-Urgestein in Zukunft weitergehen wird.

Ken, wie bist du damals zu den SKATALITES gestoßen?


Nachdem ich die Band das erste Mal 1987 in Cambridge, Massachusetts live gesehen habe, wurde ich ein echter Fan der SKATALITES und des jamaikanischen Ska. Vorher hatte ich mich mehr mit englischen 2Tone-Bands beschäftigt wie THE BEAT, THE SPECIALS oder Artverwandtem wie THE POLICE. Der Sound der SKATALITES hat mich damals echt beeindruckt, dieser Mix mit Jazz- und Latin-Einflüssen. Nicht zuletzt, da diese damals Mittvierziger/Mittfünfziger eine unglaublich authentische Energie auf der Bühne hatten. Ich erinnere mich, dass ich während der Show zu einem Freund sagte: „Wenn ich die Möglichkeit hätte, bei einer Band einzusteigen, dann bei den SKATALITES.“ Nur sechs Monate später saß mir Lloyd Knibb an seinem Schlagzeug in einer kleinen Reggae-Band in Rhode Island gegenüber. Also fragte ich ihn, was denn mit den SKATALITES passiert sei, wenn er nun hier mit dieser kleinen Band spielte. Er erklärte mir, dass die Band 1986 in die USA umgezogen sei, aber nur einige wenige Konzerte spielte. Zudem lebte Jackie Mittoo in Kanada und wäre deshalb nur sehr selten bei Konzerten mit dabei. Und so ergab es sich, dass ich im März 1988 bei SKATALITES vorspielte und Ende April das erste Konzert mit ihnen und Owen Gray im West Indies Social Club in Trenton, New Jersey hatte. Meine erste Begeisterung für die Band verflüchtigte sich etwas, nachdem sie im Laufe des Jahres gerade mal zehn weitere Auftritte hatten. Also bot ich Tommy McCook meine Hilfe an. Und so kam es, dass wir als Support mit Bunny Wailer in den USA auf Tour gehen konnten. Das war die „Liberation“-Tournee im April 1989, übrigens die erste Konzertreise der damaligen Besetzung außerhalb Jamaikas. Danach folgte eine weitere eigene Tour, und seit 1990 sind wir wieder regelmäßig in der Welt unterwegs.

Am 12. Mai 2011 starb eines der letzten Gründungsmitglieder, Schlagzeuger Lloyd Knibb. Trevor „ Sparrow“ Thompson ist seitdem der neue Drummer der Band. Wie war das Arbeiten mit Lloyd an der letzten Platte „Walk With Me“, und wie wurde Trevor in seine Aufgabe eingearbeitet?

Lloyd war kurz vor seinem Tod noch mit uns auf Tour in Südamerika. Die Ärzte hatten bei ihm Krebs im fortgeschrittenen Stadium festgestellt. Sie gaben ihm nur noch sehr wenig Zeit, so dass ich ihn nach Jamaika brachte, wo er zu Hause verstarb. „Walk With Me“ ist eine Sammlung von Songs, die wir zusammen geschrieben haben und wobei einige von Lloyd Knibbs letzten Aufnahmen zu hören sind. Unser Bassist Val Douglas spielte in den späten Sechzigern in Kingston schon immer wieder mal mit Trevor zusammen. In den frühen Siebzigern wanderte Sparrow in die USA aus. Er war einer der ersten Schlagzeuger in New York City, die Reggae spielten, bevor die meisten Menschen überhaupt wussten, für was Reggae steht. Das erste Mal als offizielles SKATALITES-Mitglied arbeitete Trevor „Sparrow“ Thompson als Ersatzschlagzeuger für Lloyd Knibb, als Lloyd 2008 operiert werden musste. Lloyd hat seinerzeit Trevor selbst ausgewählt. Seitdem war er immer mit auf Tour und sprang ein, wenn Lloyd nicht in der Lage war, eine Show zu spielen. Nach dem Tod von Lloyd wurde Trevor festes Mitglied der Band. Derzeit arbeiten wir an den Aufnahmen für das fünfzigjährige Jubiläum. Soviel sei schon einmal verraten: es werden viele Gäste mit dabei sein. Neben neuen Songs werden wir einige ältere Stücke neu einspielen.

Das heißt, ihr werdet 2014 auch mit jüngeren und aktuell populären Acts aufnehmen? Das ist ja für beide Seiten interessant, schließlich erreicht man so ein ganz neues Publikum.

Genauso ist es. Derartige Konstellationen wird es in vielfacher Form in diesem Jahr geben. Wir werden rechtzeitig ankündigen, wann und wo ihr mit uns einen dieser ganz besonderen Momente erleben könnt. Und davon wird es einige in den verschiedensten Ecken der Welt geben, schließlich werden wir im Laufe des Jahres unter anderem noch in Japan, Hongkong, auf La Reunion und in weiten Teilen Europas, Großbritannien, den USA, Südamerika und hoffentlich auch in Ozeanien und vielleicht auch in Afrika auf Tournee sein. Der afrikanische Kontinent steht bei uns ganz oben auf der Liste, dort haben wir in den fünfzig Jahren Bestehen noch nie gespielt. Wir alle richten unseren Fokus auf die Band, um deren musikalische Tradition weiterhin weit in die Welt tragen zu können. In der Vergangenheit haben wir in der Regel circa 100 Shows im Jahr gespielt. 2014 werden es weit über 150 werden, was für andere Sachen wenig Zeit lässt.

