SKATALITES

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Über eine Band

Wer heute den Namen Ska oder Reggae hört, denkt an große Gruppen mit vielen, sehr vielen Leuten auf der Bühne - im Gegensatz zu Punk- oder R'n'R-Trios. Mindestens drei Bläser, eine Orgel, ein oder zwei Gitarristen, eine Rhythmusfraktion und vielleicht noch ein Background-Chor, so sollte eine Off-Beat-Kapelle aussehen. Dabei waren die ersten Stars auf Jamaika in den 50er und 60er Jahren keine Mega-Orchester, sondern Sänger und ihre Produzenten. Doch ohne Begleitung ging es nicht, und das war die Geburtsstunde der SKATALITES, die praktisch jeden Jamaika-Künstler damals unterstützt haben. Sehr schnell wurde jedoch aus der "Hintergrund-Band" 1963 ein eigenes Star-Ensemble. Musiker wie Jackie Mittoo, Tommy McCook, Rolando Alphonso oder Don Drummond wurden zu Vorbildern von mittlerweile drei Generationen Ska-, Jazz- und Reggae-Musikern. Ihre Hits oder Versionen von "Guns of Naverone", "James Bond theme", "Dick Tracy", "Latin goes ska" oder "Freedom sounds" wurden Welthits. Im Rahmen ihrer Herbst-Europatour unterhielt ich mich mit dem Keyboarder und zugleich Manager Ken Patrick in Berlin vor ihrem Auftritt


Gleich die brennendste Frage zum Anfang: Wie kam es dazu, dass euer Bassist Lloyd Brevett die Band verlassen hat? Der Hauptteil eurer Fans ist völlig entsetzt, war Brevett doch eines der letzten Originalmitglieder.


Die Besetzung ändert sich halt auch gelegentlich. Im Laufe der Jahre sind viele Urmitglieder ausgestiegen oder gestorben. Die Band hat sich in ihrem Wesen nie verändert. Nun war es der Bassist. Die SKATALITES gibt es trotzdem weiterhin.

Du bist seit 1988 in der Band. Was für ein Gefühl war und ist es, in dieser Gruppe zu spielen?

Natürlich ist es fantastisch. Als ich die Band das erste Mal 1963 live sah, hat mich die Musik sofort in ihren Bann gezogen. Ich habe die SKATALITES noch mit allen Originalmitgliedern auf der Bühne gesehen. Ich bin danach im Frühling nach Boston gezogen und habe sechs Monate später angefangen, Schlagzeug zu lernen. Ich war in einer kleinen Reggae-Band. Wir sind in winzigen Clubs in Rhode Island aufgetreten. Die Bühne war so klein, dass wir nie alle draufpassten. Seit ich die SKATALITES live gesehen habe, bin ich dieser Musik schon verfallen. Wie ich Mitglied der Band wurde, ist eine recht einfache Geschichte: Über einen Freund habe ich erfahren, dass die SKATALITES für zehn Shows wieder auftreten wollen, aber keinen Keyboarder haben. Das war im April 1989, als sie bei Bunny Wailers Liberation-Tour aufgetreten sind.

Viele Bandmitglieder sind im Laufe der Jahre gestorben. Hat sich dieses Bandgefühl über die Zeit verändert?

Ja, natürlich. Es war ein schwerer Schlag für die Band als Don Drummond als Erster starb. Er war eine sehr wichtige Persönlichkeit für die Gruppe. Er verkörperte einen gewissen Sound. Er hat mit allen großartigen Musikern zusammengearbeitet. Als es Drummond schlecht ging, kam es zu der Spaltung in die beiden Gruppen ROLANDO ALPHONSO & SOUL VENDORS und TOMMY McCOOK & THE SUPERSONICS. Tommy McCook hat nur noch für Studio One aufgenommen. Er hat den Rocksteady geprägt. Der Rest hatte völlig andere Vorstellungen.

Ist es noch wichtig, Originalmitglieder in der Band zu haben oder geht es eher um den Wiedererkennungswert des Songmaterials der SKATALITES, das auch andere Musiker spielen können?

Die Leute bekommen schon mit, was passiert. Über die Jahre sind einige Mitglieder gegangen, die Musik ist geblieben. Dabei gibt es kein Konzept. Es ist nur so, dass sich die SKATALITES nach ihrer Reunion nicht mehr getrennt haben. Die Band spielt immer noch die Musik wie früher: den Ska. Sie haben sich nicht irgendwie angepasst.

Du bist der Nachfolger von der Keyboard-Legende Jackie Mittoo bei den SKATALITES. Er hat viele Songs geschrieben. Du spielst nur sein altes Material, kein Neues kommt dazu. Wie gehst du damit um?

Unsere Set-List ändert sich schon sehr oft. Besonders nach dem Weggang unseres Bassisten haben wir unser Programm wieder umgestellt. Brevett wollte mehr 60er-Jahre-Sound haben. Aber Reggae und Rocksteady sind notwendig, deshalb ging das nicht. Wir haben ein neues Repertoire zusammengestellt. Wir haben auch gerade ein Livealbum herausgebracht. Es ist wohl das Beste aller Zeiten, und die SKATALITES-Musiker sind exzellent.

Jedes Bandmitglied beansprucht auf der Bühne viel Zeit für Improvisationen. Gibt es hier einen Unterschied zwischen den SKATALITES live und im Studio? Was bereitet euch mehr Freude?

Oh ja, natürlich gibt es einen Unterschied. Viele in der Band ziehen das Studio den Konzerten vor. Du hörst den anderen einfach besser und kannst besser auf ihn antworten.

Weshalb habt ihr das Livealbum in Argentinien aufgenommen? Wegen des enthusiastischen Publikums dort?

In lateinamerikanischen Ländern sind die Leute stets begeisterungsfähiger. Aber auch die Bedingungen und der Zeitpunkt haben einfach gestimmt. Wir wollten eine neue Platte aufnehmen, hatten aber während der Touren keine Zeit, um ins Studio zu gehen. Deshalb haben wir einfach ein Live-Konzert mitschneiden lassen. Dass es Buenos Aires geworden ist, war im Prinzip Zufall. Es war eine gute Idee. Wir hatten einen fähigen Tontechniker. Das Publikum war begeisterungsfähig. Es waren wohl 1.000 Leute beim Konzert. Wir haben 24 Stücke aufgenommen, um auswählen zu können.