Bereitet ihr euch noch irgendwie auf eine Tournee vor, wenn ihr sowieso ständig spielt und unterwegs seid?

Ehrlich gesagt haben wir noch nie wirklich viel geprobt. Nur manchmal treffen wir uns, um die einen oder anderen Läufe und Wechsel durchzugehen, um im Live-Set etwas zu ergänzen oder uns für Studioaufnahmen vorzubereiten.

Zwar waren THE SKATALITES schon relativ bald als eigenständige Band eine Institution, jedoch feierten sie in den Sechzigern ihre ersten Erfolge als Backingband für eine große Bandbreite von Sängerinnen und Sängern. In diesem Zusammenhang interessiert mich, wie es in Sachen Tantiemen für Aufnahmen vergangener Tage aussieht.

Ein schwieriges Thema. Zum einen hat die Band nie eine nur halbwegs angemessene Entlohnung für all ihre Aufnahmen in den ersten Jahrzehnten erhalten. Nach all den Jahren ist es auch schwierig, hier noch irgendetwas einzufordern. Die Produzenten haben sich seinerzeit sogar das Recht herausgenommen, die Gelder der Stücke einzubehalten, mit denen sie überhaupt nichts zu tun hatten. Unglaublich, dass das damals alles so passieren konnte. Das, was den SKATALITES widerfahren ist, ist letztendlich auch die Geschichte, die im 1972 erschienenen Kinofilm „The Harder They Come“ erzählt wird. Der gibt genau die Situation der damals aufstrebenden Künstler auf und aus Jamaica wider. Lediglich von einigen der letzten Aufnahmen bekommt die Band Tantiemen ausbezahlt.

Auch wenn der kommerzielle Erfolg sich nie wirklich eingestellt hat, ist es doch so, dass THE SKATALITES mit ihrem Sound Musikgeschichte geschrieben und weltweit unzählige Bands beeinflusst und inspiriert haben. Wurde und wird das in irgendeiner Weise auf Jamaica honoriert?

Laut Redensart ist etwas zu kopieren ja die höchste Form der Auszeichnung. Ich glaube, dass all die MusikerInnen, die sich über den Erdball verteilt für diesen faszinierenden Riddim begeistern können, die größte und schönste Be- und Entlohnung für die Gründungsmitglieder sind. Die meisten von ihnen erhielten für ihre musikalische Leistung den jamaikanischen Offiziersorden, gleichzusetzen einem Ritterschlag, eine sehr ehrenwerte Auszeichnung. Und sowohl die SKATALITES als auch einzelne Mitglieder haben über die Jahre von diversen Organisationen und Veranstaltungen Preise für ihr Lebenswerk erhalten.

Fünfzig Jahre sind eine unglaublich lange Zeit. Ihr habt den drastischen Wandel des Musikgeschäfts miterlebt. Wie siehst du diese ganze Entwicklung, was hat sich in all den Jahren verändert, welchen Rat würdest du jungen Künstlern heutzutage mitgeben?

Ohne Zweifel hat sich das Musikgeschäft in den letzten zehn Jahren drastisch verändert. Meiner Meinung nach in fast allen Belangen eher zum Negativen. iTunes, Pandora oder wie diese Download-Services alle heißen, dienen nicht dem Künstler, sondern stehen einmal mehr als Symbol für Ausbeutung. Das wirkt sich wiederum auf die Konzerte aus. Davon betroffen ist genreübergreifend insbesondere der Bereich der alternativen Musik. Heutzutage interessieren sich doch die Veranstalter hauptsächlich dafür, wer ihnen den größtmöglichen Umsatz bei geringstem Einsatz einbringt. Dabei spielt das Niveau überhaupt keine Rolle mehr, geschweige denn die Förderung irgendwelcher Talente. Durch die Kartenverkäufe fallen Gebühren für den Künstler an, was auch die Ausgaben in die Höhe treibt. In beiden Fällen geht die Rechnung nicht auf. Irgendwann werden die Leute der elektronischen Musik müde werden und sich wieder nach handgemachter Musik sehnen, die mit echten Instrumenten, Melodien und Harmonien Stimmungen bei den ZuhörerInnen hervorrufen. Sicher könnte ich mich darüber noch mehr auslassen, aber eigentlich ist damit alles gesagt.

Wie sieht es mit der Zukunft der SKATALITES aus, wenn – aus welchen Gründen auch immer – kein Gründungsmitglied mehr aktiv dabeisein wird?

Momentan haben wir uns so verständigt, dass wir allen Hindernissen und Schicksalsschlägen zum Trotz mit den über all die Jahre hinzugekommenen neuen Musikern der SKATALITES das musikalische Erbe, so gut es uns nur möglich sein wird, pflegen und weiterverbreiten wollen und werden.